Düsseldorf Suchen, Finden und den Augenblick genießen

Düsseldorf · Psychologin Susanne Altweger spricht über das menschliche Streben nach Karriere und Eigenheim.

 Die Nahrungssuche der Steinzeitmenschen setzt sich heute fort, meint Susanne Altweger. Ständig sei jeder auf der Suche nach irgendwas.

Die Nahrungssuche der Steinzeitmenschen setzt sich heute fort, meint Susanne Altweger. Ständig sei jeder auf der Suche nach irgendwas.

Foto: Andreas Bretz

Kaum ist das Kind eingeschult, wird es auf die Suche geschickt. "Was willst du denn mal werden, wenn du groß bist?" fragen Erwachsene und drängen das Kind damit schon früh in eine Such-Position. "Wenn erwachsene Menschen doch einfach mal diese Frage lassen würden", sagt Susanne Altweger. "Dann wäre das Kind doch viel entspannter." Denn: Die Suche nach Beruf, Karriere, Partner oder Eigenheim komme noch früh genug. So um die 30 setzt diese Suche nach "etabliertem" Leben ein und beschäftigt die Menschen ihre nächsten 30 Lebensjahre. "Bis sie dann mit etwa 55 oder 60 merken: Jetzt brauche ich neue Inhalte für mein Leben." Das ständige Suchen ist der Psychologin nicht fremd. Sie weiß: "Schon der Steinzeitmensch hat seine Nahrung gesucht - darum ist dieser Drang genetisch veranlagt." Bis heute sucht der Mensch immer weiter: den besten Partner, die schönste Wohnung, das beste Essen, die schickste Handtasche, aber auch - weniger ökonomisch - den Sinn des Lebens, Antworten von Gott oder ganz schlicht: Glück.

Altweger hält es mit Goethe und Faust, aus dem das legendäre Zitat stammt: "Augenblick, verweile doch, du bist so schön." Auch wenn mit diesem Satz der Pakt mit dem Teufel geschmiedet wird, geht es doch genau um diese Fähigkeit: einfach mal den Moment zu genießen und die Suche wonach auch immer einzustellen. "Diese Fähigkeit ist den meisten Menschen abhanden gekommen."

Die gebürtige Österreicherin zitiert auch einen Spruch aus der buddhistischen Lehre: "Hänge nicht der Vergangenheit nach, und verweile nicht mit dem Geist in der Zukunft. Denn die Vergangenheit existiert nicht mehr, die Zukunft aber ist noch nicht angebrochen." Natürlich müsse man sich um Berufsplanung, Rente oder Lebensversicherung Gedanken machen, so Altweger. Aber ganz generell sollte jeder weniger suchen und streben. Sonst ergehe es ihm wie dem Fischer und seiner Frau: Die beiden wünschen sich immer größere Häuser und Paläste, sie will erst König und Kaiser, dann Papst werden. Als sie auch noch Gott werden will, landet sie wieder in ihrer alten kleinen Fischerhütte - und die Suche ist abrupt beendet.

Außerdem kann schnell die Gefahr bestehen, dass der Suchende süchtig wird: Denn "Suche" und "Sucht" gehören zusammen. So können Endorphine, die im Gehirn beim Sport, Shoppen oder Erfolg im Beruf frei werden, den Suchenden abhängig machen.

Dagegen sei die Suche nach Ostereiern, die am Wochenende in vielen Familien ansteht, einfach nur lustig und schön, sagt Altweger. "Vor allem, wenn die Kinder die Eier und Süßigkeiten gefunden haben und strahlend lachen - dann freuen sich alle, und es ist eine ganz nette Form der Kommunikation."

(RP)
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