Düsseldorf Unterwegs mit dem Rheinbahn-Ufo

Düsseldorf · Nacht für Nacht ist in der Landeshauptstadt ein seltsames Objekt zu beobachten: eine futuristische Schleifmaschine.

 Mit 30 km/h zieht der Unimog die Schleifmaschine durch Düsseldorf (hier über die Grafenberger Allee). Deshalb steht "High Speed Grinding" (Schleifen mit hoher Geschwindigkeit) auf der Seite der Maschine.

Mit 30 km/h zieht der Unimog die Schleifmaschine durch Düsseldorf (hier über die Grafenberger Allee). Deshalb steht "High Speed Grinding" (Schleifen mit hoher Geschwindigkeit) auf der Seite der Maschine.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Es war bisher noch nicht oft vorgekommen, dass ein Fahrzeug der Rheinbahn mit Applaus bedacht wird. Auf der Nordstraße ändert sich das. Bei der ersten Durchfahrt hören Andre Jendrossek und Ercüment Ok ein Raunen, beim zweiten Mal sehen sie Menschen am Straßenrand winken, bei der dritten Runde klatschen die Passanten tatsächlich.

Das Schauspiel von der Nordstraße hat sich inzwischen an vielen Stellen in der Landeshauptstadt wiederholt. Die Düsseldorfer starren, hupen, fotografieren, wenn das jüngste Mitglied der Rheinbahn-Flotte vorüberfährt: der flache, silberfarbene und funkensprühende Schienenschleifer namens HSG-city.

 Ercüment Ok (li.) und Andre Jendrossek im Cockpit des Unimog

Ercüment Ok (li.) und Andre Jendrossek im Cockpit des Unimog

Foto: Endermann, Andreas (end)

HSG steht für High Speed Grinding, also Schleifen mit höherer Geschwindigkeit. Die Maschine, die einem Ufo nicht unähnlich sieht, ist der Prototyp dieses Vorhabens. Er stammt von Vossloh Rail Services, einem Unternehmen, das zuvor Schienenschleif-Maschinen für den großen Bahnverkehr entwickelt hat und nun den Markt für Nahverkehrs-Gleise in Angriff nehmen möchte. Die Rheinbahn nahm das Vorführmodell im April 2014 in Betrieb - zunächst lange Zeit nur auf dem eigenen Gelände. Gemeinsam mit Vossloh hat das Nahverkehrsunternehmen den HSG-city getestet und entwickelt, mittlerweile ist er so gut wie jede Nacht in der Stadt zu sehen.

Jendrossek und Ok fahren sonntags bis donnerstags, ab 21 und in der Regel bis 4 Uhr. Die Piloten des Rheinbahn-Ufos sitzen in einem Unimog, der die Schleifmaschine zieht. Sie starten vom Betriebshof in Lierenfeld oder Heerdt und sind dann auf ihrem Schienenabschnitt des Abends unterwegs. Immer wieder hin und her. Mal auf einem langen Stück, etwa zwischen Vennhauser Allee und Gerresheimer Krankenhaus, mal auf einem überschaubaren Abschnitt zwischen Handweiser und Drususstraße im Linksrheinischen. Schon nach zwei, drei Überfahrten geht die Riffelbildung auf den Schienen zurück, aber erst nach 20 Touren ist das gewünschte Ergebnis auf einer Strecke erreicht: Die Bahnen rollen leiser darüber, und die Gleise halten länger.

Ercüment Ok steuert als Beifahrer die Maschine per Knopfdruck. Auf seinem Monitor sieht er alle wichtigen Daten zu Schleifsteinen und Sauger.

Ercüment Ok steuert als Beifahrer die Maschine per Knopfdruck. Auf seinem Monitor sieht er alle wichtigen Daten zu Schleifsteinen und Sauger.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Wenn Jendrossek die Motorhaube des Ufos - natürlich vollautomatisch - zur Seite fahren lässt, wird die Technik der Maschine erkennbar. Auf einem Balken befinden sich 24 Schleifsteine. Auf Knopfdruck sinken Balken und Steine auf die Schiene hinunter und werden mit 50 bar angepresst. Dann geht es mit 30 km/h durch die Stadt. Ein Satz Schleifsteine hält gut 25 bis 30 Kilometer, dann drehen die Fahrer den Balken und bringen den nächsten Satz auf die Schiene. Sind beide Seiten abgenutzt, montieren die Piloten neue Steine, die immer mit an Bord sind.

Dass der HSG-city rund zwölf Tonnen wiegt, hängt vorrangig mit dem Rest der Maschine zusammen. Um die Schleifsteine herum liegt eine Saugmaschine mit Gummiabdichtung, die alles einzieht, was abgeschliffen wird, und die auch den Funkenflug eindämmt. Dieser massive "Staubsauger" ist mit vier Auffangbehältern verbunden, die jeweils zehn Liter fassen. Ohne den Absauger würde der Schleifer eine Dunstglocke hinter sich herziehen.

 Um die Schleifsteine herum liegt ein Sauger samt Gummiabdichtung, um Abgeschliffenes und Funken aufzufangen.

Um die Schleifsteine herum liegt ein Sauger samt Gummiabdichtung, um Abgeschliffenes und Funken aufzufangen.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Für die Steuerung ist der zweite Mann in der Fahrerkabine zuständig. Er hat einen großen Monitor vor sich stehen, auf dem alle wichtigen Daten der Maschine zu sehen sind: wie viel Prozent von den Schleifsteinen noch vorhanden ist, mit welchem Druck sie anliegen und wie schnell das Zugfahrzeug unterwegs ist. Sobald die Geschwindigkeit 15 km/h überschreitet, drückt der Co-Pilot einen Knopf, damit Schleifsteine und Sauger ihre Arbeit aufnehmen können. Muss der Unimog an einer Ampel halten, drückt er den Knopf wieder und holt die Balken nach oben.

Theoretisch könnte der HSG-city für noch mehr Staunen sorgen. Die Gesamtkonstruktion ist dafür ausgelegt, auch im U-Bahn-Tunnel zu schleifen, für den Brandschutz stehen aber noch Tests und Genehmigungen aus. Deshalb rauscht das Ufo derzeit nur ohne zu arbeiten durch die Düsseldorfer Röhren. Dass dies "nur" mit 30 km/h geschieht, liegt nicht an der Schleifmaschine, sondern am Unimog, der als schienengeführtes Fahrzeug nicht schneller fahren darf. Das Ufo könnte auch 60 und mehr.

Aber auch das jetzt zulässige Tempo hat eine wichtige Wirkung. Jendrossek und Ok biegen gegen 23 Uhr in Flingern von der Erkrather auf die Kettwiger Straße ab, dort fährt zu dieser Zeit auch noch die Linie 706. Ok blickt auf die Anzeigetafel: "Ah, noch acht Minuten", sagt er. "Das reicht locker." Der Fahrer der nächsten 706 wird das Ufo nicht zu Gesicht bekommen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort