Kündigungen wegen Eigenbedarfs Düsseldorfer fachen Debatte über Mieterschutz an

Düsseldorf · Ein Eigentümer kündigt acht Wohnungen in Düsseldorf wegen Eigenbedarfs. Der Fall beschäftigt nun die Politik. Das Wohnungsamt rät zum Handeln.

 Familie S. muss ihre Wohnung in Unterbilk verlassen. Sie berichtet über ihren Fall nun einem Ausschuss des Stadtrats.

Familie S. muss ihre Wohnung in Unterbilk verlassen. Sie berichtet über ihren Fall nun einem Ausschuss des Stadtrats.

Foto: Andreas Endermann

Ein aktueller Fall belebt die Diskussion um gesetzlichen Schutz von Wohnraum. Acht Mietwohnungen fallen in Unterbilk weg, weil ein Hauseigentümer den Mietern gekündigt hat. Auf den insgesamt 400 Quadratmetern soll nur noch dessen Familie wohnen, einen Teil der Fläche will er gewerblich nutzen. Das Wohnungsamt rät zu einer Zweckentfremdungssatzung, um solche Fälle zu verhindern - und bringt damit ein Reizthema in der Kooperation aus SPD, Grünen und FDP wieder auf die Tagesordnung.

Familie S., die zu den gekündigten Mietern gehört, hat sich an die Politik gewandt. Sie lässt ihren Fall am Mittwoch im Anregungs- und Beschwerdeausschusses diskutieren. Das Gremium steht allen Bürgern offen. Es geht Familie S. nicht um ihren Fall, für den eine neue Regelung wohl sowieso zu spät käme, daher will man auch Namen und Adresse nicht veröffentlichen. "Man könnte andere Familien vor einem ähnlichen Vorgehen bewahren", schreibt sie.

Familie S. mit inzwischen zwei Kindern wohnt demnach seit 20 bzw. 16 Jahren in der Wohnung. Nach einem Eigentümerwechsel sei Anfang 2016 die Kündigung auf Eigenbedarf gekommen. Laut dem Schreiben an die Politik will der Eigentümer drei der Wohnungen in Ateliers umwandeln. "Dadurch wird konkret unter anderem unser Wohnraum zerstört und dem Wohnungsmarkt entzogen", schreibt S.

Politisch gewinnt der Fall an Fahrt, weil das Wohnungsamt überraschend deutlich dem Paar beispringt. Es handele sich um eine "klassische Variante" der Zweckentfremdung, wie sie insbesondere bei repräsentativen Altbauten zu beobachten sei, schreibt Amtsleiter Thomas Nowatius. Für eine Mischnutzung mit freiberuflicher Tätigkeit bedürfe es in der Regel keiner besonderen Genehmigung.

Eine Statistik darüber, wie viele Fälle es gibt, führt das Amt offenbar nicht. Derzeit könne man solchen Vorhaben nicht "wirksam begegnen". Nowatius regt eine Satzung an, wie es sie in Köln, Bonn, Dortmund und Münster gibt. Die Zweckentfremdungssatzungen in diesen Städten schreiben vor, dass Eigentümer eine Genehmigung brauchen, wenn sie Wohnungen zum Beispiel gewerblich nutzen, lange leer stehen oder abreißen lassen wollen. "Die Erhaltung angemessenen, preisgünstigen Wohnraums" sei in öffentlichem Interesse.

Das stößt bei SPD und Grünen auf offene Ohren. Beide Parteien hatten die Satzung im Wahlkampf gefordert. Das Thema fiel aber den Verhandlungen mit der FDP zum Opfer - in der Kooperationsvereinbarung ist davon nichts zu lesen. Vom Tisch ist das Thema trotzdem nicht, sagt SPD-Ratsherr Matthias Herz. "Wir halten die Satzung angesichts des Wohnungsmangels für dringend geboten." Sie helfe auch gegen Vermietung mit der Internet-Plattform AirBnB. "Es wäre falsch, das Instrument nicht zu nutzen", meint Herz.

Im Stadtrat fehlt aber eine Mehrheit. Denn die FDP zweifelt immer noch am Sinn der Satzung. Ratsherr Rainer Matheisen verweist auf eine Studie der Landesregierung, in der die Städte mit einer Satzung angeben, diese habe nichts gebracht. Zudem erfordere sie viel Bürokratie, schränke die Rechte von Eigentümern ein und führe zu ungewollten Folgen, etwa, dass möbliertes Wohnen teurer wird. "Günstigen Wohnraum schafft man nur durch Bau von Wohnungen", so Matheisen.

(arl)
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