Oberbilk Die Erforschung von Oberbilk

Oberbilk · Seit 16 Monaten untersucht Nina Berding im Rahmen ihrer Doktorarbeit den Stadtteil und besonders den Lessingplatz.

 Nina Berding sitzt etwa zweimal in der Woche auf dem Lessingplatz, den sie als Spiegelbild des Stadtteils sieht.

Nina Berding sitzt etwa zweimal in der Woche auf dem Lessingplatz, den sie als Spiegelbild des Stadtteils sieht.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Der Lessingplatz ist ruhig, zentrumsnah und grün, so grün, dass manche Stadtentwickler, mit denen Nina Berding gesprochen hat, sagen, dass man so etwas heutzutage gar nicht mehr bauen würde. Zu viele Ecken, Nischen, Rückzugsorte. Rundherum stehen noch viele Häuser aus der Gründerzeit, die meisten Fassaden sind gepflegt, doch wer jetzt denkt, dass dies eine klassische Geschichte von Gentrifizierung und der Verdrängung Alteingesessener ist, der täuscht sich. Oberbilk im Allgemeinen und der Lessingplatz im Besonderen sind unentdecktes Land, wenn man so will. Die Strukturen hier sind noch weitgehend unbeeinflusst vom Immobilienboom, von der wachsenden Stadt. Hipster findet man hier auch eher selten. Stattdessen sei der Lessingplatz "durchmischt" wie Nina Berding sagt. Und vor allem: Viele der Leute, die hier leben, wollen das, fühlen sich wohl. Auch die Alteingesessenen, von denen es noch relativ viele gibt.

Seit 16 Monaten erforscht Nina Berding Oberbilk, und dabei hauptsächlich den Lessingplatz, weil der eben ein Spiegelbild des Stadtteils sei. Außerdem polarisiert dieser Platz, sagt sie. Für die Einen ist er ein Kleinod, der auch in der Großstadt genügend Platz zum Spielen bietet, für die Anderen ein Gefahrenraum, wo man sich vor Kriminellen und Drogensüchtigen in Acht nehmen muss. Für Berding ist der Platz vor allem spannend, was man an einem durchschnittlichen Nachmittag nun auch nicht wirklich vermutet. "Man muss halt länger hingucken", sagt sie. Auf die Trinkerszene etwa, die sich immer noch am ehemaligen Kiosk versammelt, obwohl der ja gerade deswegen geschlossen wurde, die ihre Geschäfte in den Grünanlagen verrichtet, weil die öffentliche Toilette nebenan eben meistens geschlossen ist. Man müsse sich auch mit den Jugendlichen beschäftigen, die kicken und rumhängen und sich hier am Nachmittag treffen, um mit Sozialarbeitern etwa Boule zu spielen. Die wiederum passen auf, dass niemand gegen das Rauchverbot auf dem Platz verstößt, schließlich sei der Lessingplatz ja vor allem Spielplatz und da dürfe eben nicht geraucht werden.

Berding hat auch Interviews mit den Bewohnern geführt, wobei sie darum bemüht war, einen Querschnitt der Bevölkerung abzudecken. In der Doktorarbeit, die im kommenden Frühjahr fertig sein soll, kommen Arbeitslose und Rentner, junge Pärchen und kleine Familien zu Wort. Bei den Familien seien die Vorbehalte auch am größten, sagt sie.

So wird etwa der Spielplatz auf dem Lessingplatz eher selten von ihnen genutzt, obwohl der im tadellosen Zustand ist. Stattdessen gingen Mütter und Väter lieber bis zum Fürstenplatz mit den Kindern. Früher waren die beiden Plätze durchaus vergleichbar, heute hätte sich am Fürstenplatz aber das neue Bürgertum angesiedelt, am Lessingplatz eben nicht. Dabei ist die Bausubstanz am Lessingplatz sogar noch etwas besser, der eigentliche Platz sogar schöner. Doch das ist eine subjektive Betrachtung. "Es gibt Menschen, die den Platz im Dunkeln nicht mehr überqueren und solche, die überhaupt kein Unsicherheitsgefühl verspürten", sagt Berding. Nach ihrer Auffassung kommen Letztere der Realität wohl eher nah. Ja, auch sie habe Dealer beobachten können, dennoch sei der Platz friedlich. Zumindest in den vergangenen 16 Monaten, sagt sie.

(RP)
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