Rheinische Wahlfahrt Parteien fordern günstige Wohnungen und streiten um das Wie

Düsseldorf · Zum Abschluss der Rheinischen Wahlfahrt im Düsseldorfer Stadtteil Unterbilk auf dem Friedensplätzchen stritten sich die Politiker so sehr wie bei keiner anderen Runde – was auch daran lag, dass zum ersten Mal alle sieben großen Parteien dabei waren. Das Thema: bezahlbarer und lebenswerter Wohnraum.

 SPD-Kandidatin Marion Warden (r.) im Gespräch mit den Moderatoren Henning Bulka und Helene Pawlitzki.

SPD-Kandidatin Marion Warden (r.) im Gespräch mit den Moderatoren Henning Bulka und Helene Pawlitzki.

Foto: RPO

Zum Abschluss der Rheinischen Wahlfahrt im Düsseldorfer Stadtteil Unterbilk auf dem Friedensplätzchen stritten sich die Politiker so sehr wie bei keiner anderen Runde — was auch daran lag, dass zum ersten Mal alle sieben großen Parteien dabei waren. Das Thema: bezahlbarer und lebenswerter Wohnraum.

Zur Diskussion gekommen waren die Politiker und Landtagskandidaten Marion Warden (SPD), Marco Schmitz (CDU), Rainer Matheisen (FDP), Stefan Engstfeld (Grüne), Özlem Demirel (Linke), Oliver Bayer (Piraten) und Philipp Wöpkemeier (AfD). Einig waren sich die Politiker vor allem darin, dass mehr sozialer und günstiger Wohnraum in NRW geschaffen werden muss.

"Ich kenne die Situation, in Düsseldorf eine bezahlbare Wohnung zu finden", sagte etwa Rainer Matheisen von der FDP. Er habe inzwischen Eigentum in Oberbilk gekauft, als Selbstständiger eine Wohnung zur Miete in der Landeshauptstadt zu finden, sei in der Vergangenheit jedoch mitunter äußerst schwierig gewesen. Geschichten wie diese erzählten fast alle Politiker: Marco Schmitz von der CDU lebte nach dem Studium in einer kleinen Wohnung in Gerresheim, bis er das Glück hatte, mit seiner Familie in dem Stadtteil zu einem bezahlbaren Preis bauen zu können. "Das ist heute nicht mehr so einfach", betonte der Unionspolitiker.

Oliver Bayer von den Piraten ist sogar zunächst nach Krefeld gezogen, nachdem er in Düsseldorf gekommen keine günstige Unterkunft gefunden hatte. "Dann habe ich eine genossenschaftliche Wohnung gefunden — das ist ein gutes Modell", so der Politiker.

Uneinig war man sich in der Diskussionsrunde, die live auf Facebook übertragen wurde, jedoch über die Gründe für diese Umstände — und über mögliche Lösungswege. "Die Politik hat das Thema Wohnen in den vergangenen Jahren dem Markt überlassen", analysierte Özlem Demirel, Spitzenkandidatin der Linken im NRW-Wahlkampf. Vor allem ärgere sie, dass die LEG, ein früheres Wohnungsunternehmen des Landes, das heute an der Börse notiert ist, noch unter der schwarz-gelben Landesregierung 93.000 Wohnungen verkauft und somit keine Handhabe mehr darüber habe, wie teuer das Wohnen in diesen ist. Das Land gebe den sozialen Wohnungsbau zu sehr in nicht-öffentliche Hand. "Wir müssen mehr Wohnraum in kommunalem und landeseigenem Besitz schaffen", forderte sie.

Marco Schmitz von der CDU will dagegen zweigleisig in der Schaffung günstigen Wohnraums fahren: Zum einen müssten Wohngebiete, in denen viel Leerstand herrsche, wieder attraktiv gemacht werden. "Zum anderen müssen wir in Städten wie Düsseldorf schlicht mehr Wohnraum schaffen", sagte er. Hilfreich dabei — um das Ganze auch für private Investoren attraktiv zu machen — könne ein Handlungskonzept zum Thema Wohnen sein, wie es bereits in Düsseldorf umgesetzt wird. In diesem ist festgelegt, dass bei großen Neubauprojekten 20 Prozent der Wohnungen öffentlich gefördert und weitere 20 Prozent preisgedämpft sein müssen. Dass ein solches Handlungskonzept auch auf Landesebene Sinn machen würde, bestätigte Stefan Engstfeld von den Grünen.

Der Politiker, der bereits Mitglied im Landtag ist, betonte jedoch auch, dass das Land bereits viel für die Schaffung von Wohnraum tue. Marion Warden von der SPD, die ebenfalls im Landtag sitzt, sieht dies ähnlich: So hätte das Land mehr als 1,1 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau investiert. "Allerdings braucht NRW eine eigene Wohnbaugenossenschaft", sagte sie.

