Interview mit Düsseldorfer Szenekenner Techno-Klassentreffen im "Tor 3"

Düsseldorf · Techno in Düsseldorf – das bedeutete für viele Fans in den 90er Jahren: "Tor 3". Der bekannte Club feiert am Samstag eine Revival-Party. Wir haben mit Szenekenner Stefan Prill über Techno in Düsseldorf gesprochen.

 Stefan Prill kennt die Düsseldorfer Techno-Szene.

Stefan Prill kennt die Düsseldorfer Techno-Szene.

Foto: Bretz, Andreas

Techno in Düsseldorf — das bedeutete für viele Fans in den 90er Jahren: "Tor 3". Der bekannte Club feiert am Samstag eine Revival-Party. Wir haben mit Szenekenner Stefan Prill über Techno in Düsseldorf gesprochen.

Prill (49) war früher selbst im Tor 3 tätig und leitet heute das "Stahlwerk". Die Revival-Party beginnt um 20 Uhr im "Ambis Club" an der Langenberger Straße 9. Der Eintritt kostet 15 Euro.

Tor 3 feiert Revival. Wie finden Sie das?

Stefan Prill Ich bin kein Verfechter von "Früher war alles besser". Es ist wichtig, dass man sich weiterentwickelt. Der Schritt zurück zu Tor 3 ist nett, aber für mich ist das ein Klassentreffen. Ich werde auch hingehen und Leute treffen, die ich lange nicht gesehen habe. Für mich steht das Tor 3 aber insgesamt für die großen Konzerte, die ich dort erlebt habe. Ich glaube, dass das Revival einmalig funktionieren wird, aber die Zeiten des Tor 3, so wie es damals war, sind vorbei.

In den glorreichen Zeiten sind Sie dort bestimmt mit vielen Stars zusammengekommen.

Prill Für mich waren manche DJs einfach Helden der Nacht, die ich da auch als sympathische Menschen kennengelernt habe, mit denen ich tolle Momente hatte. Jeder auf seine Art verrückt, liebenswert. Da waren schon Freaks dabei. Wir hatten tolle Partys, das waren schöne Momente und interessante Erfahrungen. Viele von denen sind noch im Geschäft, aber aus den Techno-Revoluzzern sind jetzt liebende Familienväter geworden. Toll war auch, dass man morgens um fünf einem Fußballprofi oder Eishockeyprofi gegenüberstand, der der Musik verfallen waren.

Hat sich die Feier-Mode im Laufe der Zeit sonderlich verändert?

Prill Ich weiß nicht, ob man es Mode nennen darf, aber ganz modern waren ja Gasmaske, Staubsauger auf dem Rücken und weiße Maleranzüge. Dann kamen die Buffalo-Boots mit ganz hohen Sohlen und eine Plüschwelle, bei denen Ikea-Teppiche als Weste getragen wurden. Das war teilweise abartig. Wie kann man auf den Gedanken kommen, so in den Club zu gehen?

Und sonst?

Prill Für mich war der Sprung vom Disco-Gehampel zu diesem sportlichen Shuffle-Tanz eine schräge Entwicklung. Ich bin absoluter Anhänger der Musik und habe dieses Shufflen nie damit in Verbindung gebracht. Und dann diese Getränke-Experimente mit allem, was irgendwie wacher und fitter machte, mit Zusätzen aus Indonesien oder Indien. Mythen über Mythen, was mehr Koffein hat. Das war manchmal großartig.

Was waren Ihre ersten Erfahrungen mit Techno?

Prill Meine ersten Erfahrungen habe ich in England gemacht, auf diversen Warehouse-Partys in London, Ende der 80er. Diese Idee und Kultur habe ich im Rahmen meiner Tätigkeiten für das Tor 3 mitgebracht. Und daraus ist an einem ganz normalen Samstagabend im Tor 3, der mehr von klassischer Disco-Musik und Funk und ab drei Uhr von Rock bis ins härtere Segment belegt war, der Versuch entstanden, diese elektronische Musik zu etablieren. Das ist mir auch gelungen. Damals wurde ich belächelt und sogar fast rausgeworfen, als ich mit elektronischer Musik angekommen bin.

Aber Sie haben sich durchsetzen können.

Prill Ja, der Durchbruch kam 1992 mit dem Akira-Rave. Da war unter anderem Cosmic Baby dabei, eine damals feste Größe in der internationalen und deutschen Musikszene aus Berlin. Mit diesen Raves wollten wir dann weitermachen. Karneval 1993 haben wir den so genannten Union-Rave gestartet. Die Idee dahinter war, die kleinen Club-Veranstalter zu versammeln und mit ihren Kontakten eine große Party zu starten. Das ist dann ziemlich aus den Nähten geplatzt: Tausende Besucher, gefühlt 50 DJs und 20 Live-Acts. Von 20 Uhr am Sonntag ging es bis in die frühen Morgenstunden am Dienstag, andere Veranstaltungen am Sonntag haben früh geschlossen, weil alle bei uns waren. Sie haben ihre DJs und Live-Acts mit zu uns gebracht. Da waren auch internationale Künstler dabei. Das war schon interessant.

