Wehrhahn-Prozess in Düsseldorf Zeuge der Anklage im Kreuzverhör

Düsseldorf · Im Wehrhahn-Prozess hat ein ehemaliger Mithäftling des Angeklagten vor Gericht ausgesagt. Die Verteidiger des mutmaßlichen Attentäters versuchen, Zweifel am Hauptbelastungszeugen zu säen.

Wehrhahn-Anschlag in Düsseldorf: Prozess gestartet
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Prozess zum Wehrhahn-Anschlag startet in Düsseldorf

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Foto: dpa, fg

Die knapp vierstündige Vernehmung von Klaus M. (Name geändert) neigt sich bereits dem Ende zu, als eine Frage des Gutachters ahnen lässt, warum dieser Mann sich die Tortur im Zeugenstand antut. Die Verteidigung hatte ihn massiv unter Beschuss genommen, seine bisweilen unbeholfenen Formulierungen seziert, und ihn auch auf den Satz festnageln wollen, er werde "die Bilder von dem Anschlag nicht los". Denn diese Bilder kann er eigentlich nicht gekannt haben, als Ralf S. ihm vom Attentat auf die Sprachschüler erzählte. Bis dahin, so hat er selbst gesagt, habe er vom Wehrhahn-Anschlag nie gehört.

Er habe ein visuelles Vorstellungsvermögen, und als er im Büro der Vollzugsbeamten im Gefängnis von Castrop-Rauxel im Sommer 2014 erfahren habe, dass es tatsächlich 14 Jahre zuvor einen Sprengstoffanschlag in Düsseldorf gab, bei dem Menschen verletzt wurden, da habe er eben Bilder im Kopf gehabt, sagt der Zeuge.

Was er nicht sagt, und worüber er auch auf die Fragen des Gutachters nicht näher sprechen will: 2001 ist der Oberfeldwebel als Sanitäter bei den Panzergrenadieren im Kosovo gewesen und hat einen Angriff auf ein Militärfahrzeug aus nächster Nähe miterlebt. Die Bilder, die er beim Wort Sprengstoffanschlag im Kopf hat, kann man sich da vorstellen, und auch, warum er einen, der für so etwas verantwortlich sein soll, nicht decken will.

Die Bundeswehr soll das Thema gewesen sein, dass den blonden Hünen M. und den spillerigen Ralf S. in jenem Sommer vor dreieinhalb Jahren zusammenbrachte. S. saß in Castrop-Rauxel eine Geldstrafe ab, M. verbüßte den Rest einer Strafe wegen Betrugs, nachdem er gegen Bewährungsauflagen verstoßen hatte. "Wir verstanden uns gut, redeten viel", sagt M. im Zeugenstand, "es ist langweilig in der JVA." S. hatte einen Job in der Bibliothek, M. las gern, da sah man sich oft, und auch im Lesekreis und der Kirchengruppe waren sie zusammen.

S. soll, wie es so seine Art ist, große Töne gespuckt haben, von seiner Sicherheitsfirma, die bewaffneten Personenschutz und Begleittruppen zur Piratenbekämpfung für die Schifffahrt anbiete. S., sagt der Zeuge, sei korrekt aufgetreten, habe als Ex-Unteroffizier den ranghöheren Ex-Oberfeldwebel stets militärisch gegrüßt. Und er bot ihm einen Job an. "Ich war interessiert. Ich hatte zwar meine Zweifel, warum einer, der eine so erfolgreiche Firma hat, eine Geldstrafe absitzen muss - aber er hatte Erklärungen. Und ich brauchte dringend eine neue Arbeit", sagt M.

Bei einem dieser Gespräche unter Ex-Soldaten seien die beiden Häftlinge über das Thema Piratenschutz auf Sprengfallen gekommen, S. soll irgendetwas Dummes über Techniken gesagt und M. will ihm widersprochen haben. Das habe S. derart erbost, dass er "in Rage erzählt hat, er habe in seinem Viertel aufgeräumt, einen Sprengsatz zur Explosion gebracht, und dabei habe er auch einige erwischt". Schockiert will M. nach ein paar Stunden das JVA-Personal informiert haben.

Die Betreuerin, die damals im Internet entdeckte, dass "da wirklich etwas war", kann sich gestern zum Erstaunen des Gerichts nicht einmal erinnern, von der Polizei danach befragt worden zu sein. Die Leute in der JVA erzählten so viel, sagt sie, da habe sie das wohl vergessen. Tatsächlich aber hatte die Frau M.s Informationen weitergegeben und so die neuen Ermittlungen gegen den alten Verdächtigen Ralf S. ins Rollen gebracht, die vor einem Jahr zu dessen Verhaftung führten.

S. erinnert sich an jenen Aufenthalt in der JVA ganz anders. "Heulender Wikinger" hätten alle den Zeugen M. genannt, weil der so oft gejammert habe. "Ich bin ja schon seltsam, aber der war noch seltsamer - einen Job wollte ich ihm nicht geben", sagt S., als der Zeuge das Gericht bereits verlassen hat. M. hat zuvor empört Andeutungen der Verteidigung zurückgewiesen, wonach er die ganze Geschichte erfunden habe, um die Belohnung zu kassieren. Von den 63.000 Euro, die für die Ergreifung des Wehrhahn-Bombers ausgelobt sind, habe er erstens nichts gewusst, und zweitens auch keinen Anspruch darauf erhoben. Die Widersprüche in seinen Antworten erklärt er mit der langen Zeit, die vergangen ist. Er habe nichts erfunden, beteuert er, er wolle nur das Richtige tun.

Die Verteidigung weist darauf hin, dass er nicht immer das Richtige getan hat, hält ihm die Verurteilungen wegen Betrugs und Urkundenfälschung vor. Er tue alles, um sich finanzielle Vorteile zu verschaffen, mutmaßt die Anwältin und bringt den Zeugen damit sichtlich auf. Der wehrt sich mit einer langatmigen Geschichte über das Unrecht, dass ihm Anwälte und Staatsanwälte schon angetan haben. Mit der Justiz, sagt der Hauptbelastungszeuge im Wehrhahn-Prozess, habe er schlechte Erfahrungen gemacht.

(sg)
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