Düsseldorf Treffen mit Geisel - zu schön, um wahr zu sein

Düsseldorf · Freitagmorgen im NH-Hotel am Oberbilker Markt. Die Spitzen der Ampel-Kooperation aus SPD, Grünen und FDP treffen sich, um mit Oberbürgermeister Thomas Geisel Bilanz zu ziehen und die Strategie für 2016 abzustecken.

 Da war die Laune noch gut: Die Spitzen der Ampel-Kooperation vor dem Treffen mit Oberbürgermeister Thomas Geisel. Hier von links Manfred Neuenhaus (FDP), Stephan Soll, Norbert Czerwinski und Angela Hebeler (alle Grüne), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Markus Raub (SPD).

Da war die Laune noch gut: Die Spitzen der Ampel-Kooperation vor dem Treffen mit Oberbürgermeister Thomas Geisel. Hier von links Manfred Neuenhaus (FDP), Stephan Soll, Norbert Czerwinski und Angela Hebeler (alle Grüne), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Markus Raub (SPD).

Foto: Bernd Schaller

Das Treffen ist geheim, unserer Redaktion ist jedoch ein zwar verwackeltes, aber noch geheimeres Handy-Video zugespielt worden. Leider ist das Treffen nicht ganz aufgezeichnet worden, so dass hier nur ein Teil wiedergegeben werden kann. Wer nun besserwisserisch meint, das Ganze sei erfunden, wird zugeben müssen, dass sich die Zusammenkunft gut so hätte abspielen können.

Markus Raub (SPD) Was soll ich sagen, ich find's auch nicht gut. Ich ruf noch mal im OB-Büro an. Der Jochen (Wirtz, Leiter des Büros von Oberbürgermeister Thomas Geisel, Anm. d. Red.) wird schon wissen, wo sein Chef ist.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) Das kann doch kein Missverständnis sein, wir haben 9.30 Uhr vereinbart, jetzt ist es gleich 10 Uhr. Ich habe um zwölf ein Treffen mit Christian Lindner, wir beraten unsere Siegesstrategie für den Bund. Da geht es, mit Verlaub, um noch mehr als um Düsseldorf, es geht um Deutschland. Keine Mehrheit mehr ohne die Freien Demokraten! Meint der Herr Oberbürgermeister denn, wir haben unsere Zeit gestohlen?

Angela Hebeler (Grüne) Ich habe um zwölf Frauengruppe, ich muss auch pünktlich weg.

Raub (telefoniert) Ja, Jochen, du hast richtig gehört, der Thomas ist nicht hier. ... Nein, ich entspanne mich nicht, ich muss mir das ja immer anhören hier in der Kooperation und werde für die Sondertouren vom Thomas in Mithaftung genommen, quasi in Geiselhaft. Ist nicht lustig für mich. ... Wo bleibt er denn, er ist fast eine halbe Stunde drüber. ... Gut, meld' dich bitte, wenn du was erfährst. (legt auf)

Manfred Neuenhaus (FDP, nimmt sich seine E-Zigarette und steht auf) Managerstress?

Raub Keine Ahnung. Wenigstens reden Sie nicht wieder von der unglaublichen Leichtigkeit der Sozi-Bohème. Denn um die handelt es sich sicher nicht. (Abgang Neuenhaus vor die Tür.)

Norbert Czerwinski (Grüne) Ich könnte auch richtig austeilen, das kann ich gut, finde aber, wir sollten unsere Agenda abgleichen. Wir wollen mit Thomas über die guten Vorsätze für 2016 sprechen. Ich zitiere Stichworte aus SMS und WhatsApp: mehr Transparenz, mehr Information, dass man vielleicht mal gefragt wird; dass auch ältere Ratsbeschlüsse eingehalten werden sollten; dass es auf Dauer nichts bringt, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen. Ich könnte weitermachen. Es gibt doch einiges, was wir uns wünschen.

Hebeler Einiges ist gut...

Ursula Holtmann-Schnieder (SPD) Oh ja (leises Stöhnen).

