Rund ums Rathaus Wahlkampf in Düsseldorf darf provokant sein

Düsseldorf · Die Düsseldorfer CDU reizt mit einem Plakat die Nachbarn – und bleibt im Gespräch. Das Ziel einer Botschaft ist somit erreicht.

Dieses Wahlplakat der CDU sorgt für Diskussionen: Es hängt an Ortsausgängen, wie hier Richtung Erkrath und Hilden.

Dieses Wahlplakat der CDU sorgt für Diskussionen: Es hängt an Ortsausgängen, wie hier Richtung Erkrath und Hilden.

Foto: Endermann, Andreas

Die Düsseldorfer CDU reizt mit einem Plakat die Nachbarn — und bleibt im Gespräch. Das Ziel einer Botschaft ist somit erreicht.

Wer vor der deutschen Wiedervereinigung in West-Berlin war, konnte auf diesen Satz stoßen: "Sie verlassen den amerikanischen Sektor", hieß es in mehreren Sprachen, wenn man sich der Mauer und damit dem sowjetisch kontrollierten Teil Deutschlands näherte. Die Düsseldorfer CDU hat nun, fast ein Vierteljahrhundert später, den Satz für ihre zentrale Wahlkampfbotschaft adaptiert: die Schuldenfreiheit Düsseldorfs. Die ist zwar nur "wirtschaftlich", das heißt, Altkrediten steht höheres Vermögen gegenüber, ist aber ein Alleinstellungsmerkmal unter deutschen Großstädten. Auch bei den kleineren Städten in der Region gibt es nur wenige, die sich als schuldenfrei bezeichnen können.

"Sie verlassen den schuldenfreien Sektor" plakatiert die CDU also an den Ortsausgängen Düsseldorfs. Um die historische Anspielung zu unterstreichen, auch auf Englisch. Die Empörung folgte rasch: Manche sehen darin eine nicht akzeptable Verharmlosung dieses Kapitels deutscher Geschichte. Kritik hagelt es — erwartungsgemäß — von SPD-Politikern. Hingegen zeigen Christdemokraten auch in hoch verschuldeten Nachbar-Städten wie Essen Verständnis für Düsseldorfer Parteifreunde und ihren soliden Etat.

Wie viel Provokation ist im Wahlkampf erlaubt? Aus der Sicht von Kommunikations- und Werbefachleuten so viel, dass darüber geredet wird. Das Ziel hat die CDU erreicht. Sie ist seit Tagen im Gespräch. Sogar mehr als der Rad schlagende OB-Kandidat der SPD, Thomas Geisel. Allerdings besteht besonders bei historischen Vergleichen die Gefahr, dass der Effekt ins Negative kippt. Zwar meinen manche, dass auch Negativ-Werbung eben Werbung sei. Doch im Wahlkampf, der beim Wähler Sympathie erzeugen will, ist das riskant.

Düsseldorf: Das sind die Wahlplakate der Parteien
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Im konkreten Fall hält sich die Kritik in Grenzen, sogar aus den Reihen der Opposition ist Lob zu hören, weil die Idee aus dem Rahmen der meist weichgespülten Wahlkampfbotschaften fällt. Dennoch ist das verblüffend und vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Generation unter 40 mit DDR, geteiltem Deutschland und Sowjetunion mangels eigener Erfahrung nicht wirklich Negatives verbindet.
Den Zusammenhalt mit den Nachbarn wird der Wahlkampf-Coup der CDU allerdings kaum fördern.

Dabei wird die Kooperation bei Regio-Gipfeln, deren Ziel eine Metropolregion Rheinland ist, regelmäßig beschworen. Auch bei der anstehenden Verfassungsbeschwerde gegen den Kommunal-Soli, den steuerstarke Städte wie Düsseldorf, Monheim oder Ratingen an hoch verschuldete Kommunen wie Duisburg oder Essen zahlen sollen, will Düsseldorf mit den meisten Städten im (schuldenfreien!) Kreis Mettmann an einem Strang ziehen. Provokantes ist da kontraproduktiv. Selbst altgediente Kommunalpolitiker können sich nicht an ähnlich polarisierende Plakate erinnern. Persönlich haben politische Konkurrenten allerdings schon immer mit harten Bandagen gekämpft. Besonders heftig ging es vor der OB-Wahl 2004 zwischen Amtsinhaber Joachim Erwin (CDU) und SPD-Herausforderin Gudrun Hock zur Sache, Vorwurf der Steuerhinterziehung inklusive.

Dagegen scheint das Plakat harmlos. Kajo Keil, Urgestein der Düsseldorfer SPD, empfiehlt den Nachbarn, mit Ironie zu kontern: "Sie betreten jetzt die Stadt, die von sich behauptet, schuldenfrei zu sein."

Ihre Meinung? Schreiben Sie der Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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