Stadtmitte/Oberbilk Wo man sich trifft

Stadtmitte/Oberbilk · Viele Räume des Austauschs - etwa Videotheken - verschwinden. Das Projekt "_thek" will neue schaffen - zum Beispiel in der alten Post.

 Christof Schumacher, Deniz Weber, Manuel Boden und Raoul Gottschling (v.l.) haben den ersten Teil ihres Pop-up-Konzepts in der alten Paketpost umgesetzt.

Christof Schumacher, Deniz Weber, Manuel Boden und Raoul Gottschling (v.l.) haben den ersten Teil ihres Pop-up-Konzepts in der alten Paketpost umgesetzt.

Foto: hans-jürgen bauer

Es dürfte in der Stadt wenige Plätze geben, an denen Düsseldorf urbaner daherkommt als am Worringer Platz. An dem Verkehrsknotenpunkt in der Nähe des Hauptbahnhofs treffen fünf große Straßen aufeinander. Rund um den Platz gibt es Büdchen, Dönerbuden, das Billard-Forum, einen Laden für Karnevalsbedarf. Dazwischen stehen diverse Ladenlokale leer, wie auch lange Zeit an der Erkrather Straße 6. Die zweigeschossige Fläche, die über eine Wendeltreppe verbunden ist, wurde Ende September wiederbelebt - mit der ersten Ausgabe der _thek.

Dieses Kreativ-Projekt soll, so der Plan der Macher, alle zwei Monate an wechselnden Orten auftauchen und nach einer kurzen, aber sehr lebendigen Zeit wieder verschwinden. Eine Art Pop-up-Galerie mit angeschlossenem Laden. "Das Herzstück jeder _thek-Ausgabe ist ein selbstgebauter Kiosk aus Holz, der an einen alten Zeitungsstand erinnert", erklärt Deniz Weber, der das Projekt gemeinsam mit Manuel Boden, Marco Land, Christof Schumacher und Raoul Gottschling aus der Taufe gehoben hat.

In dem Kiosk werden Künstlermagazine aus dem Bereich Grafik-Design, sogenannte Zines, ebenso angeboten wie Kunstdrucke, Shirts in Kleinstauflagen, Pins und Patches. Sie stammen zum Teil von lokalen Künstlern, werden aber auch aus aller Welt nach Düsseldorf importiert. "Die Zines beispielsweise kommen unter anderem aus New York, Basel und Los Angeles", so Weber. Der 28-Jährige arbeitet drei Tage in der Woche als Junior Creative Director für Carhartt. Die restliche Zeit möchte er in seine Herzensangelegenheit investieren. Der Untertitel "Räume für Austausch" ist dabei programmatisch zu verstehen. "Orte wie Videotheken, an denen man sich zu einem bestimmten Thema austauscht, verschwinden mehr und mehr aus dem realen Raum", erklärt Weber die Idee hinter dem Konzept. Der Austausch werde auf die Monitore verbannt. Mit der _thek möchten die Macher ihn aus dem virtuellen Raum zurückholen an "Orte, wo man auch wirklich hingeht". Das Haptische ist ihnen wichtig. Und vielen Anderen offenbar auch. Das hat die erste Ausgabe der _thek unter Beweis gestellt. Eine Woche lang gab es an der Erkrather Straße 6 ein vielfältiges Programm. An einem Abend waren fünf Tattookünstler vor Ort, um Gästen Hautbilder zu stechen. "Die Maschinen haben durchgehend gesummt, bis weit nach Mitternacht", sagt Deniz Weber. An einem anderen Abend lief "Clockwork Orange", ein Graffiti-Film aus den 90ern. Und im Rahmen der "Druckothek" konnten die Besucher eigene Shirts mitbringen und diese bedrucken (lassen).

Die Resonanz auf all das sei ziemlich gut gewesen, sagt Weber. Er sitzt in den Räumen an der Erkrather Straße, die er im Anschluss an die erste _thek-Ausgabe mit einer Gruppe von Leuten angemietet hat. Die 220 Quadratmeter werden nun gemeinsam von Grafikern, Druckern und anderen Kreativen genutzt, sie nennen sich "punktkommastrich". Es gibt eine Druckwerkstatt mit Siebdruckspindel, eine noch sehr provisorische Küche und eine Halle im Hof, die als Atelierraum genutzt wird. Sogar ein urbaner Innenhof ist vorhanden. Nur Geschirr ist Mangelware, das muss von zu Hause mitgebracht werden.

In dieser kreativ-chaotischen Atmosphäre ist der Masterplan für die zweite Ausgabe der _thek entstanden. Die findet noch bis zum 22. Dezember in den Räumen von postPOST - Grand Central statt (der alten Paketpost an der Erkrather Straße 33) und trägt den Titel "Graffithek". Im Mittelpunkt steht die Künstlergruppe "Just People Enjoying Graffiti", kurz jpeg, die seit nunmehr sieben Jahren im Düsseldorfer Stadtraum große und kleine, bunte und monochrome Bilder hinterlässt. Während das zu diesem Anlass erscheinende Buch eine Art Dokumentation der jpeg-Aktionen und Bilder darstellt, richtet die Ausstellung selbst den Fokus auf den Prozess, der dem eigentlichen Graffito vorangeht. Wie findet man die Plätze, an denen ein Bild angebracht wird? Welche codierten Zeichen hinterlassen sich die Sprayer untereinander? Welche Risiken geht man ein?

All diesen Fragen wird die Ausstellung nachgehen. Um sie aufbauen zu können, muss übrigens keine einzige Schraube in Wände, Böden oder Decken gedreht werden. Das modulare Präsentationssystem wird von Raum zu Raum mitgenommen und ermöglicht einen unkomplizierten Auf- und Abbau. Rund um die Schau wird es wie bei der vorherigen Ausgabe ein Rahmenprogramm geben. Und natürlich ist auch der mobile Kiosk wieder Teil des Spektakels und sicher eine gute Anlaufstelle, um das ein oder andere Last-Minute-Geschenk zu erstehen.

(RP)
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