Made In Düsseldorf Von Pitch bis Bramme: Jeder Wirtschaftsszene ihren eigenen Sprech

Düsseldorf · Das Rohr aus Stahl ist keine Röhre - das wissen ja noch einige. Aber was ist ein Pitch und warum heißt die Bramme nicht einfach Stahlklotz?

Statistisch wechseln Arbeitnehmer alle vier Jahre ihren Job, macht also zehn Arbeitgeber im Leben. Allerdings wechseln die wenigsten auch die Branche, und so kommt es, dass sich in jeder Sparte eine eigene Sprache entwickelt. Wer sich im Düsseldorfer Netzwerk als Oberbürgermeister, Kammervertreter oder Wirtschaftsredakteur keine Blöße geben möchte, muss sich einen Grundwortschatz in den Branchen der Stadt zulegen. Das ist die Krux in Düsseldorf, nirgendwo in NRW gibt es einen so breiten Mix an Branchen.

Nehmen wir also zum Einstieg die Szene der Düsseldorfer Werber, etwa bei Grey, BBDO, Saatchi und den vielen anderen. Wenn Dickjan Poppema, der Werbehäuptling bei Grey, also sagt, dass "CCO Fabian Kirner den Pitch um XY verteidigt hat", dann klingt das kriegerischer, als es ist. Der CCO soll der Chief Creative Officer sein. Den gibt es im deutschen Handelsrecht zum Glück überhaupt nicht, gemeint ist also der Chef der Kreativen im Hause. Und mit Pitch bezeichnen die Werber schlicht eine Ausschreibung um einen neuen Werbeauftrag. Warum ausgerechnet die Werber als Kommunikationsexperten nicht schaffen, untereinander eine für Dritte nachvollziehbare Sprache zu finden, bleibt schleierhaft. Wahrscheinlich wissen manche Agenturmenschen selbst nicht einmal, was sie meinen, oder wissen Sie was Art Director, Story Board, Opinion Leader oder Gadget sind. Selbst für die eigene Branche haben sie kein konkretes Wort, machen sie nun Werbung, Reklame oder Public Relations (PR)? Wenigstens darauf liefere ich Ihnen eine Antwort: Wenn ein junger Mann ein Mädchen kennengelernt hat und ihr sagt, was für ein großartiger Kerl er ist, so ist das Reklame. Wenn er ihr sagt, wie reizend sie aussieht, so ist das Werbung. Aber wenn das Mädchen sich für ihn entscheidet, weil sie von anderen gehört hat, was für ein feiner Kerl er sei, dann ist das PR.

Einen Vorteil hat die Werbebranche: Mit guten Englischkenntnissen kann man sich Einiges erschließen. Das ist in der Stahlbranche nicht drin. Düsseldorf gilt weltweit als Hauptstadt der Röhrenindustrie. Das weiß jeder und bringt die Menschen in der Branche zur Weißglut. Denn als Röhren bezeichnen diese kleine Leitungen aus Plastik oder Kupfer aus dem Baumarkt. In Düsseldorf aber entstehen riesige nahtlose Röhren für Bohrinseln, Ölpipelines oder Stadien, und die dürfen eben nicht Röhren, sondern müssen Rohre genannt werden. Und die Pressemitteilung des Düsseldorfer Anlagenbauers SMS lässt auch keine Wünsche offen: "Neue Zweistrang-Vertikal-Gießanlage von SMS bei Dillinger setzt Maßstäbe", sie könne "500 mm dicke Brammen für hochwertige metallurgische Güten" herstellen. Applaus, Applaus. Eine Nachfrage ergibt: Brammen sind Stahlklötze und die kommen aus der Zweistrangvertikalgießanlage, wahrscheinlich einer ziemlich großen und teuren Maschine, bei dessen Verkauf SMS-Chef Heinrich Weiss hoffentlich viel Geld verdient hat. Und jetzt fülle ich das "sechste Bein" dieses "Fußes". Auch Journalisten haben ihren Branchensprech.

(RP)
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