Düsseldorf Was kommt nach Flingern-Nord und Bilk?

Düsseldorf · Oberbilk, Flingern-Süd, die Gegend um den Bahnhof oder Derendorf - wir wagen die Prognose zu einem neuen Szene-Quartier.

 Die Bar Ellington zieht mit Cocktails und Flair Szene-Menschen ins Quartier am Hauptbahnhof.

Die Bar Ellington zieht mit Cocktails und Flair Szene-Menschen ins Quartier am Hauptbahnhof.

Foto: Endermann

Das Prinzip ist bekannt: Wegen niedriger Mieten und attraktiver Lage ziehen sogenannte Pioniere in bestimmte Viertel und werten diese durch Kultur und Kunst auf. Die Studenten kommen, die Künstler etablieren sich langsam, Restaurants, Cafés und Kneipen entstehen, kleine Läden, Galerien. Feinkost versorgt irgendwann eine besser verdienende Gesellschaft, die zwar immer noch leicht alternativ angehaucht daherkommt, aber doch bürgerlich erscheint. Die Mieten sind inzwischen gestiegen, Hinterhöfe werden verdichtet, Townhouses gebaut. Gut zu beobachten ist das in Flingern-Nord. Doch wie geht es weiter? Wo finden sich heute die Pioniere, was kommt nach dem Quartier um Ackerstraße und Hermannplatz? Wir wagen eine Prognose und beobachten insbesondere vier Stadtteile, die zumindest theoretisch das Potenzial hätten, eine ähnliche Erfolgsgeschichte zu schreiben. Den Immobilien-Unternehmern sei allerdings an dieser Stelle gesagt: Es kann natürlich auch ganz anders kommen.

Oberbilk Das Mietpreisniveau liegt seit Jahren gleichbleibend bei etwa neun Euro pro Quadratmeter. Wohnraum ist also günstig. Tatsächlich ist aber auch das Angebot an Wohnungen noch groß. Allerdings geschieht auf dem Gastronomie- und Kunstsektor wenig. Mit der "Kassette" an der Flügelstraße hat sich eine Szene-Kneipe etabliert. Dort treibt sich auch Ökkes Yildirim um, kunstsinniger Betreiber eines Büdchens an der Ecke Linien-/Flügelstraße. Zart sind die Ansätze, dass sich der Stadtteil verändert. Einzelne Läden gibt es zwar, aber es fehlt ein Zentrum.

Prognose:Seit Jahren schon sagen Optimisten, der Stadtteil kommt. Tut er aber nicht wirklich, auch weil Studenten die Gegend meiden, es gibt seltsamerweise auch kein Studentenwohnheim, obwohl der Stadtteil ideal liegt. Nicht zu vergessen: Die vielen Migranten schrecken manche ab. Oberbilk braucht schlicht mehr Mut, dann könnte es was werden. Und zum Thema Migranten: Berlins Bezirk Neukölln galt auch jahrelang als Problemviertel. Das ist er auch heute noch, doch parallel dazu hat sich eine riesige Szene aus Kneipen, Ateliers und Läden entwickelt. Und das in nur ein paar Jahren.

Bahnhofsgegend Die Mieten sind höher (um die zehn Euro), es gibt ziemlich viele Büros, Gewerbe und die Lage ist günstig. Dies könnte auch der Grund sein, warum das Viertel nicht so wirklich aus dem Quark kommt, auch wenn das gastronomische Angebot schon jetzt bemerkenwert gut ist. Nicht zuletzt die große Zahl asiatischer Restaurants wird über die Grenzen Düsseldorfs hinaus als außergewöhnlich empfunden. Und dazu zählen nicht nur die Japaner. Allerdings fehlt auch dort der Freiraum für Kulturschaffende.

Prognose: Wahrscheinlicher als das Modell Flingern-Nord ist, dass Investoren die Gegend entdecken. Es wird einen Boom geben, sofern große Projekte umgesetzt werden. Eines wäre die Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes. Für eine schicke, angesagte Gegend, in der auch gewohnt wird, gibt es außerdem ein Problem: den Verkehr.

Derendorf Tom Hanks wusste, warum er an der Tannenstraße seine Abende verbracht hat. Gutes Essen, nette Leute - der Stadtteil kommt hübsch daher. Auch die Werbeagentur Grey weiß, warum sie in die ehemalige Ulanenkaserne gezogen ist. Die Mieten im Viertel sind dementsprechend deutlich höher als etwa in Oberbilk oder in der Nähe des Bahnhofs.

Prognose: Zum In-Stadtteil wird Derendorf nicht mehr. Dafür ist er eigentlich schon zu weit. Mittellose Künstler sollten sich in anderen Quartieren umsehen. Natürlich gibt es dort noch Entwicklungsmöglichkeiten, aber Derendorf kommt eigentlich von einem zu hohem Niveau.

Flingern-Süd/Lierenfeld Die Ronsdorfer Straße kommt wieder. Um die Ecke gibt es die Schwanenhöfe, man kann bei guten Portugiesen essen gehen, und es kommt nicht von ungefähr, dass etwa das Street-Food-Festival im März ins Stahlwerk geht. Zudem gibt es dort noch billigen Wohnraum mit schöner Substanz. Künstler kommen in ehemaligen Gewerbehöfen unter, es gibt viele Orte, an denen man theoretisch Außergewöhnliches tun kann. Der Verkehr ist das größte Problem für die Entwicklung des Quartiers: Kettwiger, Erkrather und Gerresheimer Straße sind nicht wirklich attraktiv, doch ein Blick nach Berlin zeigt: Auch die Blaupause für den Strukturwandel eines Stadtteils, Prenzlauer Berg, ist von Verkehrsachsen durchzogen. Es geht also.

Prognose: Dort ist die Wahrscheinlichkeit einer Entwicklung ziemlich groß. Das macht schon die Nachbarschaft zu Flingern-Nord. Nicht unterschätzen sollte man auch Lierenfeld, wo viele Flächen nur darauf warten, von Kulturschaffenden in Besitz genommen zu werden. Das einzige Problem: Es wirkt nicht so kompakt wie etwa Oberbilk, auch Flingern-Süd brauchte ein Zentrum, an dem die Entwicklung zum Szene-Quartier beginnt.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort