Düsseldorf Massive Kritik an Tour-Abstimmung

Düsseldorf · SPD und Grüne kamen nur mit Stimmen von rechts zur Mehrheit für die Bewerbung um den "Grand Départ" der Tour de France und ruderten nach der Ratssitzung zurück. Das Vorgehen ist auch in den eigenen Reihen umstritten.

 SPD-Ratsherr Oliver Müller (rechts) debattiert mit CDU-Fraktionschef Rüdiger Gutt (links).

SPD-Ratsherr Oliver Müller (rechts) debattiert mit CDU-Fraktionschef Rüdiger Gutt (links).

Foto: Endermann, Andreas (end)

Es ist selten, dass eine Sitzung des Düsseldorfer Stadtrats international beachtet wird. Doch die Entscheidung der Kommunalpolitiker zur Bewerbung für den "Grand Départ" der Tour de France 2017 sorgte am Donnerstag für erhöhte Aufmerksamkeit. Den Beobachtern bot sich ein eigenwilliges Schauspiel: Zwei Stunden wurde gestritten, dann folgte eine geheime Abstimmung mit einem äußerst knappen Ergebnis von 40 zu 39 für den Tour-Prolog. Und als damit klar war, dass SPD und Grüne nicht nur mit Piraten, Freie Wählern/Tierschutzpartei, sondern auch mit den Rechtspopulisten von AfD und Republikanern die Mehrheit gebildet hatten, wurde hektisch zurückgerudert.

Dies sei keine Basis für weitere Entscheidungen zur Tour de France, betonten die Fraktionschefs Markus Raub (SPD) und Norbert Czerwinski (Grüne). Dafür sei eine breitere Mehrheit nötig, sprich: Stimmen aus den Reihen der CDU-Opposition, des Ampel-Kooperationspartners FDP oder der Linken. Somit gibt es zwar ein Votum für die Bewerbung, die Finanzierung des mehrtägigen Tour-Spektakels ist aber völlig offen. Denn es waren vor allem die Kosten von elf Millionen Euro, von denen laut Gutachten die Stadt um die 6,2 Millionen Euro tragen muss, die CDU und Liberale gegen den Prolog stimmen ließen.

"Wir haben nicht nur eine Krise des Haushalts, auch eine der politischen Moral", sagt CDU-Fraktionschef Rüdiger Gutt. Dass die SPD auf geheime Abstimmung gedrängt habe, habe sich bitter gerächt: "Republikaner und AfD als Mehrheitsbeschaffer - was für eine schaurige Pointe." SPD-Chef Andreas Rimkus hält dem entgegen, die geheime Abstimmung sei ein legitimes demokratisches Instrument, "wenn Total-Opposition betrieben wird".

Kritik an der rot-grünen Strategie im Rat kommt auch aus den eigenen Reihen. "Es war ein Fehler, auf Abweichler aus anderen Fraktionen zu spekulieren und damit den rechten Kräften eine Möglichkeit zu geben, sich als sachorientierte Mehrheitsbeschaffer zu profilieren", sagt Grünen-Landeschefin Mona Neubaur. In Zeiten wie diesen müsse der Konsens unter den demokratischen Parteien gefunden werden. "Die politische Hygiene hat gelitten, nur um eine Stimme Mehrheit zu bekommen", sagte FDP-Fraktionschefin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie hatte bereits in der Sitzung gewarnt, dass keine Entscheidung so wichtig sein könne, dafür Rechtspopulisten als Mehrheitsbeschaffer in Kauf zu nehmen. Den Ampel-Frieden sieht sie trotz des Ausscherens ihrer Fraktion nicht in Gefahr. Sie kann sich aber nicht vorstellen, dass die Stadt die Kosten so senken kann, dass die Liberalen dem zustimmen werden.

 Oberbürgermeister Thomas Geisel (Mitte) während der Auszählung zur geheimen Abstimmung im Kreis einiger Ratsmitglieder.

Oberbürgermeister Thomas Geisel (Mitte) während der Auszählung zur geheimen Abstimmung im Kreis einiger Ratsmitglieder.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) gibt sich zuversichtlich: "Natürlich hätten wir uns eine breitere Mehrheit gewünscht." Aber je mehr Fahrt die Tour in Düsseldorf aufnehme, desto breiter werde der Konsens. In seinem Umfeld ist man sicher, die Kosten für die Stadt deutlich zu senken durch Sponsoren aus der Privatwirtschaft. Genannt wurde bisher davon aber keiner. In der Ratssitzung hatte Geisel den Kritikern der Tour-Pläne Kleinmütigkeit vorgeworfen. Wer kaufmännisch denken könne und klar im Kopf sei, müsse zustimmen. Da verhärteten sich bei CDU und FDP die Gesichter - und die Fronten. Auch bei Grünen und SPD kam das nicht gut an.

Paula Elsholz, Ratsfrau und Chefin der Düsseldorfer Grünen, betont, ihre Fraktion habe bei der geheimen Abstimmung auf Zusagen aus den Reihen von CDU und FDP gebaut, doch zuzustimmen. "Im Nachhinein war das ein Fehler." Solch ein Ergebnis dürfe sich nicht wiederholen. "Jetzt ist der Oberbürgermeister in der Pflicht, eine demokratische Mehrheit für weitere Entscheidungen zu organisieren."

 Ratlosigkeit bei den Grünen nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses: Iris Bellstedt (rechts) und Clara Gerlach.

Ratlosigkeit bei den Grünen nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses: Iris Bellstedt (rechts) und Clara Gerlach.

Foto: Endermann, Andreas (end)

SPD-Mann Raub ist überzeugt, dass das gelingt. "Ich erwarte, dass dann jene, die als Fundamentalopposition die Kosten als Gegenargument gebracht haben, mitziehen, wenn diese niedriger ausfallen." Die FDP kann das nicht überzeugen. Und die CDU? "Wir haben immer gesagt, dass wir nicht grundsätzlich gegen die Tour sind", sagt CDU-Fraktionsvize Andreas Hartnigk. Angaben zu niedrigeren Kosten müssten aber wirklich belastbar sein. "Ich glaube nicht, dass es die erwarteten Sponsoren gibt."

Noch klarer ist die Linke: "Wir stimmen nur zu, wenn es weder die Stadt noch ihre Töchter Geld kostet", sagt Fraktionschefin Angelika Kraft-Dlangamandla.

(RP)
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