Oberbilk Als der Oberbilker Markt ein Tatort war

Oberbilk · Politiker wollen die Geschichte des Platzes während des Zweiten Weltkrieges aufarbeiten.

 Eine Tafel erinnert heute auf dem Oberbilker Markt daran, dass 1945 der Halbjude Moritz Sommer von Nazis aufgehängt wurde.

Eine Tafel erinnert heute auf dem Oberbilker Markt daran, dass 1945 der Halbjude Moritz Sommer von Nazis aufgehängt wurde.

Foto: Andreas Endermann

Moritz Sommer hatte es schon fast geschafft. Nachbarn hatten ihm über die Kriegsjahre dabei geholfen, sich vor der Gestapo zu verstecken. Bekannte vermittelten dem Klempner Aufträge, so dass der Oberbilker irgendwie über die Runden kam. Doch kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges, am Morgen des 15. April 1945, hängt die Leiche des 72-Jährigen dann an einem Transformator-Häuschen auf dem Oberbilker Markt - mit einem Schild um den Hals, auf dem steht: "Ich bin ein Volksverräter". Kurz zuvor hatte eine Heeresstreife Sommer in seinem Versteck in einer Kleingartensiedlung aufgespürt und ihn auf dem Oberbilker Marktplatz erhängt, da er Deserteuren geholfen habe. Heute erinnert eine Tafel vor Ort an Moritz Sommer.

Den Politikern der Bezirksvertretung 3 ist es über politische Grenzen hinweg wichtig, die Geschichte des Platzes, auf dem es 1919 auch Kämpfe zwischen streikenden Spartakisten und den Freikorps gegeben hatte, aufzuarbeiten und vor Ort auch auszustellen. Sie haben die Verwaltung daher dazu befragt, welche Art von Litfaßsäule vor Ort zu diesem Zweck eigentlich aufgestellt werden könnte. Zudem wollen die Politiker wissen, ob es möglich ist, dass städtische Einrichtungen wie Stadtarchiv oder Mahn- und Gedenkstätte diese mit Informationen bestücken.

Die Verwaltung rät allerdings von einer Litfaßsäule vor Ort ab, da es bereits zwei am Oberbilker Markt beziehungsweise eine auf dem gegenüberliegenden Puschkinplatz geben würde. Eine zusätzliche Säule würde "durch ihre Massivität auch in niedrigeren Höhen eine weitere Barriere auf dem Platz" bilden, gibt die Verwaltung den Politikern zu bedenken. Da zudem Litfaßsäulen in der Regel als Werbeflächen genutzt werden, "scheint sie als Medium zur historischen Aufarbeitung ungünstig", findet man bei der Verwaltung. Sie empfiehlt zur Dokumentation der historischen Ereignisse stattdessen "hochwertige Schaukästen". Denkbar sei es auch, "die Idee der gravierten Gleise oder eines Edelstahlpults" aufzunehmen, meint die Verwaltung.

Das Stadtarchiv und die Mahn- und Gedenkstätte haben den Politikern bei der Konzeption der Ausstellung ihre Unterstützung zugesagt.

(semi)
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