Eurovision Song Contest 2011 Was Lena Düsseldorf bringen kann

Düsseldorf · Jan Feddersen, einer der versiertesten Grand-Prix-Kenner Deutschlands, erklärt, wie die Landeshauptstadt den Eurovision Song Contest am besten für sich nutzen kann: indem sie viel Kultur bietet – und ausländischen Gästen das Gefühl vermittelt, willkommen zu sein.

Das ist die Düsseldorfer Esprit-Arena
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Jan Feddersen, einer der versiertesten Grand-Prix-Kenner Deutschlands, erklärt, wie die Landeshauptstadt den Eurovision Song Contest am besten für sich nutzen kann: indem sie viel Kultur bietet — und ausländischen Gästen das Gefühl vermittelt, willkommen zu sein.

Das Paar plante voriges Jahr seine Ferien und landete in Norwegen. Die beiden Männer aus der Nähe Manchesters hatten keinen besonderen Sinn für skandinavische Landschaften, eher wenig übrig für Trockenfisch, Fjorde und einsame Täler. Aber, als glühende Fans des Eurovision Song Contests, fehlte ihnen dieser Ort noch: Bergen. So fuhren sie hin, einzig, um die Mauer der Grieghalle in der westnorwegischen Stadt zu berühren. In dieser fand 1986 dieses Festival statt, in Deutschland meist als Grand Prix Eurovision bekannt.

Einmal, als sei es ein Ausflug in geschichtliche Tiefen, die Plätze besuchen, die sich auf die ewige Landkarte des Eurovision Song Contest eingetragen haben. Bergen — wer würde diese Stadt wirklich kennen, wäre sie nicht einmal der Ort des größten europäischen Pop-Festivals gewesen? Oder Edinburgh, wo 1972 Vicky Leandros für Luxemburg gewann — in der Usher Hall, heute noch ein Konzertsaal, auch diese ein Teil dieser Ruhmeshalle, in der alle wesentlichen Insignien des Grand Prix Eurovision versammelt sein müssen.

Orte machen sich auch ein wenig unsterblich, haben sie wenigstens einmal den Eurovision Song Contest (ESC) ausgerichtet. Nun also Düsseldorf, der krasse Außenseiter. Hat alle rivalisierenden Städte ausgestochen, Berlin und sein nunmehr beleidigter Bürgermeister Klaus Wowereit, auch Hamburg, wo immerhin der für die ARD ausrichtende NDR beheimatet ist, nicht minder Hannover, die Stadt, in der die ESC-Siegerin Lena aufwuchs. Düsseldorf — das war, ehe sich die ARD entschloss, dem Angebot dieser Stadt den Zuschlag zu geben, ungefähr so unwahrscheinlich wie Olympische Sommerspiele in Reykjavik oder die Fußball-WM in Ungarn. Irgendwie, was die Vorstellungen im Ausland anbetrifft, zu klein, um gekannt zu werden.

Düsseldorf ist kaum kleiner als Oslo, wo Lena im Mai gewinnen konnte. Dabei wurde der ESC vor einem halben Jahr, um genau zu sein, gar nicht in Oslo ausgetragen, sondern in Baerum, einem Vorort der Hauptstadt Norwegens, der allerdings ein Fußballstadion hat, das reichlich Zuschauer fassen kann. Das spielte aber keine Rolle — Oslo stand zwei Wochen im Mai im Zeichen des ESC.

Helsinki, gastgebender ESC-Ort 2007, gab allen aus dem Ausland eintreffenden Besuchern einen Stadtplan mit auf dem Weg, in dem alle Cafés, Discos und Treffpunkte von Schwulen verzeichnet waren — man wusste in Finnland präzise, dass die Fans, die gewöhnlich eine Reise zum ESC buchen, schwul sind und den ESC auch als Christoper Street Day des Popjahres nehmen.

Auf Düsseldorf kommt mithin das zu: Tausende Fans aus gut drei Dutzend europäischen Ländern, von denen die meisten zwei Wochen bleiben werden, konsumfreudig und partywillig obendrein. 4000 Journalisten. Delegationen aus etwa 40 Ländern, die viel Zeit in Düsseldorf zu verleben haben. Wer zwei Wochen vor dem Finale in die Proben geht, hat nach den Bühnentrainings Tage nichts zu tun. Düsseldorf, so die Erfahrungen anderer Städte, muss viel Kultur bieten, um sich nicht als desinteressiert und langweilig zu präsentieren.

Mit einer Fußball-WM kann sich ein ESC nicht messen — aber da die Veranstalter auf Tausende Besucher aus den Niederlanden und Belgien hoffen, kommt es darauf an, nicht allein den Finalabend (14. Mai), sondern bereits die Qualifikationsrunden am 10. und 12. Mai ernst zu nehmen. Außer für Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien, für das Finale als größte Eurovisionszahler gesetzt, sind für alle anderen Länder die Halbfinale die Höhepunkte: Dort muss man sich für das Finale qualifizieren.

Ob Düsseldorf ein legendärer Ort des ESC wird, wie etwa Helsinki, ist natürlich offen. Was die Stadt, will sie in Erinnerung bleiben, tun kann, ist eine metropole Inszenierung, die allen Gästen, auch denen aus Osteuropa mit den weniger gefüllten Portemonnaies, das Gefühl gibt, über die Runden kommen zu können. Eine Stadt unter ESC-Flaggen sollte sie sein, in der aus allen Kneipen und Cafés Klänge kommen, die spezifisch auf die aus- und inländischen Gäste ausgerichtet sind: Mit Punk oder Karnevalsmucken lockt man in diesem Umfeld kein Publikum.

Falsch machen kann man dabei fast nichts — nur öffentliches Desinteresse am Event selbst wäre misslich. Im Fernsehen selbst, bei den Halbfinals wie beim Finale, wird Düsseldorf schließlich hinter den Shows "verschwinden": Dann geht es nur um Lieder, Auftritte, Moderationen und anderes, was man aus dem Fernsehen kennt. Das Wichtigste ist, den Gästen in Erinnerung zu bleiben, dem Fernsehpublikum sich als Chiffre einzuprägen: Düsseldorf — war das nicht diese tolle Stadt, in der dieser wunderbare ESC 2011 stattfand? Da müssen wir hin — mal gucken, wie das da so aussieht!

(RP)
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