Hebeler Wenn ich damit anfange, höre ich nicht mehr auf. (Das Telefon klingelt)

Raub Eine Viertelstunde? ... Jochen, die anderen verdrehen schon die Augen. Die haben Termine und nicht wie du zur Entspannung einen Buddha auf dem Schreibtisch stehen. Wäre schön, wenn es schneller gehen könnte. (legt auf)

Martin Volkenrath (SPD) Markus, nimm es nicht so schwer, der nächste Urlaub kommt bestimmt. La Paloma ohe (singt bzw. brummt).

Raub Ich gebe jetzt erstmal eine Runde Cola Light aus. Tut mir alles leid, aber was soll ich machen.

Strack-Zimmermann Für mich bitte Wasser. Mal eine Frage: Meinen Sie, es lohnt sich, mit Herrn Geisel über gute Vorsätze zu sprechen? Ich habe den Eindruck gewonnen, dass dies nicht viel bringt. Er ist so.

Volkenrath Einfach ist es nicht, aber wir haben einen gemeinsamen Erziehungsauftrag (lacht). Es gibt auch Oberbürgermeister, die lernfähig sind - ich gebe zu, ich bin auch unsicher, ob unserer dazu gehört.

Holtmann-Schnieder Dass er, ein Sozialdemokrat, die Wiedereinführung von Kita-Gebühren eingebracht hat, habe ich bis heute nicht verkraftet. Wir in der SPD-Fraktion wollen sie nicht, die Landes-SPD will sie nicht. Da ist unsere Identität berührt. Also politisch ist der Thomas mindestens ein schwer Erziehbarer. Dabei hat er doch fünf Kinder.

Strack-Zimmermann Das Jugendamt ist aber nicht mehr für ihn zuständig und wir können ihn auch nicht in eine betreute WG nach Sizilien schicken. Fährt er halt weiter Pleiten ein wie mit der Tour de France. Ich hätte an seiner Stelle keine Lust mehr auf Mehrheiten mit Stimmen vom rechten Rand.

Czerwinski Also bei den Republikanern hört der Spaß auf. Wir Grünen wollen die Macht und schlucken dafür ja so einiges, aber mit den Rechten? Das nimmt mir doch keiner...

(Manfred Neuenhaus betritt den Raum.)

Neuenhaus Guckt mal, wen ich mitgebracht habe. (Peter Kluth, Berater von OB Geisel, folgt und beginnt Hände zu schütteln.)

Kluth Moin zusammen. Alles gut? Der OB kommt gleich, er telefoniert draußen. Wir haben ein paar Akten durchgeackert und ein bisschen Geld verteilt - und genommen. Stadtsparkasse, Messe, Sie wissen schon. Regieren macht Spaß, ich war wieder super in Form heute morgen. Wie lange dauert das hier, wir müssen weiter. Vielleicht können wir schon ein paar Dinge regeln.

Strack-Zimmermann Es freut mich, dass Sie so fit sind, Herr Kluth. Aber bestimmt sind Sie noch nicht austrainiert, gehen Sie doch ein bisschen laufen. Ich spreche sicher im Namen aller, wenn ich Ihnen einen guten Tag wünsche und Sie bitten darf, ihn ohne uns zu verbringen. Hier sprechen die Fraktionsspitzen mit dem Oberbürgermeister, so er denn zu erscheinen geruht, da haben Sie nichts zu suchen.

Kluth Ein bisschen verkrampft hier, die Stimmung. (geht ab)

Neuenhaus Das geht doch gar nicht.

Volkenrath Geht nicht gibt's nicht. Habe ich doch schon bei der Linie 708 gesagt (schlägt sich auf die Schenkel).

(Thomas Geisel eilt federnden Schrittes in den Raum.)

Geisel Ah, schön, alle schon da. Sorry for that. Die Hannelore wollte mich noch kurz sprechen, das Landesjubiläum feiern wir dieses Jahr wirklich spitze. Ich bin stolz, Oberbürgermeister dieser Stadt zu sein, wo die Menschen nicht nur herzlich sein wollen, sondern auch sind. Und sie haben mit mir einen Oberbürgermeister, von dem sie 2020 sagen werden: nochmal fünf Jahre bitte. Sorry für die kleine Verspätung.