Hat sich die Szene in Düsseldorf seit damals stark verändert?

Prill Es waren immer wieder Versuche da, in kleineren Clubs etwas aufzubauen. Der Union-Rave wurde weitergeführt, hat sich aber auch überholt. Anfang 2000 war Schluss mit Techno im Tor 3. Die großen Sachen in Düsseldorf fand ich eher kommerziell. Trotzdem gab es ein paar Underground-Sachen, ich kann mich an abgefahrene Partys mit DJ Dag aus Frankfurt und Jeff Mills erinnern. Das Ganze hat sich dann aber totgelaufen.

Lag das an den DJs oder am Publikum?

Prill Techno hat kein einfaches Publikum. Es gibt dieses Standard-Techno-Shuffle-Publikum, das auf der einen Seite musikinteressiert ist, aber auf der anderen Seite drei Tage durchfeiern kann - warum auch immer. Dann ist der Getränkekonsum nicht so hoch, da wurde häufig einfach aus dem Wasserhahn getrunken, und am Ende des Tages muss sich ja so eine Veranstaltung rechnen, die DJ-Gagen wurden immer höher. Wenn die Leute von weither angereist kommen und verfeiert sind, rechnet sich das einfach nicht mehr und macht keinen Spaß.

Das klingt, als wäre die Szene in Düsseldorf geschrumpft.

Prill Es gibt schon Bewegung und Entwicklung, die vor allem musikalisch interessant ist. Die Szene ist allerdings auch clubbiger geworden. Lieber ein Club von 150 Quadratmetern als ein großer Laden. Ich habe sowieso Veranstaltungen mit 200 bis 300 Leuten lieber als solche mit 3000 Gästen, weil man viel mehr Gefühl für die Sache kriegt. Allerdings hat Düsseldorf es nie so wirklich geschafft, sich gegenüber anderen Städten wie Berlin oder Frankfurt durchzusetzen und eine Clubkultur zu entwickeln.

Woran liegt das?

Prill Unter anderem am Düsseldorfer. Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht. Das ist leider ein bisschen das Problem in Düsseldorf. Techno und elektronische Musik sind ein schwieriges Thema in der Stadt. In meinem Bekanntenkreis fahren die meisten zum Feiern nach Köln oder ins Ruhrgebiet.

Heutzutage klingt elektronische Musik doch auch ganz anders als früher.

Prill Elektronische Musik ist ja mittlerweile Mainstream. Techno, wie er früher war, ist da einfach untergegangen. Die Branche ist brutal gewachsen. Man kann zu Hause im Heimstudio aufnehmen, man muss keine Platten mehr pressen und veröffentlicht online. Ich persönlich kann die Musikstile gar nicht mehr auseinander halten. Das ist stellenweise nur Piepen und die Kids gehen total drauf ab. Da frag ich mich doch, ob ich wie meine Eltern geworden bin. Vor zwei Jahren haben wir im Stahlwerk Major Laser gespielt. Junges Publikum, die Halle war rappelvoll. Ich stand da mit Thomas Allofs, dem Fußballer; wir haben uns angeguckt und gefragt: "Was ist das? Und warum tanzen die alle?"

Gibt es etwas, dass Ihnen an der Düsseldorfer Techno-Szene fehlt?

Prill Ich finde es traurig, dass man trotz Universität und Fachhochschule die Studenten nicht bemerkt. In Wuppertal gibt es viele kleine Clubs, die auch unter der Woche funktionieren. Nach meinem Gefühl nehmen die Studenten hier nicht wirklich an der Clubszene teil. Früher konnte man noch an der Uni Flyer verteilen oder plakatieren, das ist heute schwierig.

Wichtig ist auch das internationale Publikum: Das merkt man sofort, das ist eine andere Feierkultur. Es wird anders getanzt, anders Party gemacht. Da muss mehr gemacht werden.

Haben Clubs und Techno in der Stadt überhaupt eine Zukunft?

Prill Was ich mir wünschen würde, wäre mehr Gemeinschaft unter den Club-Betreibern und Veranstaltern. Düsseldorf ist, was das betrifft, sehr schwierig, weil gerne vorne herum alles super ist und hinten das Messer im Rücken steckt oder wenigstens der Ellenbogen ausgefahren wird.

Ist das nur Sache der Veranstalter?

Prill Die Stadt müsste sich auch beteiligen: Es gibt ja bereits Pläne zur angemessenen Verteilung von Fördergeldern. Wenn das gewollt ist — durch dieses vor kurzem eingeführte Club-Forum scheint das ja so zu sein — wird hoffentlich bald etwas passieren. Man könnte das Umland mal wieder mit gemeinsamen Werbeaktionen gewinnen. Selbst kleinere Clubs könnten davon profitieren. Wir müssen die Leute wieder dafür interessieren und gewinnen.

Die Fragen stellte Philip Ziche.

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