Düsseldorf Verdi ehrt Chefs als Gewerkschafter

Düsseldorf · Fast 1000 langjährige Mitglieder ehrt die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi - unter ihnen auch Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) oder Rheinbahnvorstand Klaus Klar, die heute eigentlich Arbeitgeber sind.

Verdi-Geschäftsführerin Stephanie Peifer bei der Jubilarehrung mit Rheinbahnvorstand Klaus Klar, seit 40 Jahren Mitglied der Gewerkschaft.

Verdi-Geschäftsführerin Stephanie Peifer bei der Jubilarehrung mit Rheinbahnvorstand Klaus Klar, seit 40 Jahren Mitglied der Gewerkschaft.

Foto: Jürgen Bauer

Exakt 924 ihrer Mitglieder zeichnete die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aus. Unter ihnen viele einfache Arbeiter und Angestellte, Betriebsräte und Funktionäre, Rentner und bloße Unterstützer. Doch überraschend zählt die Gewerkschaft auch Männer zu den Geehrten, die heute bei Verhandlungen um Tarif oder Lohn auf der anderen Seite, als Arbeitgeber am Tisch sitzen oder saßen. Sie heißen Oberbürgermeister Thomas Geisel, Klaus Klar, Vorstandsmitglied der Rheinbahn und sein Vorgänger an der Rheinbahnspitze, Walther Hülshoff.

Geisel wurde für 25 Jahre in der Gewerkschaft geehrt, ist also 1991 beigetreten. Damals war er Referendar. Aber warum tritt ein Student der Gewerkschaft bei? "Meine Tante war Betriebsrätin, aktiv bei der Vorgängergewerkschaft ÖTV, und die hat mich damals überzeugt", sagt Geisel. Auch sein Vater sei damals schon lange Gewerkschaftsmitglied gewesen. Auch den anderen Traditionsvereinigungen der Arbeiterbewegung, der SPD und der Arbeiterwohlfahrt, sei Geisel damals beigetreten. "Ich habe nie Leistungen von Verdi in Anspruch genommen, es war für mich eher ein Dienst an der Gesellschaft", sagt der heutige OB.

Heute ist Geisel als Chef der Stadtverwaltung der Arbeitgebervertreter des größten Betriebs Düsseldorfs. Konflikte mit den einstigen Kollegen in den Gewerkschaften sind programmiert. So läuft seine Heimatgewerkschaft seit Monaten Sturm gegen die geplanten Stellenstreichungen im Rathaus. Ist das ein Problem? "Es ist sicher leichter eine gemeinsame Sprache zu finden, wenn man selbst Gewerkschafter ist", sagt das Stadtoberhaupt. Heute könnte Geisel auch aus der Gewerkschaft austreten, zumindest Geld bei Streiks dürfte er ohnehin nicht erhalten. Doch er hat andere Pläne. "Ich habe nie daran gedacht auszutreten, da bin ich Traditionalist."

Eine richtig typische Gewerkschaftskarriere hat Rheinbahnvorstand Klaus Klar vorzuweisen. 1976 machte er bei der Rheinbahn eine Lehre zum Kraftfahrzeugschlosser und trat sofort der ÖTV bei, das war für ihn selbstverständlich. Er machte Karriere, Meister, wurde Vorarbeiter, holte ein Studium nach und blieb der Gewerkschaft treu. Auch, als er 2010 Arbeitsdirektor seines Ausbildungsbetriebes und damit Vorstandsmitglied wurde. "Für mich war die Gewerkschaftsmitgliedschaft von Anfang an gelebte Demokratie. Damals hatten wir nur 15 Tage tariflichen Urlaub", sagt Klar. Dass es heute mehr sind, sei ein Verdienst der Gemeinschaft der Gewerkschafter, Klar hat selbst gestreikt, viele Male. Heute führt er die Verhandlungen auf der anderen Seite des Schreibtischs. "Ich brauche die Gewerkschaft heute nicht mehr selbst, aber es wäre ja extrem schräg und unsolidarisch, wenn ich austreten würde, kommt nicht in Frage", sagt Klar. 34 von 40 Arbeitsjahren habe ihm die Gewerkschaft immerhin geholfen. Das vergesse er nie.

Ähnlich ist das bei Walther Hülshoff, von 1992 bis 2000 Vorstandsmitglieder Rheinbahn AG. Vor dem Tod werde er die Gewerkschaft nicht verlassen, sagt der 77-Jährige nach 60 Jahren Mitgliedschaft. Er war lange aktiver Gewerkschafter, leitete die SPD-Betriebsgruppe. Bis er zum Chef wurde, sogar als Mitglieder der Tarifkommission auf Arbeitgeberseite. Fühlte er sich damals als Verräter? "Nein, kein Verräter, ein Vermittler!", sagt Hülshoff.

(tb.)
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