Lörick Die 100-Jährige und die Liebe zur FDP

Lörick · Erika Peters hat fast ihr ganzes Leben lang liberale Politik gemacht und als Ratsfrau in Dresden beim Wiederaufbau mitgewirkt, später in Hagen. Heute lebt sie im Haus Lörick. Ein Besuch.

 Erika Peters in ihrem Appartement im Haus Lörick, in das sie nach dem Tod ihres Ehemannes gezogen ist

Erika Peters in ihrem Appartement im Haus Lörick, in das sie nach dem Tod ihres Ehemannes gezogen ist

Foto: Andreas Bretz

Schlank, gepflegt, die Beine flott übereinandergeschlagen und sehr aufrecht sitzt Erika Peters im Sessel ihres Appartements im Wohnstift Haus Lörick. Ein Gast sagt charmant: "Wo ist denn hier die 100-Jährige?" Die Seniorin kommentiert das mit einem Lächeln. Denn ihre Stimme ist etwas belegt, "weil ich ein wenig erkältet bin". Das hält sie aber nicht davon ab, ihre Besucher zu bewirten und vor allem, sie mitzunehmen auf eine Reise in ihre 100-jährige Vergangenheit mit ihren vielen dramatischen Wendungen.

Am 23. Januar 1917 erblickte Erika Peters, geborene Lieb, in Wilhelmshaven das Licht der Welt. Knapp zwei Jahre alt, begann für sie ein häufiger Wohnungswechsel, wohl durch den Beruf des Vaters bedingt, der Baurat war. "Als ich sechs war, starb meine Mutter. Bevor mein Vater mich zu Verwandten nach Dresden schickte, ging ich in Stuttgart zur Schule." Ihre schwäbische Sprechweise eckte an bei den sächselnden Klassenkameradinnen, die sich lustig über die Neunjährige machten. "Ich bin heute noch beleidigt." Nach der Schulzeit absolvierte sie eine Ausbildung zur Medizinisch-technischen Assistentin (MTA) und arbeitete als wissenschaftliche Laborantin und Dozentin. Im zweiten Kriegsjahr heiratete sie den promovierten Chemiker und Oberingenieur Freimut Peters.

Wenige Jahre später, am 14. Februar 1945, fiel die Welt der Peters in Trümmer. Alliierte Bomber legten Dresden in Schutt und Asche. "Wir wurden verschont, weil wir in der Neustadt wohnten, die Bomben sich auf den Stadtkern konzentrierten." Angesichts des verheerenden Infernos mit tausenden Toten entschloss sich Erika Peters 1945 in die Liberal-Demokratische Partei (LDP) einzutreten. Sie übernahm Verantwortung im Stadtrat, "zusammen mit Wolfgang Mischnick", betont sie. Das Ziel sei klar gewesen. "Wir wollten Dresden aus den Trümmern retten und die Demokratie aufbauen." Oberste Priorität aber habe die Versorgung der Menschen gehabt und auch, den Schulbetrieb wieder aufzunehmen, "damit die Kinder von der Straße kommen". Alle haben zusammengehalten, egal welcher Partei man angehörte. Gleich zu Beginn der "neuen Zeit" kündigte sich erneut Unheil an. Denn der Druck seitens der sowjetischen Militäradministration nahm zu. "Wir entschlossen uns, die Flucht zu ergreifen." Getrennt, denn Freimut Peters wurde vom Geheimdienst bedroht. Er flüchtete filmreif, indem er sich mit einem Bettlaken aus dem Fenster schwang. "Ich bin ihm dann 1949 gefolgt und dank einer Fluchhelferin unbeschadet im Westen angekommen." Sogar einen großen Teil ihrer antiken Möbel und des Porzellans habe sie retten können, sagt sie und blickt zufrieden, ja sogar stolz auf ihre Einrichtung.

Die Familie strandete im westfälischen Hagen. Sogleich setzte Erika Peters ihre politische Laufbahn trotz der Geburt zweier Söhne fort. Mit der ehemaligen Bundestagsvizepräsidentin Lieselotte Funcke gründete sie die FDP Hagen und wurde auch dort Ratsfrau. Nach dem Tod des Ehemannes wechselte sie im "jugendlichen" Alter von 82 Jahren noch einmal die Stadt und mietete auf Anraten ihrer Söhne ein Appartement im Haus Lörick. Nicht etwa, um sich auszuruhen. Denn ihr freiwilliges Engagement pflegte sie weiter im Bewohner-Beirat des Wohnstifts. Woher nimmt sie die Kraft, was hält sie fit? "Ganz einfach, gute Gene und Training für den Geist", erklärt sie und tippt sich auf die Stirn. Sie sagt auch gleich, wie sie das macht. "Zeitung lesen und Bridge spielen im Löricker Gemeindezentrum." Was ihr fehlt, ist das Autofahren. Vor zwei Jahren, mit 98 Jahren, hat sie es aufgegeben. "Leider", bedauert sie. "Ich trage immer noch Trauer, vermisse mein Auto."

(RP)
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