Wersten Weihnachtliches erklingt vom Turm

Wersten · Das Bläserensemble der Stephanuskirche in Wersten steigt traditionell am Heiligabend auf den Turm. Nachdem es die 103 Stufen bewältigt hat, gibt es erst eine Pause, bevor das Konzert beginnt.

 103 Stufen steigen morgen Abend die Bläser des Werstener Ensembles hoch auf den Turm. Diese Woche gab es schon mal eine Generalprobe.

103 Stufen steigen morgen Abend die Bläser des Werstener Ensembles hoch auf den Turm. Diese Woche gab es schon mal eine Generalprobe.

Foto: a. Orthen

Vielfältig sind die musikalischen Angebote in den christlichen Kirchen an den Weihnachtsfeiertagen. Sie reichen von den Kindergottesdiensten mit Gitarren- und Flötenbegleitung am Nachmittag bis zu den Christmetten mit großem Orgel- oder sogar Orchesterklang in der Heiligen Nacht.

Eine Besonderheit ist aber das musikalische Weihnachtserlebnis, das auch in diesem Jahr wieder an der Stephanuskirche in Wersten stattfindet: Das Turmblasen in der Heiligen Nacht. Nach dem Gottesdienst zur Christnacht, der um 23 Uhr beginnt und mit Chor und Orgel festlich gestaltet wird, steigt der Werstener Bläserkreis mit seinen Instrumenten im Kirchturm bis ganz nach oben, wo Bläser und Instrumente sich den geringen Platz mit den Glocken teilen müssen.

Und dann, wenn man nach dem Ersteigen von 103 Stufen im Turm wieder zu Atem gekommen ist, beginnt Stefan Jumpertz mit seinem Ensemble ein Konzert in luftiger Höhe. Das ist - je nach Temperatur - kein einfaches Unterfangen.

Damit alles gut klingt, wird dem Stimmen der Instrumente und dem Warmhalten der Mundstücke besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Schließlich ist jedes Jahr eine wachsende Zuhörerschar auf dem Vorplatz der Kirche zu verzeichnen, für die nach dem Gottesdienst die Heilige Nacht erst durch das Turmblasen festlich abgeschlossen wird. Und das setzt nun mal Qualität beim Musizieren voraus.

"Seit dem 24. Dezember 1960 ist das so", sagt Stefan Jumpertz, der den Werstener Bläserkreis leitet. "Hans Aring, der legendäre Vater der Bläser an der Stephanuskirche, hat in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts den Grundstein für unsere heutige musikalische Arbeit gelegt." 1958 begann Hans Aring dann mit dem Kurrendeblasen, das bis heute am 25. Dezember vormittags stattfindet und im kommenden Jahr das 60-jährige Bestehen feiern kann.

Dabei bringt der Bläserkreis, zu dem Trompeterin Angela Fiege und neun weitere Herren gehören, an verschiedenen Stationen in der Gemeinde seine musikalische Weihnachtsbotschaft unters Volk. Fürs Turmblasen nehmen sich die Bläser zusätzlich Zeit. Denn die Mehrheit der Mitglieder kommt nicht einmal aus Wersten, sondern zum Beispiel aus Velbert, Haan, Erkrath und Solingen. Der jüngste Trompeter ist gerade mal 18 und der älteste Tubist 60 Jahre alt.

Stefan Jumpertz kann ziemlich stolz auf die Gruppe sein. "Hier mischen sich jugendliche Spielfreude und jede Menge Erfahrung, die wir an die Jugend weitergeben", sagt der Chef des Bläserkreises. Und was wird vom Turm zu hören sein? "Jedenfalls nicht das Rentier Rudolf oder sonstige Kaufhausmusik" sagt Jumpertz, "aber alles, was die weihnachtliche Freude in bekannten Liedern ausdrückt."

So wird also Händels "Tochter Zion" ebenso gespielt wie Bachs "Vom Himmel hoch", und "O du fröhliche" wie auch Grubers "Stille Nacht". Die Zuhörer auf dem Kirchplatz können die Klänge von oben eine Stunde lang genießen, wobei die Küsterin mit Glühwein dafür sorgt, dass niemand friert. Seit Jahren schon hören nicht nur die Besucher des vorherigen Gottesdienstes zu. Viele kommen aus den Nachbargemeinden, um zu Herzen gehende Weihnachtsmusik von guten Bläsern zu hören.

Ursprünglich erklang keine schöne Musik von den Türmen; die Horn- oder Trompetensignale der "Türmer" mussten die Einwohner wecken und vor Gefahren warnen. Seit dem 13. Jahrhundert gab es in vielen Städten sogenannte "Türmer", die auf hohen Rathaus- oder Kirchtürmen ihren Dienst versahen. Der bestand insbesondere aus der Brandwache, die für die damals engen Straßen wichtig war. Erst später kam dazu, dass ehrenvolle Besucher der Stadt mit Hornsignalen begrüßt wurden.

Im 16. Jahrhundert schließlich wurden von kleinen Bläsergruppen sonntags Choräle vom Kirchturm geblasen, eine Tradition, die man in anderen Teilen Deutschlands neu zu beleben sucht. In Wersten wird die Tradition - zumindest an Weihnachten - mit Erfolg gepflegt.

(RP)
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