Düsseldorf Wie Muslime Flüchtlingen helfen

Düsseldorf · Die 33 im Kreis der Düsseldorfer Muslime organisierten Moscheevereine helfen Flüchtlingen mit Arbeitskraft, Sach- und Geldspenden sowie Sprachkursen. Rund 150 Ehrenamtler sind im Einsatz. Die Hilfe kommt auch Nicht-Muslimen zugute.

 Einmal pro Woche bringt Udai Saddiq in den Räumen der Reisholzer Moschee Masjid Assalam neu eingetroffenen Flüchtlingen Deutsch bei.

Einmal pro Woche bringt Udai Saddiq in den Räumen der Reisholzer Moschee Masjid Assalam neu eingetroffenen Flüchtlingen Deutsch bei.

Foto: Anne Orthen

Was ist der Unterschied zwischen "keine" und "nicht"? Udai Saddiq wechselt ins Arabische, um es seinen Schülern zu erklären. Die sind längst erwachsen, geflohen über gefährliche Routen mit Hilfe zwielichtiger Helfer. Monatelang waren sie unterwegs. An diesem Abend sitzen sie in einem Raum der Moscheegemeinde Masjid Assalam in Reisholz. Dort entsteht zurzeit die größte Moschee Düsseldorfs. In dem Land ihrer Hoffnungen wollen die Schutzsuchenden bald besser zurechtkommen. "Deutsch lernen", sagt einer. Wie er es sagt, klingt es nach einer Abmachung. Und die lautet: "Ich lerne eure Sprache und ihr gebt mir eine Zukunft."

Einmal pro Woche bringt Udai Saddiq in den Räumen der Reisholzer Moschee Masjid Assalam neu eingetroffenen Flüchtlingen Deutsch bei.

Einmal pro Woche bringt Udai Saddiq in den Räumen der Reisholzer Moschee Masjid Assalam neu eingetroffenen Flüchtlingen Deutsch bei.

Foto: Anne Orthen

Lehrer Saddiq weiß, was diese Menschen denken. Der 39-jährige Vater zweier Jungs, der mit einer Niederländerin verheiratet ist, kam vor 15 Jahren aus dem Irak nach Deutschland. Er floh vor Saddams Regime, war froh, als er endlich als Asylbewerber anerkannt wurde. Menschen zu helfen, die vor Verfolgung oder Bürgerkrieg fliehen, empfindet er als "meine Pflicht". Damit zieht der Mann, der an der Fachhochschule Niederrhein einen Abschluss als Mechatroniker machte, Konsequenzen aus seiner eigenen Lebenserfahrung. "Ich habe damals gehofft, dass mir jemand, der das nicht muss, hilft." Doch meist hoffte er vergeblich. Denn die heute praktizierte Willkommenskultur gab es noch nicht. "Ich hätte nie gedacht, dass Deutschland im Umgang mit Fremden so weit kommt. Das ist ganz enorm", sagt er und ist auch ein bisschen stolz, in solch einem Land zu leben.

Der Sprachkurs in der marokkanisch geprägten Assalam-Gemeinde in Reisholz ist freilich nur ein Beispiel für das ehrenamtliche Engagement der Düsseldorfer Muslime in der Flüchtlingshilfe. "Wir bauen Betten im Flüchtlingszelt auf, sammeln Kleidung, Hygieneartikel und Spielzeug, richten mit Hilfe von Geldspenden ein großes Opferfest aus, und manchmal helfen wir auch, aufbrechende Konflikte in einer Unterkunft zu managen", sagt Ahmet Top. Der tükischstämmige Mann aus Holthausen ist im Vorstand des (Arbeits-)Kreises der Düsseldorfer Muslime (KDDM). In seinem Moscheeverein Fidan hat er ein Café für die Flüchtlinge von der Itterstraße organisiert. Bei kostenlosem türkischen Tee und freiem W-Lan sollen die Zufluchtssuchenden hier einmal abschalten können.

Besondere Verantwortung übernehmen die muslimischen Ehrenamtler als Sprach- und Kulturmittler. 88 Übersetzer machten im Netzwerk mit, 23 Sprachen, von Arabisch über Kurdisch und Farsi bis hin zu Urdu, seien vertreten", heißt es vonseiten der muslimischen Hochschulgemeinde an der Heinrich-Heine-Universität. Die Sprachkundigen aus dem Netzwerk helfen nicht nur bei Behördengängen und Anträgen, sie nehmen auch Flüchtlinge in Empfang, die in den Zügen am Flughafen-Fernbahnhof ankommen und bald weiter auf Unterkünfte in ganz NRW verteilt werden. Inzwischen greifen Wohlfahrtsverbände wie die Caritas, das DRK oder der Paritätische ebenfalls auf die KDDM-Helfer zurück.

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"Wir bieten Menschen in Not unsere Hilfe an, unabhängig von Herkunft und Religion", sagt Jawad El Boujddaini, der für den KDDM den Arbeitskreis Flüchtlingshilfe leitet. Konkret heißt das: Auch aus dem Nordirak geflüchtete Christen können von den Übersetzungshilfen profitieren. Unabhängig davon, schätzen es viele muslimische Flüchtlinge, sich von Menschen ihrer Religion beispielsweise über die in den Unterkünften angebotenen Fleischgerichte aufklären zu lassen.

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Die Sorgen der Neuankömmlinge kennt Lehrer Udai Saddiq nur allzu gut. "Viele haben Angst, im Asylverfahren irgendetwas Falsches zu sagen und bitten mich um Rat." Sei die Anerkennung endlich da, tauchten schon die nächsten Fragen auf: Wo kann ich wohnen? Wo finde ich einen Job? "Die Arbeit geht uns in der nächsten Zeit nicht aus. Meine Frau fragt manchmal schon: Und wann sehen wir uns diese Woche", sagt Saddiq und lacht.

(jj)
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