Oberbilk Fortuna erinnert mit Stolperstein an Waldemar Spier

Oberbilk · Der in Auschwitz ermordete Zahnarzt war einer der Väter der Meisterschaft von 1933. Erst durch die Initiative von Fans kam er wieder ins öffentliche Bewusstsein.

 Michael Szentei-Heise von der jüdischen Gemeinde, Fortuna-Vorstandschef Robert Schäfer und OB Thomas Geisel waren anwesend.

Michael Szentei-Heise von der jüdischen Gemeinde, Fortuna-Vorstandschef Robert Schäfer und OB Thomas Geisel waren anwesend.

Foto: RP-Foto; Andreas Endermann

Niemand mehr weiß, was Waldemar Spier für ein Mensch war. Die, die ihn gekannt haben, die etwas über ihn hätten sagen können, wurden nie gefragt. Seine Frau zum Beispiel, Trude Spier, verstarb 1978 in Düsseldorf, ohne dass sich jemals jemand für ihr Leben interessiert hätte, geschweige denn für das Sterben ihres Mannes.

Fans von Fortuna Düsseldorf ist es zu verdanken, dass Spier nun wieder ins Bewusstsein der Menschen gerückt ist, und dass damit auch endlich mehr Licht in die Geschichte der Fortuna zwischen 1933 und 1945 kommt. Ein Stolperstein für Waldemar Spier, der jetzt in das Pflaster vor seiner letzten freiwillig gewählten Adresse an der Kölner Straße 248 gelegt wurde, ist auch Ausdruck des Willens des Vereins, dieses Kapitel aufzuarbeiten. Es geht um Haltung, wie Vorstand Robert Schäfer sagte: "Es ist wichtig, dass wir uns erinnern, vor allem, weil heute wieder Sachen gesagt werden können, die ich vor 20 Jahren für unmöglich hielt."

Dabei ist die Quellenlage undurchsichtig. Oft wird Spier als Obmann der Meistermannschaft von 1933 bezeichnet, so etwas wie ein früher Manager, Vater des Erfolges. Das mag sein, allerdings findet sich bei Fortuna bis heute keine Quelle dafür. Fest steht, dass Spier bis heute das einzig nachweisbare jüdische Vereinsmitglied der Fortuna in der Zeit von 1931 bis 1933 war. Explizit erwähnt wird sein Name in den Protokollen der Jahreshauptversammlung am 20. Januar 1931 sowie der am 25. Juli 1931. In beiden Zusammenkünften wurde er in den Spielausschuss "Fußball" gewählt.

Ebenso gibt es keine Belege dafür, dass er 1933 bereits vom Verein als Jude ausgeschlossen wurde und deshalb nicht mehr teilhaben konnte am größten Erfolg seiner Mannschaft, als Fortuna in Köln Schalke mit 3:0 besiegte.

Allerdings gibt es ein Glückwunschtelegramm, das Spier am Endspielabend gegen 20.30 Uhr aus der Domstadt in das ebenfalls in Köln befindliche Mannschaftshotel "Minerva" versandte. Der Text lautete: "Begeistert von dem grandiosen Siege sendet herzliche Glückwünsche euer Dr. Spier." Danach findet sich in den Vereinsunterlagen nichts mehr über Spier. Allerdings sind die Aufzeichnungen aus der Zeit lückenhaft. Spier heiratet 1934 die katholische Gertrud, was ihm - neben seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg - einen gewissen Schutz bot. Der endet allerdings 1938, als im Zuge des Novemberpogroms seine Praxis- und Wohnräume verwüstet werden und Spier selbst ins KZ Dachau kommt. Seine Praxis wird arisiert. Im Dezember wird Spier entlassen, der promovierte Zahnarzt arbeitet zunächst auf der Rochusstraße weiter als "jüdischer Krankenbehandler". Wie es ihm in dieser Zeit ergeht, kann man nur ahnen. Offenbar ist die Familie gezwungen, weiteres Vermögen zu veräußern, darunter etwa ein Gemälde, dass sich nach Stand der Forschung ein ehemaliger Vereinskamerad Spiers sichert. Eine Zeit lang soll Spier auch im Untergrund gelebt haben. Am 2. März 1944 werden er und seine Frau in ihrer Wohnung verhaftet. Am 11. September schließlich besteigt er den letzten Transport von Düsseldorf nach Auschwitz.

Waldemar Spier geht nicht in die Gaskammer. Er soll durch Zwangsarbeit ermordet werden. Er stirbt zwei Monate nach der Befreiung des Lagers durch die Rote Armee am 2. März 1945 an Typhus in den Armen eines Mithäftlings.

Er wurde 56 Jahre alt. Fans der Fortuna erinnern regelmäßig in Choreographien in der Arena an ihn. Außerdem wird jährlich der Waldemar-Spier-Cup ausgetragen. Die Verantwortlichen der Fortuna wollen weiter die Vergangenheit des Vereins erforschen.

(RP)
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