Wetterwarte am Flughafen Düsseldorf Der einsamste Job der Stadt

Düsseldorf · Wenn die meisten Menschen den Heiligabend mit ihren Lieben verbringen, wird Thomas Schwiersch Sonntagmittag seinen Dienst in der Wetterwarte am Flughafen antreten.

Das Licht macht Schwiersch nur selten an, nicht einmal in der Nachtschicht. Ihm genügt das Licht der Monitore mit den Wetterdaten.

Das Licht macht Schwiersch nur selten an, nicht einmal in der Nachtschicht. Ihm genügt das Licht der Monitore mit den Wetterdaten.

Foto: Bretz Andreas

Neben den Monitoren stehen zwei kleine Lichter-Bäumchen auf dem Schreibtisch, einen großen Teller mit Keksen und Lebkuchen hat Thomas Schwiersch mitgebracht und ein bisschen Vorrat in der bunten Keksdose - für sich und seine Kollegen, die er aber nur sieht, wenn Schichtwechsel ist. Im Hintergrund läuft der Fernseher, manchmal hört der 48-Jährige tagelang keine menschliche Stimme, wenn er in seinem Büro sitzt, am Flughafen, weit weg von Koffern und Maschinen und Touristen und Stress.

Vor jedem Dienstbeginn muss er durch die Sicherheitskontrolle, gute zehn Minuten braucht er mit dem Auto über das Vorfeld, vorbei an den Frachthallen und dem Bahnhof am Airport, bis er an dem kleinen grauen Häuschen angekommen ist, wo er seit mehr als 20 Jahren arbeitet. Er ist stellvertretender Leiter der Wetterwarte am Flughafen, sechs Kollegen hat er, mit denen er sich die drei Schichten am Tag teilt. Die Wetterwarte ist sieben Tage die Woche 24 Stunden besetzt. An Ostern und Silvester, an Weihnachten und in den Ferien. Das Wetter macht keine Pause.

Das kleine Betonhäuschen fernab von Terminal und Rollfeld ist der Arbeitsplatz von Thomas Schwiersch. Seit 20 Jahren arbeitet er in der Wetterwarte am Airport. Auch an Heiligabend hat er Dienst.

Das kleine Betonhäuschen fernab von Terminal und Rollfeld ist der Arbeitsplatz von Thomas Schwiersch. Seit 20 Jahren arbeitet er in der Wetterwarte am Airport. Auch an Heiligabend hat er Dienst.

Foto: Bretz Andreas

Wenn die anderen an Heiligabend einen Spaziergang machen, die letzten Geschenke verpacken und irgendwann mit ihren Familien am Tisch sitzen und Gans essen oder Würstchen mit Kartoffelsalat, wird Thomas Schwiersch um 12 Uhr seine Schicht antreten, das Wetter im Blick behalten und Butterbrote essen. Freiwillig hat er sich gemeldet für diesen Dienst, am nächsten Tag ist er wieder dran, in der Früh. "Danach beginnt für mich Weihnachten", sagt Schwiersch, der den vielleicht einsamsten Job der Stadt hat.

Früher, als die Wetterwarte am alten Tower war und die Wetterberatung noch in Düsseldorf angeboten wurde, war das Team größer. 35 Mitarbeiter gehörten dazu, "vor zehn Jahren sind die Meteorologen dann nach Essen gegangen", sagt Schwiersch, der Wetterdiensttechniker beim militärischen Wetterdienst gelernt hat.

 Allein steht der Wetterdiensttechniker oft auf dem Balkon des Betonhäuschens, um sich die Wolkenschichten anzuschauen und den Niederschlag zu bewerten.

Allein steht der Wetterdiensttechniker oft auf dem Balkon des Betonhäuschens, um sich die Wolkenschichten anzuschauen und den Niederschlag zu bewerten.

Foto: Bretz Andreas

Übriggeblieben sind sieben Leute, die das Wetter beobachten und die Informationen dokumentieren. Alle 30 Minuten schreibt Schwiersch eine Luftfahrtmeldung, verschlüsselt in Zahlen- und Buchstabencodes, die jeder Pilot der Welt versteht. Nicht, um den Passagieren an Bord zu sagen, dass es in Düsseldorf wolkig ist und die Temperatur bei drei, zehn, 20 oder 30 Grad liegt. Wichtig sind für sie die Sicht und der Wind. Außerdem sendet Schwiersch stündlich einen Bericht an den Deutschen Wetterdienst und an die Flugsicherung. Manchmal auch öfter, wenn sich die Wetterlage dramatisch ändert. Diese Daten werden in der ganzen Welt verbreitet, um Vorhersagen zu machen.

Vier Monitore leuchten grell in dem dunklen Büro, das Licht macht er nur selten an. Wenn er Dienstpläne ausfüllen muss oder Papierkram erledigt. Eine Reihe der Neonlampen an der Decke brennt gar nicht mehr, nicht mal in der Nachtschicht will Schwiersch es hell haben. "So sehe ich besser nach draußen", sagt er. Und oft steht er auf dem Balkon, der sich um das graue Betonhaus zieht, um sich die Wolkenschichten anzuschauen und den Niederschlag zu bewerten. Die Aussicht auf den Flughafen, die vielen kleinen Lichter am Boden, die Flugzeuge nimmt er nach so vielen Jahren gar nicht mehr wahr.

Normal ist es auch, dass Thomas Schwiersch an Weihnachten arbeiten muss, daran hat er sich gewöhnt. "Wir haben eine Urlaubssperre über die Feiertage", sagt er. Jeder im Team muss ran. Wenn er morgen um 20 Uhr Feierabend macht, wird er seine Ex-Lebensgefährtin und ihre Enkel besuchen, nicht lang, um 3.30 Uhr klingelt am 25. Dezember schon wieder der Wecker, Dienstbeginn ist um 6 Uhr. Ein Taxi wird er sich ausnahmsweise nehmen an dem Morgen, "die Öffentlichen fahren nicht so häufig". Sechs Stunden dauert der Frühdienst, danach beginnt für ihn Weihnachten. Einen Truthahn wird er machen, seinen Bruder und die Freunde hat er eingeladen, wie jedes Jahr. Vier Stunden muss der Vogel in den Ofen bei 150 Grad, "um 19 Uhr ist alles fertig", sagt der 48-Jährige.

An Silvester und Neujahr hat er diesmal frei, vier oder fünf Jahreswechsel aber sicher schon in der Wetterwarte am Flughafen verbracht. So genau weiß Thomas Schwiersch das gar nicht mehr. Eines weiß er aber sicher: "Der Frühdienst an Neujahr ist schlimmer." Einsam ist sein Job an Weihnachten, sagt Schwiersch. Und einsam auch das ganze Jahr über. Aber er macht seinen Job gerne, er mag die Schichten, hat zwischendurch freie Tage, trifft nicht jeden Tag dieselben Leute in der Bahn. "Ich komme gerne morgens nach Hause und habe frei, wenn die anderen losmüssen", sagt Schwiersch.

(RP)
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