Wersten/Oberbilk Das etwas andere Prinzenpaar

Wersten/Oberbilk · Der Veedelszoch der Werkstatt für angepasste Arbeitet zieht morgen ab 10 Uhr durch Südpark.

 Prinz Christian I. und Venetia Anne I. im edlen Outfit, das sie beim Veedelszoch tragen. Anne, sonst mit Kurzharrschnitt, sogar mit Perücke.

Prinz Christian I. und Venetia Anne I. im edlen Outfit, das sie beim Veedelszoch tragen. Anne, sonst mit Kurzharrschnitt, sogar mit Perücke.

Foto: Anne Orthen

Er ist der Ersteder zahlreichen Veedelszüge in der Stadt und zieht schon morgen um kurz nach 10 Uhr los. "Wir sind wahrscheinlich auch der kleinste Umzug in der ganzen Stadt", vermutet Andrea Schmidt, Öffentlichkeitsarbeiterin der Werkstatt für angepasste Arbeit (WfaA). Dem Charme tut das keinen Abbruch. Im Gegenteil.

Wie jedes Jahr zieht der Zoch durch den Südpark. Dort herrscht nicht nur in der Gärtnerei reges Treiben. In der Bäckerei wird ebenso gearbeitet wie im Hofladen, der Deko-Werkstatt und dem Streichelzoo. 240 der 270 Angestellten haben eine Behinderung. Das kann ein körperliches Handycap sein, aber auch eine geistige oder psychische Erkrankung.

Vor der Betriebsstätten-Kantine macht Anne Sebastian gerade eine Zigarettenpause. Die 28-Jährige ist die diesjährige Venetia. Der Prinz an ihrer Seite heißt mit Vornamen zufällig wie sein Pendant der Landeshauptstadt: Christian. Er lässt sich entschuldigen: Fußballtraining. Die Mannschaft trainiert im Sportpark Niederheid.

So kurz vor dem Karnevalsumzug, der in unter dem Motto "Uns kritt nix klein - tierisch gute Laune die darf sein!" steht, ist bei Venetia Anne alles wie immer. Seit 2008 arbeitet sie in der Werkstatt. Erst im Gartenbau, mittlerweile in der Deko-Werkstatt. "Wegen der Schmerzen an der Hand", erklärt sie. "Ich wurde zwei Mal operiert." Gemeinsam mit ihren fünf Kollegen aus der Deko-Werkstatt ist Anne Sebastian gerade dabei, Blumenschmuck für die Staatskanzlei herzustellen. Wenn Hannelore Kraft dort zu größeren Besprechungen einlädt, kommt die Tisch-Deko aus dem Südpark.

Mit ihrem Bürstenhaarschnitt, den sie unter einer schwarzen Mütze versteckt, dem groben Schuhwerk und der Arbeitshose wirkt Anne Sebastian eher androgyn. Ein Gegenentwurf zur klassischen Venetia. Sie freue sich auf die Aufgabe, sagt sie: "Ich wollte das immer schon mal machen." Erst zwei Wochen vor dem Karnevalszug hat sie erfahren, dass ihr Wunsch in Erfüllung geht.

Wer Venetia wird, entscheidet bei der WfaA das Los. Und auch sonst ist vieles ganz anders. Die Vorbereitungen für Kostüme und Wagenbau starten maximal drei Wochen vor dem großen Tag. Der Zugweg vom Haus Deichgraf zum Höfchen ist gerade einmal 600 Meter lang. Der Zug besteht aus rund 200 Menschen, von denen der überwiegende Teil zu Fuß unterwegs ist. Und die Kamelle werden nicht geworfen, sondern übergeben, so dass wenig auf dem Boden landet. "Ist in unserem eigenen Interesse", sagt Andrea Schmidt lachend, "so sparen wir uns die Aufräumarbeit."

Bei den Kostümen betreiben die Menschen aus dem Südpark mindestens genauso viel Aufwand wie jene, die Teil des Rosenmontagszugs sind: Die Tierpfleger zum Beispiel, die sich um die Ziegen, Schafe, Schweine, Kaninchen und Gänse kümmern, gehen in diesem Jahr als Krümelmonster. Auf blauen Afro-Perücken haben sie mit Hilfe von Draht Augen befestigt.

Venetia Anne sitzt derweil auf der Bank im Kräutergarten. Vor einigen Tagen war sie zur Kostümanprobe im Akki. Aus dem Fundus stammt die Garderobe des Prinzenpaars. Auf Männerstrumpfhosen, Lackschuhe und Federn am Hut verzichtet man beim Südpark-Karneval.

Auf dem Prinzenpaar-Wagen, einem von drei Elektromobilen, die im Zug mitfahren, wird Anne I. einen langen Reifrock tragen nebst dazu passendem Oberteil. Farbkombination orange-beige-weiß. Die Garderobe sei schon ein bisschen ungewohnt für sie, gibt die 28-Jährige zu. So was trage sie sonst nur bei Feierlichkeiten. Trotzdem scheint es, als habe die Venetia Blut geleckt. Sie würde gerne mal im Rosenmontagszug mitgehen, gesteht sie zum Abschied.

(RP)
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