Oberbilk In Oberbilk ist das Vinyl zu Hause

Oberbilk · An der Oberbilker Allee sind gleich zwei Musikhäuser: Im "Slowboy" gibt es mehr als 50 000 Platten, darunter Punk- und Avantgarde-Raritäten, bei "111" viel populäre Musik, wovon unzählige James-Last-Platten im Schaufenster künden.

 Sein Reich besteht aus mehr als 50 000 Platten: Andreas Ziegler im "Slowboy" an der Oberbilker Allee.

Sein Reich besteht aus mehr als 50 000 Platten: Andreas Ziegler im "Slowboy" an der Oberbilker Allee.

Foto: Andreas Endermann

Andreas Zieglers "Slowboy" würde man eher in einem alternativen, hippen Viertel wie Flingern erwarten, vielleicht an der Acker- oder Kiefernstraße, aber sicher nicht in Oberbilk, nahe dem S-Bahnhof, neben einem Reisebüro und gegenüber von einem Teppichladen. Doch Ziegler, der viele Jahre in Flingern gelebt hat, und sein Freund und Geschäftspartner Günter Herke haben sich für die Oberbilker Allee entschieden - zugegebenermaßen aus praktischen Gründen, denn die Miete in Flingern hätten sie sich auch gar nicht leisten können. Doch das hat sich inzwischen als Glücksfall herausgestellt. Denn in Oberbilk haben sie eine Nische für ihre Geschäftsidee aus Plattenan- und verkauf, Galerie und Label gefunden. Viele Menschen, auch aus dem Ausland, finden inzwischen den Weg zu ihnen, um ihrer Leidenschaft für Musik von Vinylplatten zu frönen.

Dass Ziegler und Herke vor allem das sammeln und verkaufen, was es gerade nicht in jedem großen Elektronik-Fachmarkt in der Musikabteilung gibt, ist ein weiterer Grund für ihren Erfolg - seit 2007 sind sie im Geschäft. An den Wänden hängen originale und nicht nachgepresste Platten von Nick Cave, Blur, Sonic Youth und Tori Amos. In den Kisten sind viele bekannte, aber auch für den Durchschnitts-Düsseldorfer eher unbekannte Musiker einsortiert wie Augustus Pablo, John Fahey oder Maria Zerfall. "Wir wollen vor allem Musik verbreiten, die wir mögen", sagt der ehemalige Sozialpädagogik-Student, der mit einer Mutter aufwuchs, die Bands wie Led Zeppelin hörte und Plattensammlerin war, und einem Vater, der auf BAP und die Bläck Fööss stand. Vielleicht macht das den Charme des Ladens aus, dass das Angebot nicht vorhersehbar ist, dass es viele Überraschungen und Raritäten zu entdecken gibt, vor allem aus Stilrichtungen wie Punk, Avantgarde, Soul oder Independent.

Zwischen 10 000 und 15 000 Platten sind im Geschäft, viele tausende mehr im Lagerbereich, sagt Ziegler, der schon früh auf Konzerte ging, zum Beispiel bei vielen Nirvana-Konzerten war. Immer wieder melden sich Leute, die ihre Schallplatten oder auch Sammlungen verkaufen wollen, weil sie keinen Platz mehr für sie haben, Musik nur noch über den Computer hören oder das Geld brauchen. Denn Vinyl ist wieder hoch im Kurs. Tausende Euro für eine originale Platte sind keine Seltenheit. Auch die Schallplattenpressen laufen auf Hochtouren: Wenn Ziegler und Herke Platten für ihr Label pressen lassen wollen, sind Wartezeiten von drei Monaten nicht ungewöhnlich.

Wenige hunderte Meter weiter kommen Schallplatten-Fans auf ihre Kosten, die populäre Musik bevorzugen. Bei "111" gibt es etwa John Lennon und Freddy Quinn. Jetzt, kurz nach dem Tod von James Last, sind viele seiner Platten im Schaufenster wie aufgebahrt. "Hansi Last, der Mann der unseren (Groß-) Eltern auf die (Tanz-) Beine geholfen hat", steht dort handschriftlich auf einem Zettel.

Oberbilk ist zu einem Zuhause für Vinyl geworden. Damit hätte wohl niemand gerechnet.

(RP)
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