Heimatreport "White Max": In Lörick steht Düsseldorfs höchstes Wohnhaus

Düsseldorf · Das White Max steht mitten im Düsseldorfer Bürogebiet Seestern und hat eine "Waschlounge" im 18. Stock. Auch Rapper Kollegah soll hier wohnen.

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Foto: Endermann, Andreas

Wer wohnt hier?!", fragte die Frau, Mitte fünfzig, und sah mich ratlos an. Dann schlossen sich die Türen und der Aufzug stieg hoch. Ich kannte die Frau nicht. Den Aufzug hatten wir zufällig gemeinsam betreten. Ihre Frage konnte ich nicht beantworten, weil ich, wie sie, in dem Haus nie zuvor gewesen war. Ich teilte aber ihr Erstaunen.

Denn dieses Haus namens "White Max", über das ich später las, es sei mit seinen 18 Stockwerken das höchste Wohnhaus von Düsseldorf, wirkte surreal. High Tech gepaart mit der Reinlichkeit einer Intensivstation. Keine Gebrauchsspuren. Nichts, was daran erinnerte, dass hier Hunderte Menschen wohnten, und das mitten in Lörick, mitten im Bürogebiet Seestern, an der Ecke zur Straße, die Am Seestern heißt und die dem Bürogebiet seinen Namen gab.

 Das White Max steht mitten im Bürogebiet Seestern, in dem Tausende Menschen ihren Arbeitsplatz haben.

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Foto: Andreas Bretz

Über den Seestern ist bekannt, dass hier 10.000 Menschen arbeiten, dass hier zig Global Player ihren Sitz haben. Ein Paradies der langen Flure, Konferenzräume, Lenkungsgruppen, Meetings ohne Ende. Mittags kann man sehen, wie Arbeitnehmer jeden Alters, meist dunkelblau, grau oder schwarz gekleidet, als kämen sie von einer Beerdigung oder gingen zu einer hin, die Bürohäuser verlassen, um eine zu rauchen, frische Luft zu schnappen oder vor den Schaufenstern des Autohauses Moll - wo es die tollen Land Rover und Jaguare gibt (wow: F-Type, ochsenblutrot, 128.390 Euro) - das Träumen anzufangen.

Aber Wohnungen? Privatleben? Hier, in der Allgegenwart von Büroarbeit? Es gibt ja heute fast nichts mehr, das nicht mehr sein will als es ist. Die Tankstelle um die Ecke ist "mehr als eine Tankstelle". Jeder Baumarkt ist "mehr als ein Baumarkt". Und der Seestern ist, wie ein Werbeclaim behauptet, "more than business". So gibt es dort den "deutschlandweit einzigartigen Seestern Concierge Service".

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Foto: dpa

Er hilft, Dinge zu erledigen, zu denen man in der Hektik des Alltags manchmal nicht kommt. Etwa ein Geburtstagsgeschenk. Ich hatte nicht widerstehen können und die angegebene Nummer gewählt. Am anderen Ende der Leitung meldete sich eine Dame. Ich: "Guten Tag, Lorentz mein Name, könnten Sie mir mit einem Geschenk für meinen kleinen Sohn aushelfen?" Sie: "Wir haben leider nur Kleinigkeiten. Zum Beispiel Beispiel Alkoholika. Für Ihren Sohn vielleicht nicht das Wahre." Wir lachten.

Der Seestern steckt voller Überraschungen. Dass der Concierge-Service nicht als Erstes nach meiner Berechtigung fragt, ihn zu nutzen - sympathisch. Eine der größten, unübersehbarsten Überraschungen aber ist der weiße Max. Er wurde 1975 fertiggestellt. Man glaubt es kaum, denn er wirkt nagelneu, was daran liegt, dass er 2014 kernsaniert wurde und seitdem eine schneeweiße Fassade hat. In der fünften Etage - höher fuhr der Aufzug nicht - stieg ich aus und schaute in das Gesicht einer Putzkraft, die allein auf weiter Flur und gedankenverloren ihrer Arbeit nachging und fast erschrak, als ich den Flur betrat.

Auch der weiße Max ist ein Paradies der langen Gänge. Aber immerhin hängt hier, ab der fünften Etage bis unters Dach, gegenüber den Aufzugtüren jeweils ein querformatiges, quietschbuntes Bild, das Meeresleben zeigt, Fische, Korallen, Schildkröten und bestimmt auch Seesterne. Ich fragte die Frau, es war Mittagszeit, ob sie an dem Tag schon einen Bewohner des Hauses gesehen habe. Das Haus, obwohl riesengroß, wirke ausgestorben, und ich wüsste gerne, worin der Vorzug bestehe, mitten in einem Bürogebiet zu wohnen.

Die Dame: "Hier wohnen 300 Parteien. Morgens ist hier einiges los." Mittags dagegen nicht. Ich wechselte in den Aufzug, der bis ins 17. Stockwerk fuhr, stieg oben aus, genoss die Aussicht, und dann trat eine ältere Dame leise aus ihrer Wohnung. Sie schloss ab und ging zum Aufzug. Es war, wie sich herausstellte, die ehemalige Verwalterin des Hauses. Sie hatte es 15 Jahre lang gemanagt und lebte nun schon 40 Jahre darin. Und sie wusste alles über das Haus.

Glaubt man den Botschaften der Immobilienentwickler, ist der Seestern eine Boomregion. Dirk Lindner, Vorsitzender der Standortinitiative Seestern, kündigte Ende 2014 an: "Wir möchten den Seestern zum nutzerfreundlichsten Standort Deutschlands ausbauen." Nun ist der Mensch aber mehr als ein Nutzer. Er lebt auch. Und er möchte, wenn er aus der Wohnung tritt, vielleicht nicht ständig daran erinnert werden, dass es da draußen eine kolossal große Geschäfts- und Bürowelt gibt, die jeden Menschen zum Nutztier, Verzeihung, zum Nutzer von irgendwas degradieren will. Oder?

"Das Schöne daran, hier zu wohnen", sagte die Ex-Verwalterin, als sie im Parterre die Haustürklinke fast schon in der Hand hatte, "ist der hohe Freizeitwert. Man ist im Nu im Stadtzentrum. Und ratzfatz auf allen Autobahnen." Viele Mieter, sagte sie, wohnten schon seit Jahren und Jahrzehnten in dem Haus, auch Prominente würden die Anonymität gepaart mit der Nähe von Autobahnen und Flughafen schätzen, etwa die Schauspielerin Jutta Speidel, die zu den Bewohnern gezählt habe. Später erfuhr ich, dass aktuell der Rapper Kollegah im weißen Max wohnen soll (Etage kenne ich, sage ich aber nicht).

Anschließend fuhr ich ein letztes Mal mit dem Aufzug nach oben und nahm die Treppe zum 18., dem obersten Stockwerk, wo sich die "Waschlounge" befindet, sechs Waschmaschinen mit Münzschlitz. Alles piccobello. Und eine Aussicht auf Düsseldorf,spitze. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in Düsseldorf eine Waschlounge mit ähnlich überwältigendem Panorama gibt. Das war, ganz klar, mehr als eine Waschlounge."

(RP)
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