Stadtmitte Heimat ist nicht an Orte gebunden

Stadtmitte · Katharina Mayer empfängt in einem mobilen Foto-, Film- und Tonstudio Menschen aller Nationalitäten und will etwas über ihr Heimatverständnis erfahren - gestern an der Hohenzollernstraße, am Wochenende am Grabbeplatz.

 Fotografin Katharina Mayer empfängt Menschen, die an ihrem Projekt teilnehmen möchten, am Wochenende in einem Bauwagen.

Fotografin Katharina Mayer empfängt Menschen, die an ihrem Projekt teilnehmen möchten, am Wochenende in einem Bauwagen.

Foto: Andreas Bretz

Katharina Mayer ist neugierig - und sehr kommunikativ. Beides kommt ihr zugute bei einem Projekt, mit dem die Fotografin gestern vor der Galerie Lausberg an der Hohenzollernstraße startete und das sie heute und morgen auf dem Plateau am Grabbeplatz in der Innenstadt fortsetzt. In einem umgebauten Bauwagen empfängt sie Menschen aller Nationalitäten, gerne Flüchtlinge, fragt diese, zu ihrer Definition von Heimat, fotografiert die Besucher, die spontan oder gezielt vorbeikommen, macht Ton- und Filmaufnahmen, wenn es ihr erlaubt wird. "Fliegende Heimat" hat Mayer ihr Projekt getauft.

Die Professorin an der Hochschule für Gestaltung in Iserlohn hat gleich mehrere Partner für ihre Idee gewinnen können: den Düsseldorfer Verlag Onomato zum Beispiel, Fiftyfifty und nicht zuletzt die Caritas. Das Ergebnis des Projekts soll noch in diesem Jahr im Rahmen einer Ausstellung in der Galerie Lausberg vorgestellt werden.

Was am Ende dabei herauskommt, kann Katharina Mayer natürlich noch nicht vorhersagen, eine Vorahnung hat sie aber schon. Denn bereits im Verlauf der Woche hatte sie, quasi als Testdurchlauf, einige Heimatgeschichten im Künstlerverein Onomato gesammelt. "Ein 18-jähriger Syrer erzählte mir, Heimat sei für ihn Familie. Sein Land habe er verloren, in Deutschland wolle er Mathematiklehrer werden, eine Rückkehr nach Syrien schließe er aber nicht aus", rekapituliert Mayer das Gespräch. Auch Ordensschwester Regina Massqwe aus Tansania, die in einem Seniorenheim in Düsseldorf arbeitet, machte mit. Für sie genieße die Familie ebenfalls Priorität, auch wenn das Verständnis, was darunter zu verstehen sei, im Vergleich zu ihrer geografischen Heimat ein anderes sei: "In Tansania leben wir mit unseren Eltern, bis es Zeit ist, zu sterben." Für den Komponisten Boris Polonski wiederum heißt Heimat "lebende Wesen, die mich lieben, und die ich liebe".

Müsste man aus diesen drei Geschichten bereits ein Meinungsbild formen, dann wäre der gemeinsame Nenner klar: "Heimat muss nicht an Orte gebunden sein. Es ist scheinbar vielmehr ein Gefühl", wagt die Fotografin schon mal eine Prognose auf das, was womöglich auch morgen Abend die Konklusion ihres Experiments sein könnte. "Heimat wird oft zu allgemein gefasst, zu sehr pauschalisiert. Wir hoffen in den Gesprächen auf überraschende und unerwartete Ergebnisse", sagt Axel Grube vom Onomato Verlag.

Da sich gerade Flüchtlinge, die inzwischen in Deutschland leben, von "Fliegende Heimat" angesprochen fühlen sollen, hat Katharina Mayer auch Dolmetscher in Arabisch organisiert, Englisch ist ohnehin kein Problem. Thomas Salmen, stellvertretender Vorsitzender der Caritas, die derzeit rund 1000 Menschen in Unterkünften betreut, hat in den Einrichtungen dafür geworben, sich zu beteiligen. Dass alle beteiligten letzten Endes voneinander lernen werden, gilt schon jetzt als sicher. Mayer zum Beispiel hat von einer Gehörlosen und deren Tochter vier Gebärden gelernt, die Heimat ausdrücken. "Heimat ist eben auch viel mehr als Sprache", sagt sie.

(RP)
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