Düsseldorf Turbo-Abi bringt keine jüngeren Azubis

Düsseldorf · Trotz des Wegfalls der allgemeinen Wehrpflicht, G8-Abitur und Bologna-Reform an den Unis werden die Azubis in NRW eher älter als jünger. Einige Betriebe sehen die jungen Auszubildenden als Herausforderung an, andere als Vorteil.

 Nur wenige Schüler beginnen gleich nach der Schule mit der Ausbildung. Moritz Flieg (l.) startete mit der Lehre zum Mechatroniker für Kältetechnik bei Patrick Tilmes mit 17 Jahren - zwei Jahre früher als der Durchschnitt.

Nur wenige Schüler beginnen gleich nach der Schule mit der Ausbildung. Moritz Flieg (l.) startete mit der Lehre zum Mechatroniker für Kältetechnik bei Patrick Tilmes mit 17 Jahren - zwei Jahre früher als der Durchschnitt.

Foto: Wilfried Meyer

Es ist eine trügerische Annahme, dass mehr junge Menschen zur Ausbildung in die Betriebe kommen, weil sie weder zur Bundeswehr noch zum Zivildienst müssen und auch keine 13 Jahre mehr zum Abitur brauchen. Zahlen der Handwerkskammer (HWK) und der Industrie- und Handelskammer (IHK) Düsseldorf zeigen sogar, dass der Trend zur späteren Ausbildung geht. Wo 16- und 17-Jährige trotzdem schon in die Betriebe kommen, sind die Meinungen über sie gespalten.

"Wir hatten immer junge Menschen, die sich mit der Mittleren Reife bei uns beworben haben", sagt Gerd Meyer, Sprecher der Stadtsparkasse Düsseldorf. Die Abiturienten, die sich unter den Bewerbern fänden, seien heute aber jünger als vor fünf oder zehn Jahren. Dennoch habe man "positive Erfahrungen" mit ihnen gemacht, von mangelnder Reife könne Meyer nicht sprechen: "Wir finden eine andere Qualifikation vor als früher." Die Bewerber brächten alle ein hohes Bildungsniveau mit, vor allem in Sachen Digitalisierung. Es fehle mitunter jedoch an anderer Stelle: "Sie sind manchmal ein bisschen unbedarft, aber auch offen und aufnahmebereit." Einige der jüngeren Azubis müssten öfter auf den Dresscode hingewiesen werden, dies führe aber "zu keinem Problem", sagt Meyer. Dass viele noch keinen Führerschein hätten, sei unproblematisch, da Bewerber in wohnortnahen Filialen ausgebildet würden.

Dass Schüler ihren früheren Abschluss auch in einen frühen Ausbildungsbeginn ummünzten, sieht IHK-Geschäftsführer Gregor Berghausen nicht: "Die meisten nutzen die gewonnene Zeit zur Orientierung, zur Entspannung oder für ein Freiwilliges Soziales Jahr." Durchschnittlich seien Azubis bei Ausbildungsbeginn 19 Jahre alt, was aus den genannten Gründen nicht den Unternehmen zuzuschreiben sei, die keine jüngeren Menschen ausbilden wollten. Einige sähen trotz der Einschränkungen des bis 18 Jahre geltenden Jugendarbeitsschutzes in der größeren charakterlichen Formbarkeit der Jugendlichen sogar einen Vorteil. Kritiker befürchteten hingegen "unreflektierte", dafür aber "passgenaue" Jugendliche, so Berghausen.

Auch im Handwerk würden Azubis wie Moritz Flieg, der seine Ausbildung zum Mechatroniker für Kältetechnik bei der Düsseldorfer Firma Söffing schon mit 17 Jahren begann, seltener, sagt HWK-Sprecher Alexander Konrad. 2006 seien fast 64 Prozent der Lehrlinge höchstens 18 Jahre alt gewesen. 2015 waren es durch den allgemeinen Trend zu höheren Abschlüssen und den niedrigschwelligen Übergang von Realschule zu Gymnasium nur noch 37 Prozent. "Unsere Ausbilder berichten, dass sie manchen Konflikt haben, weil sich die älteren Auszubildenden in der Tendenz weniger gern etwas sagen lassen", bemerkt Konrad. Das Handwerk hoffe, durch Pflicht-Schulpraktika mehr jüngere Bewerber zu gewinnen.

(bur)
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