Andreas Schmitz "Thema Rad kann ich nicht mehr hören"

Düsseldorf · Radwege in der Innenstadt sieht der IHK-Präsident kritisch. Radfahrer lassen nur 50 Euro bei einem Einkauf in der Stadt, Autofahrer aber 140 Euro. Kritik übt er auch an dem Streit im Stadtrat um die Finanzierung der Tour de France.

 IHK-Präsident Andreas Schmitz in seinem Büro im IHK-Hochhaus am Ernst-Schneider-Platz.

IHK-Präsident Andreas Schmitz in seinem Büro im IHK-Hochhaus am Ernst-Schneider-Platz.

Foto: Andreas Bretz

Herr Schmitz, Sie sind jetzt ein Jahr im Amt als Präsident der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf. Was ist Ihr erstes Resümee?

Andreas Schmitz Ich bin ja nun fast so lange im Amt wie US-Präsident Donald Trump - aber ich hoffe mit einer deutlich besseren Bilanz! (lacht). Was als Akt preußischer Pflichterfüllung begonnen hat, ist inzwischen für mich zu einer Herzensangelegenheit geworden. Ich erlebe Menschen, die ich vorher nur aus der Zeitung kannte und kann manche Zusammenhänge besser verstehen. Und ich kann Anliegen im Sinne der Wirtschaft mitgestalten.

Was konkret wurde bereits verändert in der Kammer?

Schmitz Vor allem bei der Datenhaltung hat sich einiges getan. Zum Neujahrsempfang 2018 etwa wird man sich erstmals elektronisch anmelden können. Wir verschicken unsere Newsletter heute elektronisch an 16.000 Abonnenten, Tendenz steigend. Das Veranstaltungsmanagement wird sich wandeln und digital werden.

Wie gehen Sie mit dem Thema Datenschutz um?

Schmitz Meines Erachtens ist das Verhalten der Deutschen zum Thema Datenschutz mehr als widersprüchlich. Einerseits ist die Angst um die Sicherheit der Daten immens groß, andererseits akzeptieren wir bei unseren Smartphones bereitwillig jedes Update, ohne über den damit zusammenhängenden "Datenklau" auch nur ansatzweise nachzudenken. Dabei geben wir an dieser Stelle viel mehr von uns preis als etwa bei Behördengängen. Ich erwarte bei diesem Thema von der neuen Bundesregierung, dass sie in Sachen Datenschutz nicht zu komplexe Regelwerke schafft.

Sie sprechen von Behördengängen. Was wünschen Sie sich, etwa, was die Verwaltung in Düsseldorf angeht?

Schmitz Ich wünsche mir eine deutlich bessere Vernetzung der Daten bei der öffentlichen Hand. Die Verwaltung kennt doch meine Daten, den Wohnort, die Steuerklasse, den Grundbucheintrag und so weiter. Warum kann man das nicht bündeln und so den Bürgern viele Behördengänge und damit verbundene Kosten ersparen? Denken Sie zum Beispiel an eine berufstätige, allein erziehende Mutter. Für deren eng getakteten und durchorganisierten Tagesablauf stellen zwei Stunden, die sie auf dem Amt verbringen muss, eine große Herausforderung dar. Hier wünsche ich mir noch mehr "digitale" Bürgernähe, was technisch heute gar kein Problem mehr ist.

Eine große Bedeutung hat Ihr Vorgänger Ulrich Lehner immer dem Düsseldorfer Flughafen und dabei vor allem der beantragten Kapazitätserweiterung beigemessen. Brauchen wir die noch angesichts des Wegfalls der Air Berlin?

Schmitz Selbstverständlich, keine Frage. Der Flughafen ist für die Stadt und die Wirtschaft das Tor zur Welt, wichtig unter anderem für die Messe und die exportorientierten Unternehmen. Und um den Ausfall der Air Berlin zu bewerten, ist es eindeutig zu früh. Denn nur durch den Wegfall einer Fluggesellschaft gibt es ja nicht weniger Passagiere. Der Bedarf ist nach wie vor da. Wir hoffen daher auch weiterhin auf ein breites Flugangebot zu internationalen und europäischen Destinationen. Entscheidend ist, dass die für die Wirtschaft wichtigen Ziele auch weiter von Düsseldorf aus angeflogen werden können. Aber wir sagen auch: Die entstandenen Engpässe bei der Personenkontrolle und der Gepäckabfertigung müssen endlich dauerhaft abgestellt werden.

Spüren Sie den Wegfall der Air Berlin?

Schmitz In der Tat, der ist aktuell spürbar. Ich bin Vielflieger und ich spüre ein Anziehen der Preise auf den Strecken nach Berlin oder München bereits sehr deutlich. Hier kann ich die Aussage von Lufthansa-Chef Carsten Spohr, durch den Wegfall des Wettbewerbs käme es zu keiner Preiserhöhung, augenblicklich nicht nachvollziehen. Hier können nur neue Mitbewerber Abhilfe schaffen. Und die Region um die Landeshauptstadt ist ein attraktives Einzugsgebiet, das weitere Passagiere generieren wird, zum Beispiel dann, wenn es gelingt, den Cirque du Soleil für eine Dauerspielstätte in Düsseldorf zu gewinnen. So eine Attraktion zieht nicht nur die Menschen aus der Stadt, sondern aus der Region, ja aus ganz Mitteleuropa an.

Der Cirque du Soleil ist aber auch umstritten, etwa bei den Schützen, die bereits um ihren Simon-Gatzweiler-Platz bangen...

