Düsseldorf Die 17 vergessenen Gräber

Ludenberg · Vor einem ebenso realen wie traurigen Hintergrund haben fünf Autoren fiktive Kurzgeschichten geschrieben. Das Ergebnis ist ihre Art des Gedenkens an anonyme Opfer, die vor unserer Haustür gewaltsam zu Tode kamen.

 Drei der fünf Autoren: (v.l.) Jörg Marenski, Ralf Buchholz und Stephan Peters.

Drei der fünf Autoren: (v.l.) Jörg Marenski, Ralf Buchholz und Stephan Peters.

Foto: Marc Ingel

Ein Zeitungsartikel Anfang vergangenen Jahres war die Initialzündung für fünf befreundete Krimiautoren rund um Gerresheim: Berichtet wurde über 17 vergessene und verwitterte Grabstätten auf dem Gelände der heutigen psychiatrischen Landesklinik in Ludenberg. Vor 1945 kamen in der damaligen "Heil- und Pflegeanstalt" Menschen zu Tode - weil sie angeblich krank waren, depressiv, dement, geistig behindert. Weil Betten frei gemacht werden mussten für verwundete Wehrmachtssoldaten. Sie wurden vergiftet, erschossen, vergast oder man ließ sie schlicht verhungern.

Letzteres Schicksal ereilte wohl auch die 17 in Ludenberg verscharrten Personen. Bewiesen ist es nicht. Dass dieses Kapitel deutscher Geschichte immer Spekulationen unterworfen war, reizte die Autoren, ihre fiktive Interpretation der historischen Vorlage niederzuschreiben. "Wir sind keine Sachbuchautoren, würden auch nicht über das Wissen verfügen, eine lückenlose Aufarbeitung zu erstellen. Wir können aber mit erdachten Storys ebenso an das Leid der Opfer erinnern", erklärt Jörg Marenski, der in seiner Kurzgeschichte "T4 - voll krass" erzählt, wie fünf Jugendliche auf einen alten Mann treffen, der auf der Suche nach dem Grab seiner Mutter ist.

Mehrere Monate arbeiteten die vier Männer und die 22-jährige Deborah Haarmeier an ihren jeweiligen Plots, man tauschte sich aus, las gegen und Korrektur, bis die Ergebnisse Ende 2014 für das Taschenbuch "Die 17 vergessenen Gräber" zusammengeführt wurden. Bastian Fleermann, Leiter der Mahn- und Gedenkstätte, schrieb ein Grußwort, die 1917 geborene Künstlerin Dorothea Buck, als Zwangssterilisierte ein Opfer der NS-Diktatur, ein Vorwort. Peter Subat steuerte ein Gedicht bei.

"Wir hoffen, dass unser Buch einmal in Schulen Einzug hält, da so ein inhaltlich wichtiger Stoff als Thriller verpackt womöglich eher Beachtung bei Jugendlichen findet", sagt Ralf Buchholz, der mit seinem in Eigenregie gegründeten Verlag RaBu die Geschichten-Sammlung verlegt. Seine Story "Das grausige Geheimnis" dreht sich um einen in der Psychiatrie gefangengehaltenen Arbeiter, der schikaniert und gequält wird. "Sich an dem Pfleger, der ihm all das angetan hat, zu rächen, hält ihn am Leben", erläutert Buchholz.

Das literarische Quintett könnte sich auch gut vorstellen, das Buch im Rahmen von Lesungen einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen, noch mangelt es aber an Einladungen. Stephan Peters, der schon mehrfach mit Deborah Haarmeier an schaurig-schönen Lesungen ("Zart und Bitter") teilgenommen hat, verortet "Das siebzehnte Grab" ziemlich genau an den Originalschauplatz und lässt eine alte Jüdin über "eine Geschichte mit einem Mordsschluss", einem Zitat aus dem Filmklassiker Casablanca, erzählen. Nur ist ihre Version weitaus grausamer.

Stark an der Realität orientiert sind auch die Geschichten von Jan Michaelis ("Mundtot") und Deborah Haarmeier ("Mahnmal"). Für alle fünf Autoren gilt: "Wir sind Gebrauchsprosaiker, wollen den Leser vorrangig unterhalten. Das schließt einen ernsten Hintergrund aber natürlich nicht aus", so Jörg Marenski.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort