Düsseldorf Symphoniker spielen in Japan vor 5000 Leuten

Düsseldorf · Morgens um halb zehn im größten Saal des "Tokyo International Forum": Es herrscht Lärm in hohen Frequenzbereichen. Knapp über 5000 Plätze bietet der Saal in Tokio, aber es sind deutlich mehr als 5000 Menschen, die sich zum "Baby concert" eingefunden haben.

 Der Konzertsaal in Tokio ist voll besetzt, auch morgens um 9.30 Uhr.

Der Konzertsaal in Tokio ist voll besetzt, auch morgens um 9.30 Uhr.

Foto: Tonhalle

Denn die wichtigsten Zuhörer sitzen auf den Schößen der Eltern. Die ersten flirrenden Töne von Hector Berlioz' "Symphonie Fantastique" und der Auftritt des famosen Pantomimen Philippe Aymard können die frühkindliche Aufmerksamkeit kaum gewinnen.

Eigentlich müsste das frustrierend sein für die Düsseldorfer Musiker, die das Auftaktkonzert des elften Festivals "La folle journée au Japon" spielen. Aber nach 45 Minuten Berlioz mit Quietsch-Begleitung ist die Stimmung hinter der Bühne gleichmütig und fröhlich. Es war ja nur das erste von neun Konzerten. Und es ist eine Ehre, das Auftaktkonzert zu spielen. Die Düsseldorfer Symphoniker sind das erste deutsche Symphonieorchester, das bei diesem Musikfestival zu Gast ist. "Das Orchester ist prädestiniert für dieses Festival", sagt Intendant Michael Becker. "Denn die Musiker sind den schnellen Wechsel zwischen Oper und Konzert gewöhnt". Jeden Tag absolvieren die Musiker drei Konzerte von etwa 45 Minuten Länge, während in den vielen Sälen des Forums andere Konzerte stattfinden. Mit allen Nebenveranstaltungen bietet das Festival 300 Konzerte innerhalb von nur drei Tagen.

Das ist das Prinzip von "La folle journée", das der französische Musikmanager René Martin vor zwanzig Jahren in Nantes erfand und seither in andere Länder exportiert. Als Martin das Format erfand, war es revolutionär: klassische Musik zu kleinen Eintrittspreisen, kurze Formate, um die Hemmschwelle zu senken.

Nach dem Babykonzert hat das Orchester Pause, erst um 14 Uhr steht Brahms' 1. Klavierkonzert auf dem Plan. Die Musiker vertreiben sich die Zeit, flanieren zwischen Kaiserpalast und Ginza in der drückenden Schwüle des subtropischen Tokyoter Frühsommers. Ungläubiges Staunen dann beim Brahms-Konzert: Wieder ist der Saal voll bis unters Dach. Diesmal ist das Publikum hoch konzentriert.

Dann wieder Pause bis zum Abendkonzert um 20.45 Uhr, diesmal mit Berlioz' vollständiger "Symphonie Fantastique" und (fast) ohne Babys. Der noch blutjunge Dirigent Aziz Shokhakimov geht aufs Ganze, riskiert spontane Tempowechsel, das Orchester wächst über sich hinaus. Ovationen, Bravi, hinter der Bühne Verbrüderungsszenen, strahlende Gesichter. Auch der Intendant ist zufrieden: "Das Orchester braucht solche Tourneen, es wächst spürbar zusammen. Die Leistungskurve steigt rasant."

(RP)
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