Sowohl das Publikum auf dem Friedensplätzchen, als auch die Zuschauer auf Facebook konnten den Politikern Fragen stellen — und davon gab es reichlich. Warum die rot-grüne Landesregierung beispielsweise die Grunderwerbsteuer von fünf auf 6,5 Prozent erhöht habe, wollte ein Zuschauer wissen. "Ich weiß, dass viele das nicht gern gesehen haben. Aber es war die einzige Möglichkeit für uns als Land, Finanzmittel zu generieren", verteidigte Marion Warden diese Steuerpolitik. Es gelte schließlich, die Schuldenbremse 2020 einzuhalten, gleichermaßen müsse weiter in NRW investiert werden.

Heftige Kritik bekam die Sozialdemokratin dafür von fast allen Politikern in der Diskussionsrunde. Vor allem für junge Familien bedeute die erhöhte Grunderwerbsteuer, dass sie sich kein Eigentum mehr leisten könnten, sagte Marco Schmitz. "Dabei ist das doch die beste Altersvorsorge." Dem stimmte auch Stefan Engstfeld prinzipiell zu. Er sprach sich deshalb dafür aus, eine Sonderregelung für junge Familien in Sachen Grunderwerbsteuer zu finden. Die Erhöhung der Steuer sei aber auch nötig gewesen, um mehr Geld einzunehmen und damit die Kommunen zu stärken.

Auch Rainer Matheisen hält eine Sonderregelung für sinnvoll. "Für Menschen, die kleine Immobilien erwerben möchten, sollte es eine Art Freibetrag geben", sagte er. Matheisen kritisierte dennoch die Erhöhung der Steuer durch Rot-Grün. Der Staat müsse lernen, mit den Mitteln, die er habe, auszukommen. Özlem Demirel hingegen sprach sich für die Einführung einer Vermögensteuer aus, um die Einnahmen des Landes vor allem dadurch zu erhöhen.

Einen Bogen dazu, dass Wohnraum nicht nur günstig, sondern auch lebenswert sein muss, schlug AfD-Politiker Philipp Wöpkemeier und nannte als Beispiel Duisburg-Marxloh. Dadurch, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer größer werde, komme es zur Ghetto-Bildung, das sehe man in dem Duisburger Problemviertel. Eine Lösung für diesen Umstand nannte der Politiker jedoch nicht. Außerdem forderte er, die Mietpreisbremse abzuschaffen. Dem stimmte Oliver Bayer von den Piraten zu. Heftig widersprach Stefan Engstfeld: "Die Mietpreisbremse ist ein gutes Instrument, sie ist nur nicht vernünftig ausgestaltet." Zum Beispiel fehle darin eine Offenlegungspflicht zur Vormiete — sodass jeder Neumieter genau einsehen könne, was sein Vorgänger für eine Wohnung gezahlt hat.

Bayer forderte außerdem, um Wohnraum auch auf dem Land attraktiv zu machen, einen Ausbau des ÖPNV, "sodass dieser und das Wohnen an weiter entfernten Orten auch für jene attraktiv wird, die das vielleicht gar nicht nötig haben". Wie eng die Themen Wohnen und Verkehr miteinander verknüpft sind, betonten auch die anderen Politiker in der Runde.

Ebenfalls heftig diskutiert wurde die Frage, ob ökologisches Bauen in jedem Falle sinnvoll ist. Ja, lautete die Antwort von Grünen-Politiker Engstfeld. Wer etwa im Bestand ökologisch saniere, habe lange etwas davon. Allerdings dürfe es nicht sein, dass es so hohe Auflagen gebe, dass dieses Bauen unerschwinglich werde. So weit ist es jedoch schon, betonte Michael Unverricht aus dem Publikum. "Ich habe vor Jahren Eigentum gekauft, um damit meine Rente abzusichern.

Und alle zehn Jahre bekomme ich neue Auflagen vorgeschrieben, für die ich neue Hypotheken aufnehmen muss und kann meine Rente eben gar nicht absichern", sagte er. Diesen Punkt hatte Rainer Matheisen schon zu Beginn der Diskussion angesprochen: Der größte Kostentreiber sei der Staat, sagte er. Marco Schmitz argumentierte außerdem, wenn im Bestand aufgrund neuer Auflagen saniert werden müsse, werde es am Ende vor allem teurer für den Mieter.

Auf die Frage, was die Landespolitik für Wohnen und Gemeinschaft tun kann, antworteten zum Ende der Runde alle Politiker, dass dieses besser gefördert werden müsse. Philipp Wöpkemeier von der AfD könnte sich in diesem Zusammenhang auch ein genossenschaftliches Engagement vorstellen. Oliver Bayer von den Piraten gab jedoch mahnend zu bedenken: "Ich finde toll, wenn so etwas gemacht wird, aber es darf nicht zum Alibi werden, woanders nichts zu tun." Das wünschten sich auch die Zuschauer im Internet und das Publikum vor Ort: dass die Politiker — wer auch immer nach dem 14. Mai die Regierung oder die Opposition stellen wird — ihre Versprechen einhalten und tatsächlich mehr für bezahlbaren und lebenswerten Wohnraum tun.

(lai)
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