Strack-Zimmermann Ich finde das ungehörig, Herr Geisel, Sie lassen uns mehr als eine halbe Stunde warten. Wir haben unsere Zeit auch nicht gestohlen.

Geisel Ja, meinen Sie ich denn? Ich bin Schwabe, da geize ich auch mit der Zeit (lacht lautlos). Na, da wollen wir die Sachen mal anpacken. Frau Strack-Zimmermann, wir schaffen das - was halten Sie davon, wenn wir uns duzen? Das mache ich mit fast allen, dann ist das Verhältnis nicht so verkrampft. Nebenbei bemerkt, machen die Leute dann lieber, was ich möchte. Und wenn sie's nicht machen, beschließe ich die Sachen halt allein. Das ist Management, und das darf die Dinge auch mal top-down, also von oben nach unten moven.

Strack-Zimmermann Lieber Herr Geisel, zum Duzen von mir nur ein Wort: Nein.

Czerwinski Thomas, wir wollen ja über gute Vorsätze sprechen. Es wäre schön, wenn du Ratsbeschlüsse einhalten könntest. Beispielsweise steht im Handlungskonzept Wohnen, dass es nicht 30 Prozent Sozialwohnungen bei Neubauprojekten sein sollen, sondern 20. Du torpedierst das. So geht es doch nicht.

Geisel Geht nicht gibt's nicht, was, Martin (lacht)? Also Norbert, das Konzept muss ja überprüft und weiterentwickelt werden. Wir haben viel zu wenig preiswerten Wohnraum und ich schaffe ihn. Dafür werde ich wiedergewählt, ich sage nur: versprochen und nicht gebrochen. Was soll daran falsch sein?

Hebeler Dass Dorothee Schneider Kämmerin werden soll, habe ich auf Facebook erfahren. So stelle ich mir eine Kooperation nicht vor.

Neuenhaus Ich darf ergänzen, dass der Johannes-Rau-Flughafen zuerst in der RP stand. Wir wussten von nix.

Volkenrath Ganz schön dicke Luft hier. Da waren die Klausuren in den neunziger Jahren aber schöner, erzählt die Marlies Smeets immer. Wir hatten kein Geld, Düsseldorf war hochverschuldet, es gab bei den Treffen am Niederrhein aber reichlich Schnäpse und abends wurde gesungen: Wenn in Capri die rote Sonne im Meer versinkt (singt bzw. brummt).

Strack-Zimmermann Diese Romantik mit roten Zahlen ist nichts für uns, Herr Volkenrath. Die FDP wird die wirtschaftliche Schuldenfreiheit erhalten. Wenn jetzt Bäder, Schulen etcetera über die IDR mit Krediten finanziert werden, dann werden die Freien Demokraten das irgendwann nicht mehr mitmachen. Gut möglich, dass wir lange meckern und dann kurz vor der Wahl die Ampel-Kooperation verlassen. Da werden die Wähler staunen.

Raub Also ich bin dafür, dass wir was für das Klima tun. Ich würde Rotwein mitbringen. Die SPD-Fraktion wird, um jetzt mal nach vorne zu schauen, sich eine Meinung bilden und Sachentscheidungen fällen, und mit den Partnern nach einer Lösung suchen. Wir sind beispielsweise für den Johannes-Rau-Flughafen. Versöhnen statt spalten, das kann doch eigentlich jeder mittragen. (Neuenhaus nimmt sich seine E-Zigarette.)

Geisel Markus, das hast du schön gesagt. Bei Rau geht's doch nur um einen Namenszusatz für den Airport. Mal sehen, vielleicht bringe ich das allein durch im Gesellschafterausschuss und verzichte auf den Stadtrat. Die Mitgesellschafter wussten von der Idee zwar auch nichts, aber ich schaff' das. Liebe Leute, ich muss gleich weiter, die Vera hat zuhause 20 Kostüme für die Karnevalssession hingelegt, ich muss alle anprobieren. Könnt' ihr den Rest nicht mit dem Peter besprechen?

(Geisel steht auf. An dieser Stelle sieht man, dass sich die Gesichter einiger Teilnehmer verfärben. Der Film bricht ab.)

(ujr)
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