Interview mit Bürgermeisterin Marlies Smeets 'Uns Marlies' sagt Adieu

Düsseldorf (RP). Eine lange kommunalpolitische Karriere geht zu Ende. In wenigen Wochen zieht sich Bürgermeisterin Marlies Smeets (68) aus dem Rathaus zurück. 35 Jahre Ratsarbeit liegen hinter ihr. Fünf Jahre war die Sozialdemokratin Oberbürgermeisterin der Stadt.

RP-Redakteur Ludolf Schulte sprach mit ihr über Höhen und Tiefen, über Empfindungen und Einschätzungen.

Ihr Markenzeichen: sozial engagiert, vor allem immer fair.

Smeets: Das soziale Engagement kommt aus dem Elternhaus. Schon mein Vater war Ratsherr und Gewerkschafter. Er hat sich nach dem Krieg sehr um Fragen der Versorgung mit Nahrungsmitteln und Kleidung gekümmert.

Und die Fairness?

Smeets: Eine Charakteranlage. Ich glaube, dass ich die Fähigkeit zum Ausgleich habe. Ich habe mich bemüht, nie verletzend zu sein und nie Wunden zu hinterlassen.

Daheim waren Sie nicht auf Rosen gebettet.

Smeets: Kann man so sehen. Ich musste mit der Mittleren Reife von der Schule abgehen. Die Schulzeit bis zum Abitur wäre zu teuer gewesen. Wir brauchten das Geld für größeren Wohnraum. Gelandet bin ich auf einem Ausbildungsplatz bei der Rheinbahn.

Da sind Sie in eine Männer-Domäne eingebrochen.

Smeets: Nur drei haben den psychologischen Test damals geschafft. Ich war das erste Mädchen in der Firma.

Auch die Partei hat sie nicht gerade ins Himmelbett gelegt.

Smeets: Stimmt. Das war eine Ochsentour. Frauen galten damals noch nicht viel in der SPD.

Nach einer mehrjährigen Übungszeit im Krankenhaus-Ausschuss sind Sie 1969 in den Stadtrat gekommen. Können Sie sich an Ihre erste Rede erinnern?

Smeets: Klar. Da ging es um Fragen des Erbbaurechts. Meinen Sprechzettel musste ich der Fraktionsführung vorher zeigen.

Ganz vorn saßen sie nicht im Plenarsaal.

Smeets: Wessen Name mit "S" beginnt, sitzt automatisch hinten. Das geht auch heute noch nach dem Alphabet bei uns.

Einige Zeit stand mal ein Wechsel in den Landtag zur Diskussion.

Smeets: Da hätte ich vielleicht ein besseres Leben gehabt. Am Ende habe ich mich für die Stadt entschieden. Das ist mein Platz.

Machen wir einen Sprung ins Jahr 1999. Da waren sie fünf Jahre Oberbürgermeisterin. Sie sind als haushohe Favoritin in die Kommunalwahl gegangen.

Smeets: Die SPD hat damals für grauenhafte Anfängerfehler der Regierung Schröder durch Wahlverweigerung bezahlen müssen.

In der Oberbürgermeisterwahl haben sie dagegen einen Sympathiebonus bekommen.

Smeets: Ich hatte 23000 Stimmen mehr als meine Partei.

Das hat aber in der Stichwahl um das OB-Amt nicht gereicht.

Smeets: Ich habe an meinen Sieg geglaubt. Am Ende fehlten mir gegen Joachim Erwin (CDU) 2300 Stimmen. Da brauche ich mich nicht zu schämen. Wir haben alles versucht, um unsere Wähler zu mobilisieren. Die waren aber zu sehr enttäuscht von der Bundesregierung.

Wären Sie gewählt worden, hätten Sie gegen eine bürgerliche Mehrheit anregieren müssen.

Smeets: Das wäre kein Zuckerschlecken geworden. Erwin hätte mir als Fraktionschef das Leben schwer gemacht. Angst aber hatte ich nicht davor.

Kann man als Industrie-Kauffrau eine so große Verwaltung führen?

Smeets: Eine Frage des Managements. Ich hätte mich auf exzellente Leute wie Christoph Blume (heute Flughafen GmbH) oder Herbert Vogt (heute Messe) stützen können.

Was wäre in den letzten fünf Jahren unter einer OB Smeets anders gelaufen?

Smeets: Die Stadt hat unter Erwin ihre Liberalität und Aufgeschlossenheit verloren und Randgruppen nicht mehr im Blick. Ich wäre eine OB für alle gewesen, nicht nur für die Wohlhabenden. Heute ist die Politik zu sehr darauf gerichtet, mit Glamour gut dazustehen.

Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zu Erwin?

Smeets: Er kommt, wenn er mich braucht. Unmittelbar nach der Kommunalwahl war ich mit ihm auf einer lange vorbereiteten USA-Reise. Da hat er mich in die Ecke gestellt; das habe ich nicht vergessen. Als Bürgermeisterin arbeite ich für die Stadt, nicht für ihn.

Die Kommunalverfassung kennt keine Stadtregierung, sondern eher eine Bürgergemeinschaft.

Smeets: Das hat sich unter Erwin geändert. Er hält nicht zusammen, sondern polarisiert.

Die CDU geht mit ihm geschlossen mit.

Smeets: Das sieht nach außen so aus. Intern gibt es aber viele kritische Töne.

In wichtigen Fragen, etwa beim Bau der Arena, stehen Sie aber an der Seite von Erwin und gegen einen Teil Ihrer Ratsfraktion.

Smeets: Ich stehe zu dem Baubeschluss. Wir haben aber einen Fehler gemacht, dass wir Walter Bau mit in die Betreibergesellschaft genommen haben. Da könnte was schief gehen.

Die SPD hat als Opposition keine gute Figur gemacht.

Smeets: Ich glaube, die Fraktion wird unter Wert gehandelt. Sie hat, zugegeben, lange gebraucht, um ihre Rolle zu finden.

Jetzt bewirbt sich Gudrun Hock um das Amt der Oberbürgermeisterin.

Smeets: Eine qualifizierte und sympathische Bewerberin, aber leider noch nicht bekannt genug. Das wird sich ändern, denn sie ist ständig unterwegs.

Wie geht die Kommunalwahl aus?

Smeets: Ich denke, dass die kleinen Parteien dazu gewinnen werden. Das hat sich bei der Europawahl schon gezeigt. Ein Unzufriedenheitspotenzial könnte PDS oder Reps wählen. Demokratische Parteien sollten extreme Gruppierungen durch Kooperation isolieren. Solche Kooperationen aber will der OB nicht. Er hat Angst davor.

Schwarz-Grün ist eine Option.

Smeets: Daran glaube ich nicht.

Woran haben sie gegenwärtig Spaß, was stimmt Sie traurig?

Smeets: Es macht nach wie vor Spaß, etwas für die Stadt bewegen zu können. Traurig stimmt mich, wie sich Gesellschaft und Staat entwickeln. Was wir in der Politik erleben, ist eine Entsolidarisierung.

Auf der anderen Seite streichen Manager Millionenbeträge ein.

Smeets: Die Freisprüche im Mannesmann-Prozess sind eine schallende Ohrfeige für alle, die ihr Leben lang treu gearbeitet haben.

Es heißt, Sie würden nach dem Ausscheiden aus dem Stadtrat den einen oder anderen Aufsichtsratsposten behalten.

Smeets: Das hat der neue Rat zu entscheiden. Ich würde als Aufsichtsrat gern in der Messe oder der Stadtsparkasse weiter arbeiten.

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