Schmitz Wir sollten eine mögliche Attraktion wie den Cirque du Soleil nicht schon im Vorfeld zerreden. Die Chance ist zu groß, hier einen wirklichen Blockbuster für die Landeshauptstadt zu gewinnen. Eine solche Attraktion würde auch die Metropolregion Rheinland stärken. Denn die Entfernungen im Rheinland, also etwa von Düsseldorf in die Domstadt, sind im Vergleich zu den Wegstrecken innerhalb einer Stadt wie Tokio doch nur ein Katzensprung.

Zur Politik vor Ort. Der Stadtrat hat zum dritten Mal Obermeister Thomas Geisel die Mittel für die Tour de France nicht freigegeben. Ist das ein albernes Polit-Theater?

Schmitz Ehrlich, ich kann das Thema Fahrrad nicht mehr hören. Und ich kann es deshalb nicht mehr hören, weil Politik und Verwaltung sich in diesem Punkt seit Monaten einen völlig überflüssigen "Kleinkrieg" liefern, anstatt in einem konstruktiven Wettstreit Düsseldorf auf den Pfad der Ausgabendisziplin zurückzuführen. Vordringlichste Pflicht dabei ist die Rückkehr zu geordneten Stadtfinanzen und zu einem ausgeglichenen Haushalt. Denn: Die Stadt hat selbst in wirtschaftlich hervorragenden Zeiten kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem. Sie muss aber ernsthaft sparen, und wenn ihr das nicht in wirtschaftlich guten Zeiten gelingt, wann dann? Ich sage also: Alles gehört auf den Prüfstand - insbesondere der so genannte Düsseldorfer Standard. Müssen beispielsweise gut verdienende Düsseldorfer wirklich auf Kosten der Stadtkasse einen kostenlosen Kitaplatz bekommen? Dagegen erscheint mir der lange und unerquickliche Streit über die Mehrkosten für die Tour de France in Höhe von 2,9 Millionen Euro angesichts eines Haushaltsvolumens von 2,8 Milliarden Euro insgesamt eher nebensächlich zu sein. Wohlgemerkt: Großereignisse wie die Tour de France stehen grundsätzlich einer Stadt wie Düsseldorf gut zu Gesicht. Um für die Landeshauptstadt gezielt zu werben, bedarf es ihrer jedoch nicht unbedingt, wie uns DT-Chef Frank Schrader eindrucksvoll zeigt.

Was fällt Ihnen zum Thema Radwege ein?

Schmitz Radwege sind schön und gut, aber wir wollen nicht der Fahrradstadt Münster den Rang ablaufen. Fahrradwege mitten in einer dicht befahrenen Innenstadt sehe ich kritisch. Auch ein Blick auf die Bedeutung der Fahrradfahrer für die Einkaufmetropole sollte nachdenklich stimmen: Während diese durchschnittlich 50 Euro bei einem Einkauf in der Stadt lassen, geben Autofahrer im Schnitt 140 Euro aus. Fahrradfahren am Wochenende ist wunderbar, aber in unseren Breitengraden und bei den hohen Pendlerzahlen wird die Bedeutung des Verkehrsmittels Fahrrad für den Weg zur Arbeit in absehbarer Zeit kaum nennenswert steigen.

Düsseldorf drohen Diesel-Fahrverbote, wie stehen Sie dazu?

Schmitz Wir sind klar gegen Fahrverbote. Wir sollten nicht vergessen, dass 50 Prozent der Feinstaubemissionen nicht vom Diesel kommen, sondern Hintergrundbelastung sind, die unter anderem von der Binnenschifffahrt und anderen Quellen verursacht wird. Ein Umstieg von Diesel-Fahrzeugen auf Benziner wäre kontraproduktiv, denn in Sachen CO2-Emissionen sind Benziner deutlich schlechter. Damit würden wir unsere ehrgeizigen Klimaziele noch weiter konterkarieren.

Aber was ist mit dem E-Auto?

Schmitz Die Idee der Post, das Heft selbst in die Hand zu nehmen und einen E-Transporter zu entwickeln, fand ich einfach brillant. Aber noch sind praktisch alle schweren Lastkraftwagen Diesel und so schnell werden wir diese nicht austauschen können.

Sie gelten als China-Kenner, wie wichtig sind denn die Chinesen für die Wirtschaft der Landeshauptstadt?

Schmitz China entwickelt sich zur Wirtschaftsnation des 21. Jahrhunderts. Deshalb ist für unsere Unternehmen ein Engagement in China unverzichtbar. Umgekehrt ist Düsseldorf schon jetzt der wohl wichtigste China-Standort in Deutschland. Diese starke asiatische Präsenz, denn die japanischen Unternehmen dürfen wir in diesem Zusammenhang nicht vergessen, möchten wir gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung von Stadt und Land weiter ausbauen. Die britische Entscheidung für einen Brexit stärkt die Rolle des Standorts Düsseldorfs, der einen "safe harbour" für chinesische und japanische Unternehmen innerhalb der Europäischen Union und eine echte Alternative zu Standorten in Großbritannien bildet. Das gute Einvernehmen mit den japanischen und chinesischen Institutionen vor Ort, insbesondere den Generalkonsulaten, sollte daher unbedingt gefördert werden. Dazu gehört auch, dass die Politik eine Lösung finden sollte, um die Dauer-Demo der chinakritischen Falun Gong-Bewegung vor dem Generalkonsulat einzuschränken.

THORSTEN BREITKOPF UND UWE-JENS RUHNAU FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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