Stadtmitte Kinder machen in leerem Ladenlokal Kunst
Stadtmitte · Beim Leglos-Festival am Wehrhahn haben die jungen Teilnehmer gemalt, Siebdruck ausprobiert und Graffiti aus Lego gebaut.
Es riecht nach Sprühfarbe. Der Blick auf die Wände verrät, warum: Das ganze Ladenlokal am Wehrhahn ist mit Graffiti übersät. Und mehr noch: Da wird aus einer Waschmittelflasche eine Blumenvase oder aus einer alten Platte eine Servierschale. An einer Wand stehen viele Namen. "Da haben sich die Kinder mit Stiften verewigt", erklärt der Sozialpädagoge Klaus Martin Becker. Er ist der Leiter des Kinderclubs Kiefern 21 im Stadtteil Flingern und der Organisator und Ideengeber des Leglos-Festivals Streetart/Graffiti, das in den vergangenen zehn Tagen in einem leerstehenden Ladenlokal am Wehrhahn stattgefunden hat.
Jeden Tag haben Kinder und Eltern mit Künstlern T-Shirts im Siebdruckverfahren bedruckt oder Schmuck aus Naturmaterialien gebastelt oder mit Legosteinen den eigenen Namen im Graffitistil gebaut. So wie der achtjährige Lukas, der zusammen mit seiner Mutter Natalia Levasheva fast jeden Tag beim Leglos-Festival gewesen ist. Mit Schattenkünstler Wanja Kilber haben sich die beiden ein Schattentheaterstück überlegt - es gibt einen Prinzen, einen Drachen und eine Hexe. "Die Geschichte ist einfach so beim Spielen entstanden", sagt Lukas. "Wir haben das Licht angemacht und dann ging es los." Mutter Natalia Levasheva ist begeistert, dass es das Leglos-Festival gibt. "Hier können Kinder etwas mit ihren Händen erschaffen. Es ist ganz wichtig für diesen kreativen Prozess, zu gucken, womit wir beginnen und was am Ende das Resultat ist", sagt sie.
Im Raum nebenan stellen sich immer mehr Kinder um den großen Nähtisch. Neugierig schauen sie auf die Finger der sieben Jahre alten Ida. Mit der Nadel sticht sie ganz sicher in den bunten Stoff. Sie näht eine Blume, die dann später an ein Haargummi geheftet wird. "Das ist für meine Mama. Zu Weihnachten", erklärt Ida. "Du hast den Bogen ja schon raus", lobt Kulturpädagogin Romina Hammermann, die den Nähkurs anbietet. Auch Idas Schwester Hanna ist beeindruckt. "Ich habe schon einmal genäht, ich kriege es aber trotzdem nicht hin", sagt die Zehnjährige. Dreimal war Hanna schon hier, heute hat sie zum ersten Mal ihre Schwester mitgebracht. Gemeinsam mit ihrem Papa hat sie einen Film gedreht. Die Darsteller waren dabei allesamt aus Knete. "Und ich habe eine Fliese bemalt, mit einem Wellensittich, weil ich zwei Wellensittiche zuhause habe", erzählt Hanna. "Es ist cool hier, weil man so viele verschiedene Sachen ausprobieren kann."
Jetzt will Hanna noch zum Siebdruck-Stand: Dafür hat sie extra ein T-Shirt mitgebracht. Auch der zwölfjährige Ouassim will ein T-Shirt bedrucken. Bevor er loslegt, fertigt er eine Schablone an, das Motiv für das T-Shirt hat er schon ausgesucht: Sein Name soll das Kleidungsstück bald zieren, wie ein Graffiti.
Klaus Martin Becker wollte mit dem Leglos-Festival zeigen, wie einfach es ist, kreativ zu sein, "und welche Materialien man benutzen kann", erzählt er. Zum dritten Mal hat er ein leerstehendes Ladenlokal aufgetan und Künstler für das Projekt gewonnen. "Wir wollen Platz für Kinder schaffen, wo sonst nichts für Kinder ist", sagt Becker, der auch Mitorganisator des 40-Grad-Urban-Art-Festivals ist. "Die leeren Räume inspirieren. Hier muss man nicht alles so lassen, wie es ist." Zwischen 30 und 40 Kinder haben das Ladenlokal pro Tag besucht. "Auch ein Rentnerehepaar war mal da. Es war neugierig, was hier los ist, und ist reingekommen", erzählt Becker. Wann es die nächste Aktion dieser Art gibt, konnte Becker nicht beantworten. "Vielleicht machen wir nächstes Mal auch etwas ganz Anderes. Wir wollen keine Routine."