Düsseldorf Tour-Verträge: Die verspätete Debatte

Düsseldorf · Rathaus-Chef Geisel verspricht bei der Tour de France maximale Transparenz und veröffentlicht einen Teil der Verträge. Im Stadtrat wurde fast eine Stunde darüber diskutiert. Erst hagelte es Kritik, dann herrschte verblüffende Einigkeit.

Bei der Finanzierung des Tour-Starts 2017 muss Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) nicht mehr mit allzu großen Hindernissen rechnen: Nach einer späten, höchst konfrontativen Debatte im Stadtrat herrschte gestern überraschend breite Einigkeit. Auslöser war ein Antrag der Linken, der noch aus der Dezember-Sitzung übrig geblieben war - die vierköpfige Fraktion forderte darin, kein städtisches Geld für den Grand Départ der Tour im kommenden Jahr auszugeben.

Das war jedoch längst geschehen. Wie Geisel am Vormittag den Medien und am Nachmittag der Politik bestätigt hatte, sind von den 4,5 Millionen Euro Lizenzgebühren, zu denen sich die Stadt gegenüber den Tour-Organisatoren von der A.S.O. vertraglich verpflichtet hat, bereits Mitte Januar in einer ersten Tranche 1,7 Millionen Euro geflossen.

Tour de France: Pressekonferenz zum Tour Start 2017 in Düsseldorf
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Tour de France: Pressekonferenz zum Tour Start 2017 in Düsseldorf

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Foto: dpa, mjh fdt

Und das sorgte parteiübergreifend für Verärgerung. Denn trotz eines Ratsbeschlusses, die notwendigen Mittel 2016 und 2017 in den Haushalt einzustellen, gibt es dafür noch keine konkreten Posten. Auch wurde die Politik nicht eingebunden. "Uns war die Finanzierung mit breiter Mehrheit zugesagt worden", sagte Manfred Neuenhaus (FDP) und erinnerte daran, dass SPD und Grüne den Beschluss nur mit den Stimmen von Rechtspopulisten gefasst hatten. Auch die Grünen kritisierten das Vorgehen des Rathaus-Chefs: "Die Tour sollte ein Beispiel für Transparenz und professionelle Organisation sein. Das ist sie bisher nicht", sagte Fraktionschef Norbert Czerwinski. Er pochte auf weitere Beschlüsse vor der nächsten Zahlung an die A.S.O. - gebe es dann keine breite Mehrheit ohne die Rechten als Mehrheitsbeschaffer, "lassen wir die Tour platzen". CDU-Fraktionschef Rüdiger Gutt bezeichnete Geisels Vorgehen als Skandal. Geisel betone, Transparenz sei die Basis für Vertrauen. "Aber Sie haben sich eingegraben."

Geisel sieht die Finanzierung durch den Ratsbeschluss gedeckt, sicherte aber am Ende zu, in der nächsten Sitzung einen Wirtschaftsplan vorzulegen. Die erste Zahlung sei aus einem Posten geflossen, der für Veranstaltungen bereitstehe, erklärte der Beigeordnete Stephan Keller. Damit werde aber nicht alles zu decken sein. Die Linke zog schließlich ihren Antrag zurück.

Insgesamt sind für die Tour rund elf Millionen Euro prognostiziert worden, durch Steuereffekte und andere Gegenfinanzierungen hat die Stadt ein Defizit von 6,2 Millionen Euro berechnet, das sie durch Sponsoren und Werbepartner deutlich reduzieren will. Bereits jetzt, so Geisel, sei durch internationale Berichterstattung ein Werbewert für Düsseldorf von mehr als sechs Millionen Euro entstanden.

Wegen anhaltender Kritik und detaillierter Anfragen aus den Reihen von CDU und FDP zum Abschluss der Verträge zum Grand Départ hat Geisel die Flucht nach vorne angetreten und mit Vertretern der Kanzlei Deloitte, die maßgeblich an der Vertragsgestaltung beteiligt war, ausgewählte Inhalte präsentiert. Er versprach mehrfach "maximale Transparenz" und legte dar, dass die Stadt gute Konditionen verhandelt habe: So zum Beispiel mit verschiedenen Vermarktungsmöglichkeiten, die vor allem für städtische Beteiligungen wie Flughafen oder Messe sowie deren Töchter gelten. Sie können mit Sichtbarkeit in den übertragenden Fernsehsendern für sich werben, das Tour- sowie ein Grand-Départ-Logo verwenden. Während der Flughafen sich bereits festgelegt hat, das Event mit 500.000 Euro zu unterstützen, sind die von der Messe erwarteten drei Millionen Euro rechtlich noch umstritten.

Als Erfolg werden auch 10.000 so genannte Hospitality-Plätze (exquisite Zuschauerplätze an der Strecke) genannt, die von Sponsoren für jeweils 300 bis 400 Euro gekauft werden können; weiterhin gibt es Werbemöglichkeiten auf mehr als 100 Begleitfahrzeugen, die der Start-Etappe vorgeschaltet sind. Explizit genannt wird auch das Ausstiegsrecht, das sich die Stadt gesichert hat, falls die ARD oder ein anderer öffentlich-rechtlicher deutscher Sender wegen "extremer Doping-Fälle" aus der Live-Übertragung aussteigt. "Der Ausstieg eines deutschen Senders reicht dafür aus", versicherte Andreas Karpenstein, Rechtsanwalt bei Deloitte. "Dann würden auch alle Pflichten Düsseldorfs entfallen."

Sollte es keinen übertragenden deutschen Sender geben, sei die Bedingung für einen Ausstieg der Stadt, dass die Mehrheit der Sender im europäischen Verbund EBU nicht überträgt. Kritisch nachgefragt hatte - nach Einsicht in die Verträge - FDP-Chefin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie hat die Sorge, dass das Risiko für Düsseldorf wegen Garantien für Überflugrechte und das Sicherheitskonzept zu groß ist.

(dr)
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