Pempelfort/Friedrichstadt Mehr Farbe

Pempelfort/Friedrichstadt · Der Verein Farbfieber, der 2017 seit 30 Jahren existiert, wird jetzt an der Nordstraße die tristen Schaltkästen verschönern.

Die Künstler Magic, Klonek, Fiedler und KJ griffen für ihr Werk an der Suitbertusstraße das Stadterhebungsmonument auf.

Die Künstler Magic, Klonek, Fiedler und KJ griffen für ihr Werk an der Suitbertusstraße das Stadterhebungsmonument auf.

Foto: MARCEL GÖHMANN/FARBFIEBER

Ein bisschen mehr Farbe kann jede Straße gut vertragen, auch eine scheinbar lebendige Einkaufsmeile wie die Nordstraße in Pempelfort. Genau das wird bald passieren, und zwar an Stellen, die grauer und trister kaum sein könnten: Die unscheinbaren Schaltkästen, egal ob von den Stadtwerken, der Rheinbahn oder der Telekom, werden künstlerisch gestaltet, die Bezirksvertretung 1 unterstützt das Pilotprojekt, weitere Standorte in der Altstadt oder auch an der Kölner Straße sollen später folgen.

 Das im Vorjahr entstandene Wandbild "Heiße Luft", das Klaus Klinger zusammen mit dem Kubaner Isaac Linares geschaffen hat

Das im Vorjahr entstandene Wandbild "Heiße Luft", das Klaus Klinger zusammen mit dem Kubaner Isaac Linares geschaffen hat

Foto: Klaus Klinger

Die Federführung liegt in den Händen von Klaus Klinger, der als künstlerischer Leiter des Vereins Farbfieber seit nunmehr 30 Jahren Streetart-Projekte initiiert und mit seinen Kontakten zu weltweit agierenden Künstlern auf ein Netzwerk von unschätzbarem Wert zurückgreifen kann. Die Idee mit den bunten Hinguckern auf der Nordstraße ist ein vergleichbar kleines Projekt, das aber ebenso seine ganze Aufmerksamkeit genießt. "Wir warten noch auf etwas besseres Wetter, dann kann es losgehen", sagt Klinger, der für den Startschuss der Aktion in Pempelfort ein halbes Dutzend namhafter Künstler der Szene um sich versammeln will, die ihre Graffiti mit Schablonen ("Stencil") auftragen. "Die Motive werden gegenständlich, zum Teil aber auch abstrakt sein", erklärt Klinger, der schon weiß, wie sein persönlicher Beitrag aussehen wird: das strenge Schaf in Uniformjacke, das Ruhe einfordert. Klinger vermittelt seine ebenso satirischen wie oft politischen Botschaften gerne auf Umwegen: "Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein", zitiert er Einstein.

Weit vor der Gründung von Farbfieber machte Klaus Klinger bereits das, was er eigentlich seit seiner Zeit an der Kunstakademie schon immer getan hat: Kunst im öffentlichen Raum, meistens legal, aber natürlich nicht ausschließlich. Als das Wort Graffiti hierzulande noch völlig unbekannt war, hat Klinger vor 40 Jahren mit einigen Gleichgesinnten selbstverwaltete Abbruchhäuser an der Grafenberger Allee (wo heute die Agentur für Arbeit steht) mit einem Anti-Strauß-Wandbild bemalt. Der Eigentümer, die "Neue Heimat", ließ es übertünchen, die Empörung unter den Erschaffern war groß, "da haben wir erst recht weitergemacht und alle zehn Häuser bemalt", erinnert sich Klinger - es war die Geburtsstunde der "Wandmalgruppe", die zehn Jahre später im Verein Farbfieber mit Sitz am Fürstenwall aufging.

Das erste große Wandbild in Düsseldorf entstand 1979 am Hellweg. In Anspielung auf den RAF-Abhörskandal entstand ein riesiges Ohr, das 2003 von Klinger erneuert wurde. "Otto Schily war ja damals Anwalt von Gudrun Ensslin, 24 Jahre später dann Innenminister. Wir haben es nach ihm ,Ottos Ohr' getauft", sagt der Künstler. Passenderweise fand die Enthüllung am 100. Geburtstag von George Orwell statt. Gerade in Bezug auf die Spekulation und die Zerstörung von billigem Wohnraum in der Stadt gab es viele weitere Aktionen dieser Art, auch Tschernobyl, US-Atomraketenlager oder Mauerfall wurden in der Folge künstlerisch thematisiert.

Ein großes Sprayer-Projekt mit internationaler Beteiligung fand 2004 von Farbfieber organisiert an der Kiefernstraße statt. 14 Tage wurde an einem überdimensionalen Wandbild auf drei Häusern gearbeitet. Gerade der internationale Anstrich der Aktionen wurde im Verlauf der Jahre immer größer und erreichte 2013 mit dem "40-Grad-Urbanart-Festival" - an 22 Orten entstanden innerhalb von zwei Wochen Streetart-Werke - den Höhepunkt. Dabei kamen zum Beispiel Werke an der Suitbertusstraße und am Fürstenplatz zustande. Die Fortsetzung auf dem Gustaf-Gründgens-Platz zwei Jahre später mit 180 Künstlern stellte dann sogar die Premiere in den Schatten.

Klaus Klinger wird in diesem Jahr 63 Jahre alt. Er schwelgt nicht gerade in Reichtum, kann von seiner Tätigkeit aber leben. Dass Streetart inzwischen eine anerkannte Kunstrichtung ist, daran trägt er einen nicht unerheblichen Anteil.

(RP)
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