Düsseldorf "Zur Not geht's mit Händen und Füßen"

Düsseldorf · Die steigende Zahl an Flüchtlingen hat eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst. Ingrid Schmitz berät Hilfesuchende in einer Sprechstunde in Gerresheim. Dort wird Begleitung zu Behörden und Ärzten angeboten.

 Ingrid Schmitz gehört zu einem Team von ehrenamtlichen Bürgern und Seelsorgern, die Flüchtlingen ein ganzes Bündel an Hilfe anbieten.

Ingrid Schmitz gehört zu einem Team von ehrenamtlichen Bürgern und Seelsorgern, die Flüchtlingen ein ganzes Bündel an Hilfe anbieten.

Foto: Andreas Bretz

"Wie geht es Ihnen?" Für Flüchtlinge ist diese Frage keineswegs alltäglich, schon gar nicht in Behörden. Im Gemeindezentrum der Gustav-Adolf-Kirche in Gerresheim wird sie oft und ganz bewusst gestellt, vor allem dienstags bei der Sprechstunde für Bedürftige, zu der immer mehr Flüchtlinge kommen. "Sie haben alles verloren, ihre Heimat, ihren Alltag, ihre Sicherheit", weiß Ingrid Schmitz aus vielen Gesprächen. Die pensionierte Lehrerin gehört zu einem Team von ehrenamtlichen Bürgern und Seelsorgern, die ein ganzes Bündel handfester Hilfe anbieten. Dabei lässt sich in Gerresheim beobachten, wie das strapazierte Wort von der "Willkommenskultur" mit Leben erfüllt wird.

Eine junge Syrerin ist mit ihren drei Kindern aus ihrer Heimat geflohen und nun im Flüchtlingsheim an der Heyestraße gestrandet. Sie spricht nicht über das, was hinter ihr liegt, ist voller Angst. Als sie in der Sprechstunde gefragt wird, wie viele Lebensmittelgutscheine sie braucht und wo denn ihr Mann sei, bricht sie weinend zusammen - der Dolmetscher erklärt schließlich, dass ihr Mann hingerichtet wurde. Ingrid Schmitz: "Meine Kollegin war furchtbar erschrocken, aber die junge Frau hat schnell verstanden, dass es nicht ihre Absicht war, sie an ihre schreckliche Vergangenheit zu erinnern." Diese Szene zeigt auch, wie viel Fingerspitzengefühl das Dienstags-Team braucht.

Die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Gemeinschaftsprojekts von Caritas und Diakonie verstehen sich als Lotsen, die beim Übersetzen von amtlichen Briefen helfen und ihre Begleitung zu Behörden oder Ärzten anbieten. Außerdem bekommt jeder Flüchtling einmal im Monat von ihnen Lebensmittel- und Drogeriemarktgutscheine, die von Spenden finanziert werden. "Wir sind überwältigt von der Hilfsbereitschaft vieler Gerresheimer", sagt Ingrid Schmitz. 50 000 Euro kamen im vergangenen Jahr, auch mit Unterstützung der Bürgerstiftung St. Gerricus, zusammen.

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Aber neben Spenden wird auch Tatkraft gebraucht. "Wenn im Spätsommer der große Ansturm von Flüchtlingen erwartet wird, wollen wir vorbereitet sein", erläutert Ingrid Schmitz. Da sollen ehrenamtliche Kräfte Sprachkurse anbieten, Wörterbücher beschaffen und Kinderbetreuung während der Kurse anbieten. Und damit die neuen Vokabeln besser haften bleiben, gehen die Lotsen mit ihren Schützlingen auch gleich einkaufen - zum Training von Sprache und fremden Lebensgewohnheiten.

Das Interesse scheint beachtlich zu sein, zu einem Info-Abend Ende Februar kamen 180 Gerresheimer. Jetzt gilt es, die Helfer zu vernetzen und die Ideen in die Tat umzusetzen. So werden Lotsen gesucht, die Tipps bei der Jobsuche geben (sobald ein Flüchtling eine Arbeitserlaubnis hat), Kontakte zu Firmen aufbauen und informieren, wie der hiesige Arbeitsmarkt funktioniert. Da Kinder in den Unterkünften kaum Platz zum Spielen haben, wollen Helfer mit Sportvereinen kooperieren und Ausflüge organisieren. Demnächst wird auch eine "Feuerwehrgruppe" zur Stelle sein, wenn etwas transportiert werden muss.

Was sollten Lotsen mitbringen? Ingrid Schmitz: "Geduld und Gelassenheit." Sprachkenntnisse seien wichtig, "aber zur Not geht's auch mit Händen und Füßen."

(RP)
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