Lara und Fee aus Düsseldorf Wenn Rassismus zum Alltag gehört

Düsseldorf · Lara und Fee haben eine deutsche Mutter und einen nigerianischen Vater. Die Eltern wollen nicht, dass sich die Mädchen wegen ihrer Hautfarbe anders fühlen. Doch in der Straßenbahn fassen ihnen Fremde aufdringlich in die Haare.

 Fee (7) und Lara (10) leben mit Eltern Milena und Vater Femi in Düsseldorf. Während 80 Prozent der Begegnungen positiv seien, gebe es leider auch die 20 Prozent, die ein komisches Gefühl zurücklassen, betont die Mutter.

Fee (7) und Lara (10) leben mit Eltern Milena und Vater Femi in Düsseldorf. Während 80 Prozent der Begegnungen positiv seien, gebe es leider auch die 20 Prozent, die ein komisches Gefühl zurücklassen, betont die Mutter.

Foto: Andreas Endermann

Wenn Lara und Fee mit dem Bus oder der Straßenbahn durch Düsseldorf fahren, dann passiert es immer mal wieder, dass ein Erwachsener spontan den beiden Mädchen in die Haare greift. "Die Leute wollen einfach mal herausfinden, wie sich solch krause Haare anfühlen", erzählt ihre Mutter Milena. Und dabei überschreiten die Menschen offensichtlich jede Hemmschwelle, "und es ist auch egal, ob ich dabei bin oder nicht", fügt die 37-Jährige hinzu. Die sieben und zehn Jahre alten Mädchen mögen es gar nicht, wenn ihnen wildfremde Menschen, ohne zu fragen, in die Haare fassen. Das gehöre sich nicht, sagen sie, und obendrein bringe es ihre schönen Frisuren durcheinander. Lara, die ältere der beiden Schwestern, geht bei drohenden Haar-Attacken inzwischen in die Offensive und sagt keck: "Anfassen kostet einen Euro." Wenn sie tatsächlich für jeden unwillkommenen Griff an den Kopf Geld bekommen hätte, wäre ihr Sparschwein wahrscheinlich schon voll. So aber hat ihr Spruch zumindest manchmal abschreckende Wirkung.

"Nicht-Deutsche"

Lara und Fee sind in Düsseldorf geboren. Sie haben eine deutsche Mutter und einen Vater, der aus Nigeria stammt und im Jahr 2004 aus den USA nach Deutschland gezogen ist. Die Mädchen sind das, was man umgangssprachlich "Afrodeutsche" nennt. Sie könnten mit Nachnamen auch Müller oder Schmidt heißen, sie würden aufgrund ihrer Hautfarbe wohl häufig zunächst als "Nicht-Deutsche" wahrgenommen. Damit geht es ihnen ähnlich wie etwa dem Fußballer Jérôme Boateng, der ebenfalls eine deutsche Mutter und einen afrikanischen Vater hat. Der deutsche Nationalspieler musste sich abschätzige Äußerungen gefallen lassen. Er wurde von dem AfD-Vize Alexander Gauland als Beispiel genommen, um zu zeigen, dass neben solchen Menschen seiner Ansicht nach niemand wohnen wolle.

Der Alltagsrassismus in NRW hat seit der Flüchtlingsdebatte und durch ein stärker werdendes rechtspopulistisches Spektrum deutlich zugenommen, bestätigt die Vorsitzende des Afrikanischen Dachverbands in NRW (AdV), Rosa Lyn Dressman. Derzeit würden Menschen anderer Hautfarbe gehänselt und blöd angeschaut, aber auch verbal attackiert. Besonders schwer hätten es dabei Afrodeutsche. Sie werden weder als Deutsche noch als Afrikaner wahrgenommen, sagt Dressman, die vor 15 Jahren aus Nigeria nach NRW kam. Einer dunkelhäutigen Bekannten etwa sei es im Studium passiert, dass die Dozentin in Frage stellte, dass sie die Person mit dem deutschen Nachnamen sei - denn schließlich sei sie schwarz und müsse demnach auch anders heißen. "Sonst kann man das gar nicht mehr auseinander halten", soll die Dozentin gesagt haben. Dressman stellt fest: "Da muss man emotional erstmal mit zurechtkommen."

