Interview mit Rüdiger Gutt (CDU) "Wir brauchen einen Spargipfel im Rathaus"

Düsseldorf · Rüdiger Gutt, Chef der CDU-Fraktion, sieht die solide Haushaltspolitik unter der Ampel-Mehrheit über Bord geworfen. In der Opposition setzt er auf Offensive.

 "Ich lege den Finger in die Wunde, wenn Dinge zum Schaden unserer Stadt entschieden werden", sagt Rüdiger Gutt, Chef der CDU-Fraktion und Oppositionsführer. Der - niedrigeren - Tour-Finanzierung hat seine Fraktion schließlich zugestimmt. Weitere Ämter im Rathaus schließt Gutt für sich nicht aus.

"Ich lege den Finger in die Wunde, wenn Dinge zum Schaden unserer Stadt entschieden werden", sagt Rüdiger Gutt, Chef der CDU-Fraktion und Oppositionsführer. Der - niedrigeren - Tour-Finanzierung hat seine Fraktion schließlich zugestimmt. Weitere Ämter im Rathaus schließt Gutt für sich nicht aus.

Foto: Andreas Endermann

Herr Gutt, wenn Sie sich hier auf der Tribüne des Ratssaals in die Rolle des Publikums versetzen: Wen erleben die Zuschauer, wenn Sie im Stadtrat am Rednerpult stehen?

Gutt Ich hoffe, dass man mir dann anmerkt, dass ich sehr leidenschaftlich für diese Stadt eintrete. Für die Idee, wie Düsseldorf sich entwickeln soll, lohnt es sich zu kämpfen.

Manche meinen, Sie seien angriffslustig und prinzipiell dagegen. Ist das Ihre Definition von Opposition?

Gutt Nein, das sehe ich nicht. Es wäre auch überhaupt nicht sachgerecht. Die CDU hat manches mitgetragen, etwa die anstehenden Schulbauprojekte. Ich lege aber den Finger in die Wunde, wenn Dinge zum Schaden unserer Stadt entschieden werden.

Was zum Beispiel?

Gutt Bei den Finanzen tut es schon sehr weh, zu sehen, wie die erfolgreiche Politik aus den Jahren der schwarz-gelben Mehrheit einfach über Bord geworfen wird. Schließlich haben wir 1,6 Milliarden Euro rot-grüne Schulden abgebaut und der neuen Stadtregierung 300 Millionen Euro Rücklagen hinterlassen. Da finde ich es eine Unverschämtheit, wenn SPD-Fraktionschef Markus Raub uns vorwirft, schlecht gewirtschaftet zu haben.

Das mit den rot-grünen Schulden stimmt nicht. In den Jahren von Rot-Grün, 1994 bis 1999, war schlicht kein Geld da, weil die Vorgänger zu viel ausgegeben hatten. Rot-Grün hat ein Defizit von 250 Millionen Euro abgebaut und Schwarz-Gelb einen stabilen Haushalt hinterlassen.

Gutt Fakt ist, dass 1999 der Schuldenstand bei 1,6 Milliarden Euro lag und wir unseren Nachfolgern mehr als 300 Millionen Euro Rücklagen hinterlassen haben.

SPD, Grüne und FDP betonen aber, bei der Regierungsübernahme 2014 nur die Hälfte der Summe in den Rücklagen aufgefunden zu haben. Wie kommt es zu dieser Differenz?

Gutt Kurz nach der Wahl war das Geld jedenfalls da. Es gibt aber über das Jahr immer Schwankungen bei den Gewerbesteuereinnahmen.

Aber das in der CDU-Zeit gebildete Sparpolster ist kontinuierlich abgeschmolzen ...

Gutt Wir haben unter Oberbürgermeister Joachim Erwin Rücklagen gebildet, aber auch mit Investitionen in Wehrhahn-Linie und Kö-Bogen die Entwicklung der Stadt weiter vorangetrieben. Was sich entgegen unserer Planung entwickelt hat, war die Weltwirtschaftslage mit der globalen Finanzkrise und den massiven Einbrüchen bei der Gewerbesteuer.

Haben Sie die richtigen Schwerpunkte gesetzt?

Gutt Auf jeden Fall. Die Investition in die Neuentwicklung der Innenstadt hat sich gelohnt, denn sie zieht viele Folgeinvestitionen von Privaten in der Umgebung nach sich, was sich wiederum gut auf die Gewerbesteuer und das regionale Handwerk auswirkt. Außerdem wurde der schmucklose Verkehrsknoten Jan-Wellem-Platz dadurch zu einem international bekannten Hotspot.

Und der Sanierungsstau bei den Schulen?

Gutt Wir haben über die Jahre fast 500 Millionen Euro für den Schulbau bereitgestellt, aber den Prozess nicht transparent genug gemacht. Immer wieder kam es zu Neu- und Umplanungen. Dadurch ist der Eindruck entstanden, dass nicht genügend passiere. Wir hätten noch stärker Schwerpunkte setzen sollen. Den Neubau des Albrecht-Dürer-Berufskollegs hätte ich mir vor 2014 gewünscht.

Wenn Sie in den Ratssaal blicken: Würden Sie gerne auf dem Platz des Oberbürgermeisters sitzen?

Gutt Eine solche Entscheidung steht jetzt nicht an, das hat die Partei zu gegebener Zeit zu entscheiden.

Wäre das für Sie vorstellbar?

Gutt Jede Äußerung in dieser Hinsicht würde eine Debatte auslösen.

Sie dementieren nicht. Ist das Selbstbewusstsein, weil Sie als Oppositionsführer an Profil gewonnen haben?

Gutt Als größte Oppositionsfraktion ist die CDU natürlich ein wichtiger Gegenpart zum Oberbürgermeister und der Ampel-Mehrheit. Das erfordert mehr Offensive und ist eine andere Rolle, als wenn man unter einem OB derselben Partei die regierende Fraktion führt.

Haben Sie mehr Spaß an der Attacke?

Gutt Nicht an der Attacke an sich, was nur politische Show wäre. Wichtig ist mir, Fehlentwicklungen klar und deutlich anzusprechen.

Was hätten Sie anders gemacht?

Gutt Mich ganz sicher nicht zu diesem Zeitpunkt für die Tour de France entschieden. Mit Verweis auf die Haushaltslage werden Schulsanierungsmaßnahmen der Bezirksvertretungen gekürzt, aber für den Start der Tour sollen elf Millionen Euro ausgegeben werden. Einer der größten moralischen Tiefpunkte, die ich in diesem Stadtrat erlebt habe, war, dass Oberbürgermeister Thomas Geisel bei der Tour-Abstimmung eine Mehrheit akzeptiert hat, die nur mit den Stimmen der Rechten zustande kam.

Aber warum ist die CDU jetzt umgekippt und hat doch für die Tour gestimmt?

Gutt Wir sind nicht umgekippt. Nach dem Tour-Beschluss gegen unsere Stimmen haben wir jetzt eine Kostenbremse durchgesetzt und die Ausgaben für 2016 auf netto eine Million Euro halbiert.

Welches Druckmittel haben Sie, falls das nicht eingehalten wird?

Gutt Jetzt wurde nur über die erste Kostenetappe entschieden. Der größere Ausgabenblock wird erst im Dezember mit dem Haushalt 2017 beschlossen. Da wird sich zeigen, ob der OB die von ihm versprochenen Sponsorengelder eingeholt hat.

Stimmen Sie andernfalls dagegen?

Gutt Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Wir werden sicherlich nicht unangemessenen Ausgaben zustimmen. Wobei ja nicht nur durch Sponsoren Einnahmen erhöht, sondern auch Ausgaben reduziert werden könnten. Wir werden mit großer Wahrscheinlichkeit den von der Ampel erarbeiteten Haushalt ablehnen, also auch die Tour-Finanzierung. Ich bin sehr gespannt, wie sich die FDP verhält, die bisher konsequent gegen die Tour gestimmt hat.

Was hätten Sie noch anders gemacht, wenn Sie regieren würden?

Gutt Sicherlich den Streit mit der Stadtsparkasse nicht so eskalieren lassen wie Geisel. Vor allem hätte ich angesichts der Finanzlage alle Ratsfraktionen zu einem Spargipfel eingeladen. Ich habe bisher vom OB und der Ampel nur viele Ankündigungen zu Investitionen gehört, aber nicht, wie das finanziert werden soll. Wir brauchen eine klare Prioritätensetzung, die vom Stadtrat mit breiter Mehrheit getragen werden sollte. Unser Angebot, alles auf den Tisch zu legen und gemeinsam zu überlegen, wo gespart werden kann, wurde leider nicht angenommen.

Wo würden Sie denn sparen?

Gutt Wir werden den Haushaltsentwurf analysieren und Vorschläge machen. Es geht nicht nur darum, Ausgaben zu reduzieren, sondern auch Einnahmen zu erhöhen.

Sie wollen Steuern erhöhen?

Gutt Nein. Wir haben andere Ideen, über die ich noch nicht sprechen will.

Wie viele Fraktionen gibt es in der CDU-Fraktion?

Gutt Wir agieren in großer Geschlossenheit, insbesondere wenn es darum geht, dass die Stadt nicht wieder in die Verschuldung kommt.

Wird es 2017 wieder einen Kampf zwischen Ihnen und Andreas Hartnigk um den Fraktionsvorsitz geben?

Gutt Ich trete wieder an. Ob ich einen oder mehrere Gegenkandidaten haben werde, weiß ich nicht.

Steht der Deal, falls Friedrich Conzen irgendwann das Amt des Bürgermeisters abgibt: Hartnigk Bürgermeister, Sie Fraktionschef?

Gutt Es gibt keinen Deal.

Können Sie sich vorstellen, Bürgermeister zu sein?

Gutt Diese Frage stellt sich derzeit nicht.

Was schätzen am meisten an Thomas Geisel?

Gutt Seinen Fleiß.

DENISA RICHTERS UND UWE-JENS RUHNAU FÜHRTEN DAS INTERVIEW

(RP)
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