Kolumne Mein Düsseldorf Wer bremst, verliert: Fahrrad-Pendler wollen freie Fahrt

Düsseldorf · Gerne klopft Rot-Grün sich auf die Schulter und vermeldet stolz vermeintliche Erfolge beim Ausbau des Radwegenetzes. Das zu fördern ist natürlich richtig und sicher ein löblicher Anfang. Aber es wird noch lange dauern, bis radelnde Menschen wirklich überall außer Lebensgefahr durch die Innenstadt fahren. Jedenfalls klingt es wie purer Zynismus, die Landeshauptstadt als fahrradfreundlich zu bezeichnen. Sie will es werden, gewiss - aber dieser Weg ist noch weit und wird erschwert durch mentale Steigungen und verkehrspolitischen Gegenwind.

Die Stadt wäre gut beraten, wenn sie auch das Thema "Radfernstrecken" ernster nehmen würde. Als ersten Schritt könnte man Verantwortliche einmal frühmorgens auf einen der Radwege entsenden, die aus umliegenden Gemeinden in die Stadt führen. Welchen man unter die Lupe nimmt, ist eigentlich egal - das Bild dürfte überall dasselbe sein. Eine wachsende Zahl von Pendlern (meist sind es übrigens Männer!) ist dort in die Stadt unterwegs (und abends hinaus), ausgerüstet mit hochwertigen Fahrrädern, oft E-Bikes, und stets mit hohem Tempo. Die Kleidung ist zweckmäßig, nur selten trägt man Helm und Windjacke zu Stoffhose, Jackett und Krawatte. Der fast immer mitgeführte Rucksack lässt ahnen, dass darin die Bürokluft steckt.

Aber leider sind diese Leute auf Strecken unterwegs, auf denen auch Freizeitradler, Jogger, Spaziergänger mit und ohne Hund, Nordic-Walker und andere Zeitgenossen laufen, traben, gehen oder schlendern. Und denen ist, anders als den Pendlern, die Zeit gerade mal ziemlich egal. Also sind Konflikte programmiert - und es gibt sie täglich: Wer schnell von A nach B will (oder muss), für den ist jeder andere ein Hindernis. Keiner hat Lust in die Eisen zu gehen und sich nachher wieder auf flottes Tempo nach oben zu strampeln. Da wird geschimpft, gepöbelt, gescheucht, im Weg stehende Hunde werden angefahren, Spaziergänger zum Sprung in die Böschung genötigt. Dass es bald zu schweren Unfällen kommen wird, ist jedem klar, der ein mit über 40 km/h vorbeizischendes E-Bike sieht und sich vorstellt, was passiert, wenn es mit einem Musik hörenden und daher ahnungslosen Fußgänger kollidiert. Die gängigen Routen sind zur Radler-Autobahn geworden - nur, dass auf diesen Schnellstraßen eine Menge anderer, viel langsamerer Leute ebenfalls des Weges sind.

Regeln werden meist ignoriert, derzeit gilt das Recht des Stärkeren/Schnelleren und eine Lösung ist nicht in Sicht. Denn die meisten dieser Strecken sind in Zeiten angelegt worden, als keiner ahnte, zu welchem Gedränge es da mal kommen würde. So oder so - auf die Stadt rollt etwas zu. Sie wird nicht ausweichen können, vor allem, wenn es erste Unfälle gegeben hat. Immerhin wurden noch keine Staus beobachtet, aber reichlich Geisterfahrer jeden Tag - denn nicht alle fahren rechts, sondern flitzten fröhlich da lang, wo sie meinen, am besten durchzukommen. Übrigens gern mit aufgeblendeten LED-Lichtern, die an einen Porsche auf der linken Spur der A 3 erinnern.

An diesen schönen Frühlingstagen herrscht dort morgens und am frühen Abend jedenfalls die pure Anarchie mit nur einer Regel: Wenn's geht, nicht bremsen!

(RP)
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