Unterrath Die Mosaicista aus Unterrath

Unterrath · Miriam Bastisch gab ihr Leben in Deutschland auf, um das Jahrhunderte alte Handwerk an einer Schule in Italien zu lernen.

 Für ihre Mosaike fertigt die Künstlerin Vorlagen an, um passende Mosaike zu schlagen.

Für ihre Mosaike fertigt die Künstlerin Vorlagen an, um passende Mosaike zu schlagen.

Foto: miriam bastisch

Dutzende Beutel Pistazien hat Miriam Bastisch schon gekauft, gefühlt Tausende Pistazien geschält. "Essen konnte ich nicht alle", sagt die 34-Jährige. Dafür weiß sie jetzt, wie viel ein 250-Gramm-Beutel in welchem Supermarkt kostet. Bastisch hat Pistazien-Eis gemacht und Pistazien-Pesto. Ihre Freunde mussten ein paar Mal kommen zum Pistazien-Dinner. "Ich bin richtig kreativ geworden", sagt sie. Dabei hat es Bastisch gar nicht auf die Pistazien abgesehen, sondern auf die Schalen. Daraus macht sie Kunst - genauer gesagt Mosaike.

 Mosaik für Mosaik reiht Bastisch aneinander, manchmal muss sie dafür mit der Pinzette arbeiten.

Mosaik für Mosaik reiht Bastisch aneinander, manchmal muss sie dafür mit der Pinzette arbeiten.

Foto: Miriam Bastisch

Wie Steinchen legt die Künstlerin die Schalen aneinander, baut kleine Skulpturen daraus. "Ich arbeite gerne mit Naturmaterialien", erzählt Bastisch. Auch beim klassischen Mosaik. Nicht viele Künstler in Deutschland bearbeiten Marmor und Glas wie die Italiener, die Mosaicisti, die nicht eine Zange nutzen, sondern den Hammer. Drei Jahre hat Bastisch das Handwerk gelernt, an der traditionsreichen Scuola Mosaicisti del Friuli. Dafür gab sie ihr Leben in Deutschland auf, ihre Karriere, ihr festes Einkommen. Sie packte ein paar Sachen und zog in das kleine Dorf im Norden Italiens.

 Links das Mosaik, rechts die Vorlage: Zuerst sucht die Künstlerin farblich passende Steine.

Links das Mosaik, rechts die Vorlage: Zuerst sucht die Künstlerin farblich passende Steine.

Foto: Miriam Bastisch

Verliebt hatte sich die 34-Jährige während des Studiums in Mosaike. Zwei Semester war Bastisch damals in Neapel, eigentlich um die Sprache zu lernen. Im Museo Pompei schließlich entdeckte Bastisch, die zu dem Zeitpunkt den Master in Medien- und Kommunikationsdesign machte, die filigranen Arbeiten und das berühmte Alexandermosaik. Am Strand von Ischia sammelte sie ein paar Scherben, "das ist so klischeehaft", sagt die 34-Jährige und lacht. Daraus bastelte sie für ihre Schwester ein Mosaik, ganz unprofessionell mit Heißklebepistole. Als sie zurück in Deutschland war, wollte Miriam Bastisch mehr, sie wollte lernen, wie sie Glas und Marmor bearbeiten kann. Mit dem Hammer. Eine Weile hat es damals gedauert, bis sie sich für die Ausbildung in Italien entschied, "ich habe mich lange nicht getraut". Zurück in die Schule, "si maestra, no maestra und lauter 20-Jährige", erzählt die Künstlerin. Irgendwann aber war der Moment da, der zu einer Art Selbstfindungstrip wurde, "ich konnte endlich meiner kreativen Seite nachgehen".

Wie eine Studentin lebte Miriam Bastisch in einer kleinen WG, verdiente sich mit ihrem Blog, mit dem sie 2012 begann, ein paar Euro. Im Sommer arbeitete sie für Künstler, stellte Mosaike für eine Kirche auf Sardinien her. In Genf half Bastisch bei einem Riesenmosaik mit, "ein Projekt für eine Villa, die einem reichen Russen gehört."

2015 kam Miriam Bastisch zurück nach Deutschland, seitdem teilt sie sich in Unterrath mit der Perlen-Künstlerin Lea Lenhart ein Atelier. Dort stellt sie Mosaike her, dort gibt sie Kurse, bringt ihren Schülern die außergewöhnliche und Jahrhunderte alte Technik bei. Farb- und Materiallehre - das ist nicht in einem Tag getan. "Deswegen dauern die meisten Kurse fünf Tage", sagt die 34-Jährige. Stundenlang kann sie Marmorstücke in kleine Kiesel zerschlagen, die Muster studieren, die auf den Pizzen zu sehen sind. "Die runden Steine heißen wirklich so und werden in einer Manufaktur aus Glas gebacken."

Vor einem Holzstumpf sitzt Miriam Bastisch, an dem sie eine eiserne Spitze befestigt hat. Darauf legt sie dann ein Stück Marmor oder Glas oder eine Fliese und schlägt mit dem Hammer drauf. Dass der Hammer auch mal auf einem Finger landet, sei schon passiert. "Aber nicht oft." Alles eine Frage der Technik. Eine gute Muskulatur braucht die Maestra Mosaicista jedenfalls für die Arbeit, "das kann ganz schön in die Schulter gehen", sagt die Unterratherin. Dafür macht sie Sport - Pilates, manchmal Yoga, und sie joggt.

Eines müssen ihre Schüler lernen: "Mosaik ist ein langsames Handwerk." Damit es bei der Materialbeschaffung zügiger vorangeht und Bastischs Freunde nicht ständig zum Pistazien-Essen kommen müssen, hat die Künstlerin einen Aufruf gestartet bei Facebook. Wer Schalen übrig hat, der kann diese bei der 34-Jährigen abgeben. Mosaik-Recycling sozusagen - "diesen Gedanken finde ich schön", sagt sie.

(RP)
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