Prinzessin Victoria in Düsseldorf Besuch aus dem Märchenland Schweden

Växjö · Kronprinzessin Victoria besucht die Region. Sie repräsentiert ein Land, nach dem sich die Deutschen sehnen. Sie geben Kindern schwedische Vornamen, lesen schwedische Krimis, essen schwedische Fleischbällchen. Eine Liebeserklärung.

13 Fakten über Prinzessin Victoria
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Schweden knirscht. Småland besonders. Der Sand seiner Landstraßen, der unbefestigten Pisten, die sich über grüne Hügel schlängeln, vorbei an Himbeersträuchern und Heckenrosen, mit Blick auf moorbraune Seen und weiße Wattewolken, zwischen Birken und Eichen hindurch.

Bei genauem Hinhören macht sich der Sand noch heute bei jeder Radtour bemerkbar. Die Körner, die an einem verregneten Julitag vor mehr als 20 Jahren in die Schaltung des Rads sprangen. Irgendwo bei Ingatorp oder Rumskulla. Trotz allem Gebürste und Geöle lassen sie sich nicht entfernen. Sie bleiben.

Victoria von Schweden besucht Hamburg
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Bis zu jener Reise bestand das Land der heutigen Kronprinzessin Victoria und ihres Prinzen Daniel, die heute an den Rhein kommen, für mich nur als Bild im Kopf. Zusammengepuzzelt aus den Vorlesegeschichten der Kindheit, aus Zeichnungen in Büchern, aus Erinnerungsfetzen an Fernsehfilme. Alles erfunden von Astrid Lindgren. Über Bullerbüs Höfe rennen, mit Alfred und Michel Krebse fangen, mit Pippi durch die Gassen toben. Ein endlos unbeschwertes Paradies.

Und dann führt die Reise hinein nach Småland. Man erwartet, dass all die niedlichen Kinderbilder platzen. Doch was passiert? Nichts platzt. Nein, sie sind da, die Häuser mit der roten Farbe aus den Eisengruben von Falun, die gelb blühenden Felder unter blauem Himmel.

Schweden ist ein Sehnsuchtsland. Für Deutsche ganz besonders. Zweistellige Zuwachsraten durch deutsche Touristen verbuchten die Statistiker zuletzt. 9900 Deutsche haben Ferienhäuser in den Wäldern oder in der Inselwelt der Schären. Mia, die schwedische Form von Maria, steht seit Jahren auf vorderen Rängen in den Vornamen-Charts. Deutsche Kinder heißen Lotta, Lasse, Lisbet. Bullerbü und Lönneberga heißen die neuen Eltern-Kind-Büros im Verlagsgebäude der Rheinischen Post.

18 Millionen Billy-Regale verkaufte Ikea in Deutschland — und allein in Deutschland gehen täglich Fleischbällchen und andere nordische Speisen für eine halbe Million Euro über die Ausgabetheken der Möbelhaus-Restaurants. Und was singt Abba dazu? "Money, money, money". Das Geschäft mit der Schweden-Liebe brummt. Wasas Knäckebrot, die Autos von Saab und Volvo, die Kleidung von H&M — überall Schweden in unseren Haushalten.

Doch es gibt auch das düstere Schweden. Das von Henning Mankell, Stieg Larsson und Liza Marklund und all den mörderisch guten Krimi-Schreibern. Der Rechtsradikalismus, der das Land belastet, bricht immer wieder durch. Hooligans wüten. Der Mord an Olof Palme lastet seit 1986 als Trauma auf dem Land. Die Fastfood-Unkultur, die dicken Kinder, die Gameboys und Gewaltvideos, die Drogenprobleme — Schweden kämpft mit Wohlstandsproblemen.

Das Astrid-Lindgren-Schweden aber klettert über Holzzäune, in denen die Stangen schräg stecken, rund geschliffene Felsen, wenn es Pippis Nicht-den-Boden-berühren-Spiel spielt. Dieses Schweden schläft im Sommer spät ein, weil die Nacht kurz ist. Und im langen Winter läuft es Schlittschuh, trinkt Glühwein, backt Zimtschnecken, schleckt rot-weiße Zuckerstangen.

Nur die großen Rasenmäher, auf die sich die Männer samstags — in kongenialer zeitlicher Abstimmung mit emsigen deutschen Autowäschern — schwingen, die kommen in Lindgrens Bildern nicht vor. Genauso wenig wie Zlatan Ibrahimovic und seine Fußball-Kumpane, die aus einem 0:4 in Deutschland noch ein 4:4 machen. Und da hört die Schweden-Liebe dann doch auf.

(RP)
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