Stadtmitte Flüchtlingshilfe mit Falafeln

Stadtmitte · Autohändler Samir El Zain baut vom Stresemannplatz aus eine vegetarische Imbisskette auf, um syrischen Flüchtlingen Jobs zu geben.

 Vor 30 Jahren wanderten die Eltern von Samir El Zain von Syrien nach Deutschland aus und bauten einen Autohandel auf. Am Stresemannplatz hat El Zain nun seinen ersten Falafel-Imbiss eröffnet, um Flüchtlinge zu beschäftigen.

Vor 30 Jahren wanderten die Eltern von Samir El Zain von Syrien nach Deutschland aus und bauten einen Autohandel auf. Am Stresemannplatz hat El Zain nun seinen ersten Falafel-Imbiss eröffnet, um Flüchtlinge zu beschäftigen.

Foto: anne Orthen

Eigentlich sollte die Eröffnung seines ersten Falafel-Imbisses ein Tag der Euphorie und Hoffnung sein. Denn mit dem Imbisswagen auf dem Stresemannplatz nimmt ein Projekt Formen an, das Samir El Zain und seiner Familie besonders am Herzen liegt: syrischen Flüchtlingen eine Arbeit und damit auch eine Lebensperspektive in Deutschland zu geben. Doch für den Autohändler, dessen Eltern vor gut 30 Jahren einst selbst als politische Flüchtlinge nach Deutschland kamen, entwickelte sich der Tag zur Katastrophe: "Ich sah die Bilder vom Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt und war sehr betroffen. Deswegen wollte ich ein Zeichen setzen", sagt der 27-Jährige. Er ließ die Fenster des ehemaligen Tankstellengebäudes, in dem in den nächsten Monaten der Imbiss untergebracht werden soll, den Spruch plakatieren: "Im Namen der Religion darf NICHT getötet werden." Darüber: die Symbole der drei großen Weltreligionen.

"Es gab viele positive Reaktionen, einige Menschen legten Kerzen ab und bedankten sich, doch andere kritisierten mich." In der nahegelegenen Moschee habe er unerkannt beim Freitagsgebet gehört, wie andere Muslime zum Boykott des Imbisses aufriefen, da es sich bei dem Eigentümer um einen Juden handle. "Die Leute verstanden mich und meine Botschaft nicht. Doch ich erkläre sie, so oft ich kann." Ebenso, warum er überhaupt als Autohändler in das Geschäft mit frittierten Bällchen aus Kichererbsenpüree eingestiegen ist.

Zuvor hatte Damir Fadi, der vor gut sechs Monaten aus Syrien nach Deutschland geflüchtet war, allerdings bei dem 27-Jährigen einiges an Überzeugungsarbeit leisten müssen. Denn der Autohändler war sich nicht so sicher, ob es eine gute Idee sein würde, ein Imbissgeschäft aufzubauen, in dem nur Falafel auf der Speisekarte stehen. "Damir kam in unser Autogeschäft, weil er Arbeit suchte und erzählte, dass er vor seiner Flucht aus Aleppo in einem Falafel-Imbiss als Koch gearbeitet hatte. Wir hatten allerdings keinen Job für ihn", sagt El Zain. Doch als der Koch mehr von dem vegetarischen Imbiss in seiner Heimat erzählt und die Familie El Zain dann mit seinen selbstgemachten Falafeln auch verköstigt hatte, sei die Idee entstanden, mit dem Falafel-Geschäft Flüchtlingshilfe zu betreiben. Darin hat die Familie El Zain Erfahrung: Schon zu Anfang des syrischen Bürgerkriegs hatte sie Hilfsgütertransporte organisiert.

Inzwischen arbeiten sechs Flüchtlinge im Schichtdienst in dem Imbiss auf dem Stresemannplatz. Das vegetarische Gericht wird von Fadi frisch zubereitet, was eine Seltenheit in Deutschland sei, meint El Zain. Denn alleine für das Auftauen der Kichererbsen brauche man gut zwölf Stunden, dann müssten die pürierten Kichererbsen mit Petersilie, Gewürzen und Zwiebeln vermengt und einzeln geformt, schließlich frittiert und in einem Fladenbrot oder Pita-Brot mit Salat und Hummus serviert werden: "Das ist für viele Menschen und für kleine Mengen sehr aufwendig. Doch das ist jetzt eben unsere Spezialität."

Der Imbiss auf dem Stresemannplatz - auch eine Shisha-Bar ist geplant - soll nur der Anfang sein. "Wir wollen auch in anderen Städten Geschäfte aufbauen und Flüchtlingen Arbeit geben." An einem zentralen Standort sollen die vegetarischen Bällchen zubereitet und auf die einzelnen Standorte verteilt werden.

Der Erfolg auf dem Stresemannplatz mache ihm Mut.

(semi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort