Interview mit Ex-Radprofi Thierry Gouvenou „Der Zeitfahr-Kurs ist perfekt für die Fahrer“

Düsseldorf · Der ehemalige Radprofi Thierry Gouvenou ist der Streckenchef der Tour de France. Wir haben mit ihm über die Etappen durch Düsseldorf gesprochen.

 Der ehemalige Radprofi Thierry Gouvenou im Gespräch mit Journalisten.

Der ehemalige Radprofi Thierry Gouvenou im Gespräch mit Journalisten.

Foto: Pascal Perreve

Welchen Einfluss hat der mögliche Regen auf den Grand Départ? Ist es zum Beispiel ein Problem, dass die Fahrer möglicherweise nicht die selben Bedingungen vorfinden werden?

Thierry Gouvenou Natürlich kann es aufgrund unterschiedlicher Straßenverhältnisse zu Zeit-Abständen kommen. Ich schätze Unterschiede von 15 bis 20 Sekunden zwischen einem Fahrer, der auf trockener Straße fährt, gegenüber einem, der im Nassen fährt, sind möglich.
Das Wetter hat also auf jeden Fall einen Einfluss. Laut der letzten Wettervorhersagen sollte der Regen aber allmählich nachlassen, sobald der erste Fahrer im Rennen ist — drücken wir die Daumen, dass es auch so kommt. Solange es nur wenig regnet, wird nichts in Frage gestellt.

Wer ist verantwortlich für die Strecke? Hat die Stadt Düsseldorf Vorschläge gemacht oder war das der Renn-Veranstalter A.S.O.?

Gouvenou Dass wir beispielsweise durch das Neandertal nach Mönchengladbach fahren, geht auf einen Vorschlag der Stadt Düsseldorf zurück. Genauso ist es mit Aachen — all das wurde in Zusammenarbeit zwischen der Stadt und der A.S.O. festgelegt, damit wir den besten Weg von Düsseldorf nach Lüttich nehmen können.

Fahren die Athleten die Strecken vorab zum Training?

Gouvenou Ich denke alle Fahrer, die sich den Etappensieg in Lüttich zum Ziel gesetzt haben, vor allem die Sprinter, haben sich das Finale der Etappe angeschaut. Für sie ist es wichtig, sich vorher mit den Gegebenheiten vertraut zu machen und zu sehen, wie die letzten Kilometer bis zur Ziellinie verlaufen.

Waren Sie als Streckenchef der A.S.O. zuvor in Düsseldorf, um sich den Kurs anzuschauen?

Gouvenou Ja klar, ich bin hierher gekommen, um den Kurs festzulegen. Vor zwei Jahren war ich zum ersten Mal für ein paar Tage hier. Danach bin ich noch zwei oder drei Mal in die Stadt gekommen. Ich möchte dazusagen, dass wir im sportlichen Bereich in Düsseldorf mit dem ehemaligen Rennfahrer Sven Teutenberg zusammengearbeitet haben, mit dem ich selber noch einige Jahre zusammen gefahren bin, und mit dem ich mich schon damals im Peloton gut verstanden habe. Das hat es natürlich noch einfacher gemacht, mit ihm gemeinsam den richtigen Kurs zu finden.

Wie muss ein Kurs aussehen, damit es ein gutes Rennen wird?

Gouvenou Bei einem Zeitfahren zu Beginn der Tour geht es natürlich auch um das Gelbe Trikot, das ist sehr wichtig. Das Gelbe Trikot zu tragen, kann das Leben eines Fahrers verändern. Außerdem — wenn Tony Martin gerade hier in Deutschland das Gelbe Trikot erobern könnte, wäre das natürlich auch extrem wichtig für ihn und die Organisatoren.

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Foto: dpa

Es geht hier um einen gewissen Nationalstolz, aber auch sportlich gesehen will jeder auf seinem höchsten Niveau zur Tour de France kommen. Schließlich findet das Rennen eine solche Beachtung durch die Medien, dass die Auswirkungen zehn bis 20 Mal so hoch sind wie bei jedem anderen Rennen.

Was braucht ein Rennen, um sicher zu sein?

Gouvenou Zunächst mal müssen wir beim Zeitfahren darauf achten, dass keine Zuschauer auf die Strecke gelangen können, damit sich jeder Fahrer voll auf sein Rennen konzentrieren und das Maximum herausholen kann. Der Zeitfahr-Kurs in Düsseldorf ist perfekt für die Fahrer; es gibt zwei Kurven, die ein bisschen kompliziert sind, aber solche Hürden kann man leicht nehmen, wenn man sich den Kurs vorher angeschaut hat.

Aus Sicht eines ehemaligen Profis: Welches sind die Schlüsselstellen im Verlauf der ersten und zweiten Etappe, an denen sich das Rennen entscheiden könnte?

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Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Gouvenou Beim Zeitfahren gibt es vor allem einen Typ Fahrer, der hier erfolgreich sein kann, das sind die echten Rouleure wie Tony Martin. Die Jungs, die aufs Gesamtklassement fahren, könnten eine Minute oder sogar mehr verlieren, weil sie nicht so sehr an solche Strecken gewöhnt sind. Am nächsten Tag spricht eigentlich alles für eine Sprintankunft.

Worauf freuen Sie sich bei der Tour de France am meisten?

Gouvenou Natürlich aufs Hochgebirge, das ist ganz klar. Es gibt aber noch zwei, drei kleinere Etappen, auf denen wir ein paar Fallen eingebaut haben, und auf die ich sehr gespannt bin. Zum Beispiel die Etappe zur Station des Rousses oder die nach Le Puy. Das sind Etappen, die bereits die schönen Seiten Frankreichs zeigen und die sportlich gesehen ein bisschen tricky sind. Ich hoffe, dass die Fahrer das für sich zu nutzen wissen.

Kann man den diesjährigen Grand Départ in Düsseldorf mit den vorherigen in Utrecht oder London vergleichen?

Gouvenou Man merkt, dass das Fieber immer weiter steigt, wir wissen, dass sich die Deutschen freuen, an die Strecke zu kommen, und darum erwarten wir ein extrem leidenschaftliches Publikum. Es ist jedes Mal etwas Besonderes, im Ausland zu starten, denn wir spüren, dass sich die Bevölkerung darauf freut, die Tour de France zu einem noch schöneren Fest zu machen.

Das Gespräch führte Arne Lieb.

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