Urdenbach Wenn der Rhein weiter steigt

Urdenbach · Das Haus und Ausflugslokal "Zum Ausleger" ist bereits von der Außenwelt abgeschnitten. Nur mit dem Boot geht es für die Bewohner noch nach Urdenbach oder Baumberg.

 Unweit von "Zum Ausleger" fährt normalerweise die Fähre nach Zons. Doch die Anlegestelle steht unter Wasser.

Unweit von "Zum Ausleger" fährt normalerweise die Fähre nach Zons. Doch die Anlegestelle steht unter Wasser.

Foto: Anne Orthen

Torsten Winter hat sich gestern einen Tag freigenommen. Grund: Der Rhein steigt und steigt. Er trifft nun alle erdenklichen Vorbereitungen. Die sind nötig, wenn der Pegel in Köln die 8,50 Meter erreicht, für heute sind 8,40 Meter angesagt. "Ich richte mich immer nach dem Kölner Pegel, weil das Wasser durch die Baumberger Senke fließt und dann auch schon bei uns ist."

 Torsten Winter wohnt am Ende von Urdenbach. Mit dem Auto kommt er schon nicht mehr weg, weil die Zufahrtsstraße zu seinem Haus gesperrt ist. Gestern hat er sein Boot startklar gemacht.

Torsten Winter wohnt am Ende von Urdenbach. Mit dem Auto kommt er schon nicht mehr weg, weil die Zufahrtsstraße zu seinem Haus gesperrt ist. Gestern hat er sein Boot startklar gemacht.

Foto: Anne Orthen

Bei uns: Das ist das Anwesen "Zum Ausleger", direkt an der Fähre nach Zons. Dort wohnt Winter mit seiner Familie. Das Haus ist seit dem 18. Jahrhundert im Familienbesitz seiner Frau Sonja, einer geborenen Kaymer. Unweit des Auslegers gibt es noch zwei weitere Häuser. Insgesamt wohnen dort elf Personen, am Ende von Urdenbach.

"Zum Ausleger" führt nur der rund 1,8 Kilometer schmale Ortweg, der im vergangenen Jahr zur Fahrradstraße umgewidmet wurde. Der Ortweg ist seit Mittwoch gesperrt, seit diesem Tag ist auch die Fähre nicht mehr in Betrieb. Deshalb hat Winter auch schon seine Autos rausgefahren - eines nach Urdenbach, das andere nach Baumberg. "Wir kommen ja hier nicht mehr weg", sagt der Hochwasser erfahrene Winter. "Notfalls noch mit dem Trecker", meint er schmunzelnd, um dann wieder ernst zu werden. Er geht davon aus, dass er spätestens ab Montag mit dem Boot fährt, sollte die Hochwasser-Prognose eintreten.

Am Wochenende bleibt die Familie zuhause, denn es gibt viel zu tun. Das Stahlboot mit dem fünf PS starken Außenmotor muss startklar sein. Deshalb hat Winter schon vorgesorgt und jede Menge Kanister mit Benzin gefüllt. Ein Vorratslager. 2011 habe er das Boot zuletzt benutzt, sagt er. Aber das damalige Hochwasser sei ja nichts gegen das von 2003 und erst recht nichts gegen das von 1995.

Doch die Familie Kaymer hat schon viele Hochwasser überstanden. 1965 ging der Rhein bis an die Haustür. Und beim Jahrhundert-Hochwasser zum Jahreswechsel 1926 gab der Urgroßvater von Sonja Winter, Jakob Kaymer, folgenden Bericht: "Was wir ausgestanden haben, lässt sich mit Worten nicht wiedergeben. Das Wasser stand einen Meter hoch im Haus, dazu der rasende Sturm, der die sich aufbäumenden Wogen des wild gewordenen Stroms immerfort unter furchtbarem Getöse gegen die Wände warf und das Haus erzittern ließ." Die Familie Kaymer, so hieß es im Benrather Tageblatt, habe sich auf den Speicher zurückgezogen. An ein Übersetzen mit dem Boot war bei der hohen Sturmflut nicht zu denken - "abgeschnitten von aller Welt", wie Jakob Kaymer damals berichtete.

Torsten Winter nimmt die Situation momentan gelassen. "Mir bleibt ja nichts anderes übrig", sagt er. Der Schornsteinfeger, der mit seiner Familie das Ausflugslokal "Zum Ausleger" betreibt, muss r mehr Vorsorgemaßnahmen treffen als seine Nachbarn. Mehrere Kühltruhen hat er schon zu seinem Schwager nach Urdenbach transportiert. "Die stehen da trocken und sicher", denn Winters größte Befürchtung ist, dass der Strom ausfällt. Oder dass der Strom aus Gründen der Netzsicherheit abgeklemmt wird. So steht es nämlich im Kleingedruckten des Stadtwerkevertrags. Das Restaurant ist seit Weihnachten geschlossen - und soll es auch bis Anfang März bleiben. "Wegen eventuellem Hochwasser", sagt Winter. Eigentlich hätte er heute noch eine Veranstaltung mit 30 Personen gehabt. Vorbehaltlich habe er zugesagt, denn er hatte schon vorher auf die Hochwasser-Problematik aufmerksam gemacht. Vorgestern hat er abgesagt, "die Gäste können ja gar nicht hierher kommen", sagt er.

Für Winter heißt es jetzt abwarten. Und den Keller räumen, falls das Wasser weiter steigt. Allerdings nur schrittweise am Wochenende. Der Keller läuft voll, wenn der Kölner Pegel bei 9,80 Meter steht. "Bei zehn Meter kommt der Rhein in die Küche", fügt er hinzu. "Wir wissen ja nicht, was auf uns zu kommt", sagt Winter, der auf alles vorbereitet ist.

Vorsichtig will er mit dem Boot nah zu seinem Auto fahren. Aber auch auf diesem Weg sind ihm schon Baumstämme und Reifen entgegengekommen. "Eben alles, was auf dem Rhein schwimmt. Und wenn der Rhein zurückgeht, liegt dann der Müll auf der Wiese und der Straße", meint er. Bänke, Stühle, tote Fische, eben alles, was der Rhein mit sich gezogen hat. Das sähe nicht schön aus.

Das sei der Grund gewesen, warum der Allgemeine Bürgerverein Urdenbach (ABVU) mit dem Baumberger Allgemeinen Bürgerverein (BAB) die Kämpen-Reinigung gestartet hatte - "lange vor dem Dreck-Weg-Tag", sagt Winter und weiß schon jetzt, dass bei der diesjährigen Kämpenreinigung viel zu tun sein wird.

(RP)
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