Kolumne Mein Düsseldorf Wo die Macht des Brauchtums sitzt

Düsseldorf · Wer Karriere machen will bei Narren oder Schützen und nicht in Nieder- oder Oberkassel wohnt, sollte die Möbelpacker bestellen - umziehen könnte helfen, das begehrte Pöstchen zu bekommen. Auf zur linken Rheinseite: Sie ist eine Art Kaderschmiede geworden für das Brauchtum des Winters wie das des Sommers.

Jedenfalls leben in keinem anderen Stadtteil so viele einflussreiche Würdenträger - egal, ob mit Pappnase oder in grüner Uniform mit weißer Nelke im Lauf des Holzgewehrs.

Zuletzt vergrößerte Hans-Jürgen Tüllmann die Liste. Der 58-Jährige hat sehr gute Chancen, nächste Woche zum neuen Geschäftsführer des Comitee Düsseldorfer Carneval (CC) gewählt und damit einer der mächtigsten Männer der Helau-Fraktion zu werden. Er lebt in Niederkassel. Nicht weit von Dino Conti Mica, führende Kraft der Tonnengarde und derzeit noch Vorstandsmitglied des CC. Er spielte 2011 eine zentrale Rolle, als seine Frau Anke - für seinen Bekanntheitsgrad sehr förderlich - Venetia wurde. Ihre Schwester Ute Heierz-Krings hatte diese Rolle 2009 besetzt, und sie alle sind gute Bekannte von Thomas Puppe (Ex-Prinz), der linksrheinisch mehrere Bäckereien und auch seine private Adresse hat.

Weitere Beispiele? Bitte sehr: Barbara Oxenfort (Ex-Venetia) wohnt in Oberkassel, geht von dort kurze Wege zu ihren Kolleginnen im Venetien-Club wie Angela Erwin und Heidrun Leinenbach. Ex-Venetia Miriam Battenstein hat ihre Wohnung zwar in der Nähe, doch die Distanz ist mental eine etwas Größere, man zieht nicht an der selben Luftschlange. Anders Claudia Monreal - aktiv in der Tonnengarde und noch amtierende Venetia: Sie ist eng verwoben mit den närrischen Damen. Stefan Kleinehr (CC-Vorstand und AVDK-Präsident) zog es mit seiner Künstleragentur in die begehrte (und teure) Gegend, Marc Frankenhauser (Prinzenführer) dito. Für Nachwuchs ist auch gesorgt: Kinderhoppeditz Jana Lehne wohnt mit ihrer Familie in Oberkassel. Und Wagenbauer Jacques Tilly klebt und schraubt seine Wagen zwar im ehemaligen Straßenbahn-Depot am Steinberg zusammen, aber sein vor Ideen sprühendes Haupt bettet er abends in einem schönen Oberkasseler Altbau in die Kissen.

Dass nun auch Düsseldorfs Schützen-Chefin Britta Damm in Niederkassel ihre uniformierten Frauen und Männer anführt, ist somit nur konsequent - obwohl Düsseldorfs Schützen völlig anders ticken als die Jecken. Aber vor allem in Niederkassel sind die Männer und Frauen der Schützenvereine besonders rege, Nachwuchssorgen gibt es daher nicht, die Schützen sind tief im Stadtteil verwurzelt. Was Beobachter verblüfft: Sie haben es geschafft, aus den traditionsreichen Jahren der Vergangenheit die Brücke zu schlagen in die heutige Zeit. Zu sehen an den vielen zugezogenen Frauen und Männern zwischen 30 und 45, die häufig sogar in die Vereine eintreten oder zumindest mit großem Spaß - inklusive Kind und Kegel - deren Kirmes, das Oktoberfest oder andere Events besuchen. Längst ist der Einfluss der Neuen groß geworden, einige aus den alteingesessenen Familien fühlen sich an den Rand gedrängt, raunt es hier und da.

Aber gäbe es diesen Nachwuchs nicht, wäre das Brauchtum auf der linken Rheinseite vermutlich dort, wo es in vielen anderen Stadtteilen ist - auf der schäl Sick und ohne Einfluss auf den Rest der Stadt.

(RP)
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