Pempelfort Der fotografierende Soziologe

Pempelfort · Klaus-Michael Köhler aus Pempelfort arbeitete 30 Jahre als IT-Administrator. Dann schmiss er alles hin und arbeitet seitdem als freier Fotograf. Und Soziologe. Beides bedinge und befruchte einander, sagt der 60-Jährige.

 Der Fotograf und eines seiner Lieblingsmotive: ein Baum in der Nähe des Braunkohletagebaus Garzweiler.

Der Fotograf und eines seiner Lieblingsmotive: ein Baum in der Nähe des Braunkohletagebaus Garzweiler.

Foto: Anne Orthen

"Es gibt kein richtiges Leben im falschen." Sich Adornos legendären Satz vergegenwärtigt zu haben, gab bei Klaus-Michael Köhler vor drei Jahren den Ausschlag, eine Zäsur in seinem Leben vorzunehmen. Das ist allein schon deswegen nicht so abwegig, weil der 60-Jährige ein studierter Soziologe der Frankfurter Schule ist, er nach dem Studium beruflich aber einen anderen Weg eingeschlagen hat. "Ich war 30 Jahre als IT-Administrator selbstständig tätig, habe zum Beispiel Werbeagenturen oder Schulen mit Hard- und Software ausgestattet, bin unter Tischen herumgekrabbelt und habe Kabel verlegt. Es hat Spaß gemacht, aber es war Zeit für etwas Neues."

Eigentlich eher etwas Altes, denn Köhler besann sich auf die Soziologie - und seine zweite Leidenschaft: die Fotografie. "Das war es, was mich immer interessiert hat", sagt der Pempelforter, der seit vergangenem Jahr alles auf die Karte Kunst setzt. "Ich mache jetzt nur noch, was mir wichtig ist und habe gemerkt, wie gut es mir dabei geht." Soziologie und Fotografie, beides würde einander bedingen und befruchten, sagt Köhler. "Bei der Soziologie geht es ja vor allem darum, die Gesellschaft zu betrachten. Da landet man dann auch ganz schnell bei der Fotografie."

 Klaus-Michael Köhler geht für seine Fotos auch in den Untergrund. Hier ein Bild aus der Düsseldorfer Kanalisation.

Klaus-Michael Köhler geht für seine Fotos auch in den Untergrund. Hier ein Bild aus der Düsseldorfer Kanalisation.

Foto: Klaus-Michael Köhler

Letztere steht aktuell bei ihm im Vordergrund, das Feedback von Galerien sei nicht schlecht. Das liegt wohl nicht zuletzt daran, dass Köhler eben nicht schöne Bilder machen und auch nicht die Realität abbilden will. "Ich erzeuge als Fotograf zwangsläufig meine eigene Realität, bereits der gewählte Ausschnitt macht ein Bild doch manipulativ."

Und: Klaus-Michael Köhler beißt sich rein in seine Projekte, er hat zum Beispiel den Garzweiler-Tagebau immer wieder besucht und fotografiert. "Ich komme notfalls 100 Mal, bis zum Exzess", erklärt der Fotograf seinen Grundsatz, der für alle Serien und Einzelaufnahmen gilt.

 Köhler nimmt sich für ein Foto Zeit, kommt immer wieder zu einem Ort, bis er mit einer Aufnahme wirklich zufrieden ist.

Köhler nimmt sich für ein Foto Zeit, kommt immer wieder zu einem Ort, bis er mit einer Aufnahme wirklich zufrieden ist.

Foto: Klaus-Michael Koehler

"Natürlich ist Fotografie auch dokumentarisch", betont Köhler und nennt Themenkomplexe wie Urbanität oder Handwerk, die er auf unterschiedliche Weise im Bild festgehalten hat: Bilder vom "Gedärm der Stadt" aus der Kanalisation, immer wieder Kö-Bogen, GAP oder Gehry-Bauten, aber den Ausschnitt so radikal gewählt, dass der Betrachter das Motiv erst auf den zweiten Blick erkennt; ebenso den Schienenschneider, den Wurstmacher, den Friseur.

Und die Soziologie? Kommt nicht zu kurz. Köhler versieht seine Bilder mit Texten, seinen Gedanken, beides verschmilzt zu einer Einheit. Und es gibt noch Krugmann, vielleicht eine Art Alter Ego von Köhler, aber eben auch die fiktive Figur eines Buchs, das im Werden sei, beteuert der Autor. Jede Geschichte in sich abgeschlossen, versehen mit passenden Fotografien, alles zusammen bildet Krugmanns Reise ab, deren Ende noch nicht absehbar ist. Es ist auf jeden Fall ein Leben, das von Brüchen gekennzeichnet ist. Wie das von Köhler.

Es gibt noch ein weiteres Standbein, das den 60-Jährigen trägt. Vor 15 Jahren steckte er in der berühmten Midlife-Crisis - und überwand sie. Seitdem coacht er Männer, zumeist jenseits der 40. Was ihm dabei geholfen hat, das vermittelt er nun anderen. "Es sind die ganz einfachen Fragen, die sich jeder stellt, auf die ich versuche, auch einfache Antworten zu geben. Das hilft schon", erklärt Köhler. Vor allem Männern, die gerne den großen Zampano mimen und plötzlich merken, was für ein armes Würstchen sie doch eigentlich sind.

Perfektion findet Köhler relativ uninteressant, sein Leben sei ja auch nicht perfekt, gibt er zu bedenken. Das, was man tut, mit Leidenschaft und Verve anzugehen, sei für ihn viel wichtiger. Das macht er nun, mit Hingabe, das Finanzielle rückt für ihn in den Hintergrund, stattdessen spürt er eine neue Welt des Erlebens. "Dem habe ich momentan nichts hinzuzufügen", sagt Köhler.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort