Kolumne "Rund ums Rathaus" Willkommen beim Ampel-Sprech

Meinung | Düsseldorf · Die neuen Bündnispartner müssen sich nicht nur bei politischen Inhalten einander nähern, sondern auch bei der Sprache. Vor allem beim Vertragstext.

Wenn sich Partner neu zusammenfinden, muss sich erst mal einiges zusammenruckeln. Das ist bei Liebesbeziehungen nicht anders als in der Politik. An Gewohnheiten des anderen muss man sich erst mal gewöhnen, die Freundes- und Familienkreise einander anpassen, sich bei der Kommunikation mit dem Fremden anfreunden. Legt man an die Ampel-Koalitionäre diese Maßstäbe an, ist gerade die erste Aufgeregtheit verflogen, die Stabilität des Alltags jedoch noch nicht eingetreten.

Man harmoniert, hat aber doch Verständigungsprobleme — und das im wahrsten Sinne. Besonders Grüne und Liberale schauen sich teils mit erstaunten Gesichtern an, weil sie nicht wissen, was der andere meint mit dem Gesagten. Das schöne Wort "Klimaanpassungsstrategie" zum Beispiel geht Grünen flott von den Lippen — die FDP musste es sich, so ist aus gut informierten Teilnehmerkreisen zu hören, erst erklären lassen. Falls es Ihnen wie der FDP geht: Gemeint ist, dass man bei der Stadtplanung, ob Pflanzen, Gebäude oder Straßen, den fortschreitenden Klimawandel berücksichtigt. Es soll etliche solcher Beispiele geben. Ein Wörterbuch "Grüne-FDP, FDP-Grüne" wäre wohl eine Marktlücke.

Vielleicht aber auch gar nicht mehr nötig. Denn die Liberalen sind offenbar flink und lernwillig. So ist das geschlechtergerechte "I" führenden Freidemokraten längst in Fleisch und Blut übergegangen. Die FDP-Fraktion soll, das muss jetzt wirklich unter uns bleiben, sogar zum Treffen der "GeschäftsführerInnen" eingeladen haben.

Die gelb-grüne Sprachkultur ist das eine, das andere sind die Formulierungen für den Kooperationsvertrag, den SPD, FDP und Grüne am Ende der Verhandlungen schließen wollen. Das erfordert besonders bei heiklen Punkten Fabulierkunst auf höchstem Niveau. Schließlich muss die jeweilige Basis aus demselben Satz genau das herauslesen, was ihr wichtig ist. Geht es also um Verkehr, müssen die FDP-Mitglieder auf jeden Fall das Gefühl haben, dass die Autofahrer nicht zu sehr benachteiligt werden.

Für die strenge Basis der Grünen muss der Radverkehr klar auf Platz eins stehen, bei der SPD Busse und Bahnen noch davor. Sehr gespannt darf man deshalb auf die Formulierung zur umstrittenen Quote beim Wohnen sein. Oder zum Thema Steuererhöhungen. Die möchte die FDP unbedingt ausschließen, SPD-OB Thomas Geisel schließt jedoch "Ausschließeritis" aus. Wie wäre es hiermit: "Ich hatte niemals eine Erhöhung mit dieser Steuer vor". Oder: "Niemand hat die Absicht, eine Steuer zu erhöhen."

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(dr)
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