Analyse Tänzer im Dialog mit der Polizei

Düsseldorf · Ein Missverständnis in hysterischen Zeiten, sagt die Intendantin des Tanzhauses NRW über die Eskalation einer Personenkontrolle im Hauptbahnhof. Es belegt: Mehr Kommunikation ist wichtig.

 Mithkal Alzghair in seiner Inszenierung "Displacement" im Tanzhaus. Kurz nach dem Auftritt geriet er mit der Bundespolizei aneinander.

Mithkal Alzghair in seiner Inszenierung "Displacement" im Tanzhaus. Kurz nach dem Auftritt geriet er mit der Bundespolizei aneinander.

Foto: Tanzhaus/stavros

Am Ende sagen wohl beide Seiten irgendwie die Wahrheit. Die Polizisten, die schroff wurden, als sich die beiden Syrer, die ihnen im Hauptbahnhof gleich mehrfach aufgefallen waren, ein bisschen zierten, ihre Pässe vorzuweisen. Und auch die beiden Tänzer, die nach dem Auftritt im Tanzhaus noch etwas essen wollten und sich von den Maschinenpistolen der Bundespolizisten bedroht fühlten.

Seit den Terroranschlägen von Paris 2015 trägt die Bundespolizei am Flughafen und am Düsseldorfer Hauptbahnhof Maschinenpistolen. An Wochenenden, wenn die Zahl der Passanten und nachts auch deren Alkohol- und Aggressionspegel besonders hoch sind, gehen die Polizisten auch aus Eigensicherungsgründen zu viert auf Streife, alle in Schutzwesten, zwei von ihnen mit MP. Erhöhte Wachsamkeit heißt ihr Einsatzbefehl, insbesondere seit dem Anschlag in Berlin. Wer den Beamten durch sein Verhalten auffällt, wird kontrolliert. Einmal den Ausweis bitte, woher, wohin, dankeschön. So sollte es sein.

Nicht immer ist das "polizeiliche Gegenüber" auf den schnellen und höflichen Ablauf solcher Kontrollen eingerichtet. Kommt Alkohol hinzu, wird der Ton laut, die Wortwahl unbeherrscht. Damit müssen Polizisten umgehen können. Sie lernen es in ihrer Ausbildung. Psychologieseminare, Pädagogikkurse und "Sits", die sogenannten Situations- und Einsatzübungen, bei denen Kollegen in Rollenspielen nicht selten auf echte Einsatzerfahrung zurückgreifen, gehören zum Standard für angehende Bundespolizisten. Trotzdem, räumt Jens Flören, Sprecher des Bundespolizeidirektion Sankt Augustin, ein, sind Fehler nicht auszuschließen.

Seit das Tanzhaus NRW, das für sein politisches Programm bekannt ist, an Pfingsten öffentlich kritisierte, wie Bundespolizisten in Düsseldorf mit zweien seiner Gäste umgegangen sind, hat Flören sich um Aufklärung bemüht. Er hat die Beamten, die an jenem Freitagabend in Düsseldorf eingesetzt waren, zu schriftlichen Stellungnahmen aufgefordert und Kontakt nicht nur mit dem Tanzhaus aufgenommen, sondern auch die bereits abgereisten Künstler um ein Gespräch gebeten. Er sei, sagt Intendantin Bettina Masuch, "in hysterischen Zeiten so etwas wie die Stimme der Vernunft", dass man nun über das redet, was in den syrischen Künstlern und was in den Polizisten vorging, sei "das Beste, was passieren konnte." Der Dialog könnte dazu beitragen, Druck abzubauen, unter dem zurzeit nicht nur die Polizisten stehen.

Flucht und ihre Folgen - das ist das Themas von Choreograph Mithkal Alzghair, der mit Rami Farah am Freitagabend auf der Tanzhaus-Bühne "Displaced" performte, in dem es auch um Entwurzelung und Ausgrenzung geht. Sie hatten viel Applaus bekommen und sich danach zum Hauptbahnhof begeben, um dort etwas zu essen.

Dass während sie auf der Bühne gestanden hatten, in der Eifel ein Rockfestival wegen einer konkreten Terrorlage abgebrochen worden war, ahnten sie nicht. Als sie mehrfach durch die Bahnhofshalle gingen, um zu sehen, wo es noch etwas zu essen gab, fielen sie den Polizisten auf. Vielleicht, weil sie scheinbar ziellos durch die Halle streiften. Als die Beamten sie ansprachen, lachten die Künstler. "Kann sein, dass wir das nicht so ernst genommen haben", hat Mithkal Alzghair im Gespräch mit Bettina Masuch gestern eingeräumt: "Wir wussten ja, dass unsere Papiere in Ordnung waren."

Die Polizisten wussten es nicht. Ein Wort gab das andere, die Syrer warfen den Polizisten Rassismus und Machtmissbrauch vor, und schließlich rutschte einem der Beamten der Satz heraus, wenn sie mit der Rechtslage in Deutschland nicht einverstanden seien, könnten sie ja das Land verlassen. "Unangemessen", sagt Jens Flören, der sich dafür bereits entschuldigt hat. Auch der Beamte sehe das ein und bedaure, dass er sich provozieren ließ. "Das entspricht nicht unserem Selbstverständnis", sagt Flören.

Für Bettina Masuch, die zuerst über eine Strafanzeige nachgedacht hatte, auch aus Solidarität mit den Tanzhaus-Gästen, ist die Angelegenheit damit erledigt, auch wenn die Polizisten andere Vorwürfe der Syrer entschieden bestreiten. Wichtiger ist ihr, dass die Bundespolizei prompt und professionell reagiert und gezeigt habe, dass auch sie sich mit dem vielschichtigen Thema auseinandersetzt.

Die beiden Tänzer dürften nicht die Einzigen sein, die sich durch eine Polizeikontrolle generalverdächtigt fühlten. Und diese verstärkten Kontrollen sind in unserer freiheitlichen Gesellschaft auch durchaus gewöhnungsbedürftig. Da gehört auch das vernünftige Miteinanderreden zur Sicherheit.

(RP)
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