Debatte in Düsseldorf Werden Lehrer-Empfehlungen beim Schulwechsel wieder bindend?

Düsseldorf · Die Gutachten, in denen steht, für welche weiterführende Schule ein Viertklässler geeignet ist, könnte wieder verbindlicher werden. Viele Pädagogen und Eltern begrüßen das, andere halten die Wahlfreiheit für ein wichtiges Recht.

 Hannah (vor der Carl-Sonnenschein-Schule) wechselt auf das Gymnasium. Mutter Merle Baufeld ist wichtig, dass Eltern ein Mitspracherecht haben.

Hannah (vor der Carl-Sonnenschein-Schule) wechselt auf das Gymnasium. Mutter Merle Baufeld ist wichtig, dass Eltern ein Mitspracherecht haben.

Foto: H.-J. Bauer

Dürfen Düsseldorfer Eltern bald nicht mehr bestimmen, auf welche weiterführende Schule ihr Kind geht? Die Gutachten mit den Empfehlungen der Lehrer könnte wieder verbindlicher werden. Viele Pädagogen und Eltern begrüßen das, andere halten die Wahlfreiheit für ein wichtiges Recht.

Hannah kann sich freuen. Vom Spätsommer an wird für sie an einem Düsseldorfer Gymnasium ein neuer Lebensabschnitt beginnen. Die Viertklässlerin ist eine gute Schülerin. "Uneingeschränkt" haben sie die Lehrer der katholischen Carl-Sonnenschein-Schule in Düsseltal an die mit Abstand beliebteste Schulform empfohlen. "Natürlich freuen wir uns und sind sicher, dass sie dort genau richtig aufgehoben ist", sagt Mutter Merle Baufeld.

Doch so glatt wie bei den Baufelds läuft es nicht immer. Je nach Leistungsstand und Lernkompetenz sprechen die Pädagogen nur eine "eingeschränkte" Gymnasialempfehlung aus oder eine für andere Schulformen. "Der Druck bei den Eltern ist enorm", weiß Birgit Nösser, Leiterin der Düsseltaler Grundschule. Sie setzt auf das Gespräch und auf gute Argumente.

"Oft folgen die Eltern dem, was wir sagen und schreiben - aber eben nicht immer. Auch bei uns gibt es Mütter und Väter, für die der Besuch eines Gymnasiums alternativlos war", sagt die Pädagogin, die eine Wahlfreiheit der Eltern grundsätzlich befürwortet.

Mit den Folgen der Entscheidungen in der vierten Klasse muss sich Michael Salzwedel (62) beschäftigen. Bis 2017 leitete der heutige Vize-Leiter des Luisen-Gymnasiums die Erprobungsstufe, also die fünften und sechsten Klassen. "Pro Jahrgang kommen etwa um die 15 oder 20 Prozent Kinder, die nur eine eingeschränkte Empfehlung oder eine für die Realschule haben", sagt er.

Natürlich gebe es Spätzünder, "aber das Risiko, dass Kinder ein unnötiges Scheitern erleben, ist hoch". Der erfahrene Pädagoge befürwortet deshalb die mögliche Erhöhung der Verbindlichkeit. "Das muss nicht auf ein hartes Entweder-Oder hinauslaufen, aber es ist nun mal so, dass die meisten Grundschullehrer die Kinder treffsicher einschätzen." Damit gibt der Lehrer wieder, was viele leitende Pädagogen an den Gymnasien denken.

"Wenn der Übergang von einer Schulform auf die andere erwünscht ist und jederzeit möglich bleibt, halte ich verbindlichere Gutachten für richtig", sagt Corinna Lowin, Leiterin des Max-Planck-Gymnasiums. Im Kern gehe es darum, jungen Menschen "ein vermeidbares Versagen mitsamt den Folgen für ihr Selbstbewusstsein" zu ersparen. Bildungsgerechtigkeit bedeute, die Potenziale eines Kindes auszuschöpfen. "Das Abitur ist kein Muss, zudem führen viele Wege zur Hochschulreife", sagt Lowin.

"Wir haben bei diesem Thema keine einheitliche Meinung", sagt Antje Schuh, Vorsitzende der Elternschaft Düsseldorfer Schulen (EDS). Sie selbst würde mehr Verbindlichkeit schätzen. "Aber etwa drei Viertel meiner Kollegen aus den Pflegschaften betonen die Wahlfreiheit und würden es lieber lassen wie es ist", sagt sie. Dazu tendiert auch Merle Baufeld und erinnert sich an eine Verwandte.

"Den Eltern wurde damals gesagt: Seien Sie froh, wenn ihre Tochter die Hauptschule schafft. Heute ist sie Konrektorin einer Schule." Kaum ein Elternteil wolle, dass ihm eine so weitreichende Entscheidung diktiert werde. Eine höhere Verbindlichkeit der Gutachten sieht die Mutter eher als "ein Steuerungsmittel, um den Strom auf die Gymnasien einzudämmen". Am Ende erhöhe sich dadurch der Druck auf Schulleiter und Klassenlehrer erheblich. "Und das würden auch die Kinder spüren."

(jj)
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