Ludenberg Die bewegte Geschichte der Villa Wandershof

Ludenberg · Seit fast 200 Jahren ist das ehemalige Ausflugslokal an der Rennbahnstraße im Familieneigentum. Heute sind dort Ateliers und Büros.

 Michaela Roßberg vor dem inzwischen umgebauten Wandershof am Rande des Grafenberger Waldes

Michaela Roßberg vor dem inzwischen umgebauten Wandershof am Rande des Grafenberger Waldes

Foto: M: Ingel

Die Zeitrechnung beginnt mit dem Jahr 1823, als Konrad Schmitz den Gutshof Wandershof übernimmt. Knapp 30 Jahre später übergibt er ihn an seinen Schwiegersohn Mathias Hilden, damals liegt das Gebäudeensemble noch weit vor den Toren der Kleinstadt Düsseldorf, die zu diesem Zeitpunkt knapp 40.000 Einwohner zählt. 1897 geht ein Großteil der Fläche des Gutshofes an die Stadt Düsseldorf. 1906 bietet der damalige Oberbürgermeister Wilhelm Marx dem Reiter- und Rennverein das Areal an, der seine Rennen wegen des Hafenbaus nicht mehr länger auf den Lauswardwiesen austragen kann. 1909 wird die Galopprennbahn im Grafenberger Wald eingeweiht. Und man kann getrost davon ausgehen, dass die Familie Hilden, die auf dem verbliebenen Teil des Gutshofes 1898 eine "Erholungsgasstätte" eröffnet hat, davon gehörig profitiert.

 Das Foto stammt aus dem Jahr 1944, nachdem der Wandershof durch Bomben stark zerstört worden war.

Das Foto stammt aus dem Jahr 1944, nachdem der Wandershof durch Bomben stark zerstört worden war.

Foto: Marc Ingel

Die Chronik ließe sich in dieser Länge beliebig fortsetzen, eines ist dabei besonders bemerkenswert: "Der Wandershof ist seit 1823 im Familieneigentum - und zwar in gerader Linie", sagt Michaela Roßberg, die heutige Eigentümerin. Sie kommt etwas später ins Spiel. Die vergangenen fast 100 Jahre im Schnelldurchlauf: 1923 übernehmen Josef und Käthe (geborene Hilden) Müller die Gaststätte, "meine Großeltern", so Roßberg. Im Krieg wird der Hof durch Bomben zerstört, 1948 dafür umso größer mit Kinderspielplatz und riesiger Terrasse als Ausflugslokal wiedereröffnet. Das Geschäft floriert.

 Lustige Wagenfahrt im Jahr 1903. Michaela Roßbergs Oma Käthe Müller (2.v.r.) versucht sich vergeblich, vor dem Fotografen wegzuducken.

Lustige Wagenfahrt im Jahr 1903. Michaela Roßbergs Oma Käthe Müller (2.v.r.) versucht sich vergeblich, vor dem Fotografen wegzuducken.

Foto: Marc Ingel

Bis 1963. In diesem Jahr übernimmt Irmgard Roßberg, Tochter von Josef und Käthe Müller, den Betrieb. Aber das Ausflugslokal muss schließen. "Es war bei 1000 Sitzplätzen und 7500 Quadratmetern Fläche einfach nicht mehr wirtschaftlich zu führen. Es war unheimlich viel Personal notwendig, aber eben auch nur bei schönem Wetter", berichtet die Tochter. "Ich hätte es gerne weitergemacht, aber ich war damals ja erst vier Jahre alt", erzählt Michaela Roßberg, die sich noch sehr gut an die alten Zeiten erinnern kann: "Im großen Speisesaal bin ich mit meinem Dreirad dem Opa zwischen den Beinen herumgefahren. Als das Ausflugslokal dann zumachen musste, hatte ich den wahrscheinlich größten Privatspielplatz der Stadt - mit 16 Schaukeln!", so das Einzelkind.

 Die Villa Wandershof hatte in den Zeiten als Ausflugslokal einen riesigen Terrassenbereich im Grünen.

Die Villa Wandershof hatte in den Zeiten als Ausflugslokal einen riesigen Terrassenbereich im Grünen.

Foto: Marc Ingel

Der Wandershof wird danach umgebaut, lange hat die Werbeagentur GmbH & Co. KG, einem der Vorgänger der BBDO, hier ihren Sitz. Verschiedene weitere Werbeagenturen folgen, bis 2004 der letzte Großmieter Insolvenz anmelden muss. Es folgt eine weitere Zäsur, der Gebäudekomplex wird modernisiert, viele kleinere Flächen für mehrere unterschiedliche Mieter werden geschaffen. 2008 übernimmt Michaela Roßberg die Villa Wandershof von ihrer Mutter, "das ist jetzt auch schon wieder zehn Jahre her", wundert sie sich fast ein bisschen. "Nachdem der letzte Großmieter hier raus ist, sah es aus wie Hulle. Eine Komplettsanierung wäre aber nicht zu bezahlen gewesen", sagt Roßberg. Also entschließt sich die Familie, sukzessive, und zwar immer nach einem Mieterwechsel, die Einheiten zu modernisieren, Dächer zu dämmen, neue Fenster einzubauen, Toiletten zu sanieren, die Elektronik auszutauschen. "Das geht bis heute so - und wird wahrscheinlich auch nie enden", spekuliert die Dolmetscherin und Übersetzerin, die inzwischen 14 verschiedene Mieter hat: IT-Unternehmen, eine Detektei, Werbeagenturen, Steuerberater, gleich mehrere Künstler, die in der Villa nun ihr Atelier haben, und es gibt auch eine Privatwohnung, in der eine Familie lebt. 120 Jahre ist es jetzt her, dass der Wandershof als Erholungsgaststätte eröffnet wurde. "Inzwischen kann man sagen, wir haben den Übergang ins nächste Kapitel dieser Geschichte geschafft", sagt die 58-Jährige, die mit "wir" auch ihren Mann Ulrich Noll-Roßberg meint, der gerne mit anpackt, wenn im Garten Arbeit anfällt. Aufgeben würde Michaela Roßberg die Villa Wandershof nie, "auch wenn es hier sehr abgeschieden ist. Aber wo gibt es noch so unberührte Natur, wo Fuchs, Dachs und Steinmarder sich genauso wohlfühlen wie wir".

(arc)
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