Analyse Gesellenstück Waldschänke

Meinung | Düsseldorf · Das Verfahren um die Waldschänke offenbart, wie Oberbürgermeister Thomas Geisel in Zukunft umstrittene Entscheidungen in den Stadtteilen legitimieren kann: mit Offenheit, Streitkultur und langem Atem. Die CDU macht dabei keine gute Figur.

Thomas Geisel ist nicht Oberbürgermeister, weil er ein überzeugendes oder besonders gutes politisches Konzept für Düsseldorf hat. Er hat diese Wahl im vergangenen Jahr gewonnen, weil er sich als Alternative zum Amtsinhaber inszenierte, dessen Regierungsstil von vielen Wählern eher als Regentschaft wahrgenommen wurde. Geisel hingegen gab sich als Politiker, dem das Wohl der Stadt vor die eigenen Machtansprüche ging, der die Nöte der Bürger ernst nahm, der im Brandtschen Sinne mehr Demokratie wagen wollte. Stärkung der Stadtteile, der Menschen vor Ort, hieß es gebetsmühlenartig in seinem Wahlkampf.

Kein Wunder, dass die Enttäuschung groß war, als sich im Fall der Waldschänke der nette Thomas im kleinen roten Auto als Basta-Politiker entpuppte. Geisel entmachtete kurzerhand die Bezirksvertretung (BV), weil die dem Abriss des Gebäudes im Besitz einer SPD-nahen Genossenschaft nicht zustimmen wollte. Überliefert ist sein Spruch, "reich und dumm baut um", mit der er bei den Bürgern in der Siedlung Freiheit vorstellig wurde, die gerade aufwendig und teuer ihre Häuser renoviert hatten. Das ist seine Wählerschaft: jung, akademisch, linksliberal. Sagen wir es so: Selten waren Menschen schneller auf dem Baum.

Seitdem sind mehr als sechs Monate vergangen, und es gab ein Mediationsverfahren: Drei Runde Tische, Begehungen und Diskussionen. Das Ende vom Lied: Die Waldschänke kommt weg, es wird wohl gebaut wie im Antrag vorgesehen. Das versucht nun die CDU zu nutzen. So ließ Ratsherr Rolf Schulte verlauten, das Verfahren sei ein "Zeitfresser" gewesen, "ausgerechnet ein roter OB macht sich für Luxuswohnungen stark", so der CDU-Mann. Das aber ist nicht nur Unsinn, sondern auch noch plump. Zum einen kann Schulte ja dem OB nicht vorwerfen, er nehme die Bürger nicht ernst, und gleichzeitig die Länge des Verfahrens kritisieren, zum anderen sind die geplanten Wohnungen zwar gute, aber keine "Luxuswohnungen", was Schulte auch weiß, eine durchschaubare Stimmungsmache also, zudem eine Farce angesichts der Tatsache, dass bei einer CDU-Mehrheit im Rathaus, der Abriss sicher ohne viel Federlesens beschlossen worden wäre. Nur aus politischem Kalkül, um Geisel zu schaden, schlugen sich große Teile der CDU auf die Seite der Abrissgegner.

Intelligenter und aufrichtiger ist die Reaktion der CDU-Fraktionschefin in der BV, Dagmar von Dahlen: "Er hat die Beschlüsse der BV mit seiner undemokratischen Politik regelrecht ausgehebelt. Und damit den Stadtbezirk geschwächt." Das ist tatsächlich nicht von der Hand zu weisen.

Beim letzten Runden Tisch am Montag sagte Geisel, dass dieses Verfahren trotz des Ergebnisses nicht sinnlos gewesen sei. Und er hat Recht damit. Weil erstens durch das Verfahren die Entscheidung zum Abriss öffentlich wurde, jeder Bürger konnte sich ein Bild machen. Und zweitens, weil der Abriss nicht handstreichartig verfügt wurde. So gelang es, im Rahmen des Verfahrens eine politische Mehrheit bei Grünen und FDP zu finden, die am 30. April im Rat den Abriss beschließen soll. Man kann wohlgemerkt den Abriss immer noch falsch finden, das Verfahren aber, in dem die Entscheidung getroffen wurde, bleibt ohne Tadel, zumal Geisel an jeder Veranstaltung teilgenommen, mitdiskutiert und auch Prügel eingesteckt hat.

Das Entscheidende für die Zukunft hat der OB im Nachsatz am Montag gesagt: Er habe viel gelernt. Die Waldschänke könnte also als Blaupause für künftige Entscheidungen dienen, in denen die Menschen erst noch überzeugt werden müssen. Geisel hat gelernt, dass es nicht immer mit dem Kopf durch die Wand geht, dass er die Menschen mitnehmen muss. Vielleicht dauert manches dann ein bisschen länger, doch diesen Regierungsstil haben die Bürger gewählt. Sie werden ihn honorieren.

(RP)
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