Mit Rassismus im Alltag ist ab und an auch Laras und Fees Familie konfrontiert. "Seltener in unserem Stadtviertel - hier kennen uns alle -, sondern mehr, wenn wir uns von hier wegbegeben", sagt Milena. Und besonders heftig sei es, wenn die ganze Familie unterwegs sei. Dann seien die Vier schon schlimm beschimpft worden, zum Beispiel als "asoziales Pack".

Solche Anfeindungen bleiben nicht ohne Folgen. "Als gemischte Familie lernt man, sich an Vorschriften zu halten", berichtet die Düsseldorferin. Denn man will nicht zusätzlich auffallen, schon gar nicht in einem negativen Kontext. Doch trotz allen Bemühens, so schildert es Milena, könne sich ihre Familie nicht ganz vor Anfeindungen schützen. Selbst wenn sie sich an alle Regeln penibel halte, gebe es den ein oder anderen, der meint, sie anpöbeln zu müssen. Als die Vier in Oberkassel mit dem Rad unterwegs waren, habe sie ein Paar rigoros beschimpft, als "Neger" und "Abschaum". Auch wenn sie versuche, sich nicht zu sehr darüber zu ärgern, sei ihr das als eines der schlimmsten Erlebnisse in Erinnerung geblieben, sagt Milena.

"Warum werden wir so angestarrt?"

Als Eltern können sie aber nicht verhindern, dass Lara und Milena mit dem Thema Rassismus in Berührung kommen - je älter die beiden werden, umso mehr werden sie sich der Blicke und Hänseleien bewusst. "Es wird viel geguckt", sagt Milena. "Und manchmal fragen die Mädchen, warum sie so angestarrt werden." Darauf eine Antwort zu finden, sei für die Erwachsenen nicht so leicht. "Als Babys finden viele schokobraune Kinder noch süß, aber irgendwann schlägt das um", erzählt Milena. Im Kindergarten seien die Mädchen von Gleichaltrigen als "Kackwurst" bezeichnet worden - und das habe keine Konsequenzen gehabt. "Da habe ich mich unverstanden gefühlt", sagt Milena. Denn die anderen Kinder kämen ja nicht allein auf solche Wörter. Als etwas Ähnliches in der Grundschule passierte, hätten die Lehrer darauf reagiert. "Das fand ich richtig", sagt Milena.

Während 80 Prozent der Begegnungen positiv seien, gebe es leider auch die 20 Prozent, die ein komisches Gefühl zurücklassen. Ausgerechnet bei Behörden sei sie auf wenig Toleranz gestoßen, sagt Milena. Als Lara auf die Welt kam und sie die Geburt registrieren lassen wollte, wurde es unangenehm, als das Thema auf die Wahl des Familiennamens kam. Femi und Milena sind nicht verheiratet und hatten entschieden, dass Lara den Nachnamen ihres Vaters bekommen sollte. "Doch die Sachbearbeiterin meinte, dass ich mir das noch mal überlegen solle", so erinnert sich Milena. Denn die schwarzen Männer würden ja eh alle abhauen. "Solchen Vorurteilen begegnet man leider immer mal", sagt Milena.

"Toleranteste Gesellschaft"

Ihr Mann Femi, der einige Jahre in den USA gelebt hat, findet es hingegen "sehr human" in NRW. In den USA würde man als Schwarzer manchmal gar nicht bedient. "Deutschland ist für mich die toleranteste Gesellschaft, in der ich bislang leben durfte." Es sei wichtig, einander kennenzulernen und nicht nach Äußerlichkeiten zu urteilen, findet er. Aus der Erziehung haben Femi und Milena das Thema Hautfarbe herausgelassen. "Wir wollten nicht, dass sich die beiden irgendwie anders fühlen. Es kommt doch nicht darauf an, ob jemand grün, gelb, orange oder lila ist", sagt die zweifache Mutter. Es gebe leider immer Kinder, die gehänselt würden: mal sei es die Brille, mal das Gewicht oder die Größe. "Wenn wir jemanden beschreiben, dann mit anderen Eigenschaften."

(RP)
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