Pempelfort/Kaiserswerth Fliedner-Ururenkel erzählt Familienchronik

Pempelfort/Kaiserswerth · Michael Albrecht ist ein Nachkomme des berühmten evangelischen Pfarrers. Er kennt sich in der Familiengeschichte aus und gibt sein Wissen bei Führungen weiter. Die Werte des Ururgroßvaters prägen die Nachfahren auch heute noch.

 Michael Albrecht im Fliedner-Zimmer, das im Kaiserswerther Pflegemuseum untergebracht ist. Im Hintergrund: ein Porträt des Ururgroßvaters.

Michael Albrecht im Fliedner-Zimmer, das im Kaiserswerther Pflegemuseum untergebracht ist. Im Hintergrund: ein Porträt des Ururgroßvaters.

Foto: Endermann

Wenn Michael Albrecht als Mitglied der Fliedner Kulturstiftung Besuchergruppen über das Gelände der Diakonie in Kaiserswerth führt, ist das für die sehr spannend - und für ihn ein Ausflug in die eigene Familiengeschichte. Denn der Pempelforter ist der Ururenkel des evangelischen Pfarrers Theodor Fliedner, der 1822 nach Kaiserswerth kam und dort mit seiner ersten Frau Friederike 1836 das Mutterhaus - die erste Diakonissenanstalt der Welt - eröffnete. Evangelische Frauen erhielten dort eine qualifizierte Ausbildung zur Krankenpflegerin, Gemeindeschwester, Erzieherin und Lehrerin. Das diakonische Werk expandierte schnell: Ab 1838 entsandte Fliedner Diakonissen in andere Städte und Länder, begleitetet sie gelegentlich dabei. Fliedners Sohn Friedrich, Albrechts Urgroßvater, lebte als Arzt in Spanien.

Bis 1842 gebar Friederike Fliedner elf Kinder, von denen nur drei das Erwachsenenalter erreichten. Mit seiner zweiten Frau Caroline bekam Theodor Fliedner acht weitere Kinder. Viele der Kinder wurden Pfarrer, Ärzte oder Diakonissen. "Der Kinderreichtum in der Familie ist geblieben. Meine Großmutter beispielsweise hatte zwölf, ich habe sieben Geschwister", sagt Albrecht. 1995 wurden mehr als 300 lebende Nachkommen Fliedners gezählt. In Kaiserswerth lebt davon aber keiner mehr. Albrecht geht davon aus, dass die Werte Fliedners sich unbewusst in der Familiengeschichte fortgesetzt haben, das soziale Gewissen dadurch geprägt wurde. "Bis heute liegen die Berufe in der Familie überwiegend im sozialen Bereich. Von meinen Geschwistern sind zwei als Ärzte, zwei als Krankenschwestern und eine als Pfarrerin tätig." Nur er selbst sei als Banker aus der Art geschlagen, sagt Albrecht und muss darüber lachen. "Allerdings war ich bei der WGZ, also einer genossenschaftlichen Bank tätig", so der 67-Jährige.

Auch Gepflogenheiten haben sich über die Generationen fortgesetzt. Als Theodor Fliedner 1856 über Weihnachten in Kairo weilte, wies er per Brief Ehefrau Caroline an, jedem Kind ein halbes Taschengeld als Weihnachtsgeld auszuzahlen. "Auch wir bekamen von unseren Eltern im November immer dieses halbe Taschengeld", sagt Albrecht.

Immer sei der Familienzusammenhalt groß gewesen, schon Fliedners Kinder hätten sich rege per Brief über neue Entwicklungen ausgetauscht. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand dann der Familienrundbrief, an dem sich 40 Familien beteiligten. Ein Heft wurde an jede Familie geschickt, die dort ihre Erlebnisse aufzeichnete und die Schrift dann weiter reichte. "Dabei wurden nicht nur persönliche Dinge mitgeteilt, sondern auch über politische oder gesellschaftliche Entwicklungen diskutiert." 15 dieser Kladden befinden sich in Albrechts Besitz. Ein Paket mit mehreren Heften wurde vermutlich in den 1960er Jahren von der Stasi beschlagnahmt. Albrecht will der Sache nachgehen, denn zurzeit tippt er die teilweise schwer lesbaren Berichte als Familiengeschichte in einen Computer.

Die Rundbriefe gibt es inzwischen nicht mehr. Dafür trifft sich die Familie traditionell alle zwei Jahre, meistens in Düsseldorf. Bei besonderen Anlässen kommen dann schon mal weit über 100 Fliedner-Nachfahren zusammen. Eine ähnlich gute Beteiligung wird auch in diesem Jahr am 11. September erwartet. Dann wird das 180-jährige Bestehen der Kaiserswerther Diakonie gefeiert.

(brab)
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